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# taz.de -- Ein Brief an einige Leser:innen (1): Mutiert die taz zum Regierungs…
> Wir bekommen viel Lob für die Berichterstattung über die Coronakrise.
> Doch einige Leser:innen finden die taz „regierungsnah“ und
> „mainstreamig“. Versuch einer Antwort.
Bild: Personifizierte Richtlinienkompetenz: Angela Merkel am 22. April 2020 in …
Von [1][MALTE KREUTZFELDT] und [2][ULRICH SCHULTE]
Die taz kommt im Moment gut an. Die Reichweite unseres Onlineangebots ist
deutlich gestiegen, seit das Land von der [3][Coronapandemie] gelähmt wird.
Immer mehr Menschen zahlen freiwillig für Artikel, sie loben unsere
Berichterstattung als informativ, aufklärerisch und ausgewogen.
Aber die taz regt auch auf. Manche Leser:innen geben uns in diesen Tagen
ein irritiertes Feedback. Sie sehen unsere Berichterstattung über das Virus
und die rigiden Maßnahmen der Bundesregierung kritisch. Ein häufiger
Kritikpunkt lautet, wir seien zu „regierungsnah“, zu dicht „am Mainstream…
und täten kritische Stimmen, die es wagten, den Regierungskurs zu
hinterfragen, als Verschwörungstheorien ab.
Die Redaktion diskutiert solche Fragen engagiert, die Meinungen gehen wie
gewohnt auseinander. Wir, die Autoren des Textes, die für viele, aber
selbstverständlich nicht für alle tazler:innen sprechen, möchten auf diese
Kritik antworten. Und begründen, warum wir sie für nicht gerechtfertigt
halten.
## taz-Lob für die Regierung? Sehr ungewöhnlich
Die Beobachtung, das manche [4][taz-Kommentare] die Regierung loben, ist
völlig richtig: Tatsächlich fand sich in der taz in letzter Zeit weniger
Kritik an der Bundesregierung als zu anderen Zeiten. Und, bitte glauben Sie
uns: Auch für einen taz-Redakteur, der es gewohnt ist, erst mal alles zu
hinterfragen und vieles zu kritisieren, ist es ein seltsames Gefühl, ein
Papier aus dem Innenministerium oder eine Ansprache der Kanzlerin einfach
nur zu loben.
Aber dass wir das tun, liegt nicht daran, dass wir das kritische Denken
plötzlich eingestellt hätten. Im Gegenteil: Wir recherchieren mindestens so
intensiv und hartnäckig wie sonst – kommen aber derzeit bei Abwägung aller
bekannten Fakten zu der Einschätzung, dass das Vorgehen der Regierung im
Großen und Ganzen richtig ist. Dafür, dass von dem neuen Coronavirus eine
ernsthafte Gefahr ausgeht und die Gegenmaßnahmen erforderlich sind, gibt es
– leider – gute Argumente, für das Gegenteil dagegen nicht.
Wenn eine taz-Autorin oder ein taz-Autor Maßnahmen der Regierung gutheißt,
tut sie oder er das, weil er sie nach einer kritischen Prüfung inhaltlich
für richtig befindet, nicht um irgendwem zu gefallen. Als Angela Merkel im
Jahr 2015 die Grenzen für Geflüchtete offen ließ, lobten taz-Kommentatoren
die Kanzlerin auch – weil sie ihre humanitäre Haltung unterstützten. Als
Merkel wenig später mit anderen EU-Staaten die Europäische Union
abschottete und Asylrechtseinschränkungen beschloss, wurde sie von uns
scharf kritisiert.
## Nicht haltbarer Vorwurf
Auch wenn die taz eine lange Geschichte als Teil der „Gegenöffentlichkeit“
hat: Etwas zu schreiben, was wir eindeutig für falsch halten, nur um uns
vom sogenannten „Mainstream“ zu unterscheiden, kann und darf nicht der
Anspruch einer intelligenten Zeitung sein. Kritik aus Prinzip ist nicht
mehr als eine Pose. Gute Argumente eines Gegenübers zu ignorieren, weil er
auf der vermeintlich falschen Seite steht, ist Ideologie.
Jenseits der Tatsache, dass wir das Coronavirus ebenso wie alle relevanten
Wissenschaftler:innen und alle seriösen Medien sehr ernst nehmen, halten
wir den Vorwurf, die taz sei zum „Regierungsblatt“ mutiert, für nicht
haltbar. Wir schauen gerade sehr genau hin, egal ob es um die
Kontaktbeschränkungen in den verschiedenen Bundesländern geht (Wo und warum
darf man nicht auf einer Parkbank sitzen?), um die Einschränkungen des
Versammlungsrechts oder die Folgen der Pandemie für marginalisierte, arme
oder geflüchtete Menschen.
Und zu Fragen, auf die es jeweils mit guten Gründen unterschiedliche
Antworten gibt, veröffentlichen wir selbstverständlich auch
unterschiedliche Sichtweisen. Die taz bleibt ein Hort der Pluralität. Jede
und jeder darf schreiben, was sie oder er will. Ein paar Beispiele: Zur
Frage, ob die Ausgangsbeschränkungen übertrieben sind oder ob die
Spielplätze offen bleiben sollen, gab es jeweils einen Pro- und einen
Contra-Kommentar. Der Grüne Boris Palmer, der den Shutdown kritisch sieht,
[5][bekam breiten Raum in der taz]. Im [6][Disput zwischen den Virologen]
Christian Drosten und Hendrik Streeck sind beide Seiten ausführlich zu Wort
gekommen.
## Faktenorientiert berichten
Wer allerdings wie einzelne Leser:innen verlangt, dass wir auch völlig
abstruse Meinungen ungefiltert ins Blatt lassen sollten, wird weiterhin
enttäuscht werden. Menschen, die Fakten offensichtlich ignorieren, zu
lebensgefährlichem Verhalten aufrufen und absurde Verschwörungstheorien
verbreiten wollen, wird die taz kein Forum bieten.
Wenn bestimmte Positionen nur in obskuren oder rechtslastigen
Internetmedien vorkommen, spricht das nicht zwangsläufig gegen alle anderen
Medien – sondern eher dafür, dass sie ihre Arbeit ordentlich machen.
Das wollen wir auch in Zukunft tun. Hartnäckig und kritisch, aber
faktenorientiert – und hoffentlich weiter mit breiter Unterstützung unserer
Genoss:innen, Leser:innen und taz-zahl-ich-Unterstützer:innen. Den Dialog
mit Ihnen, unseren Leser:innen, werden wir auch in Zukunft suchen. Denn
ohne Sie, die uns hoffentlich gewogen bleiben, geht es nicht.
24 Apr 2020
## LINKS
[1] /!s=&Autor=Malte+Kreutzfeldt/
[2] /!s=&Autor=Ulrich+Schulte/
[3] /Schwerpunkt-Coronavirus/!t5660746/
[4] /Aufweichungen-der-Corona-Regeln/!5676936
[5] /Boris-Palmer-ueber-Corona-Quarantaene/!5676475/
[6] /Corona-Epidemie-in-Deutschland/!5677835
## AUTOREN
Ulrich Schulte
Malte Kreutzfeldt
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