# taz.de -- Dossier Flughafen Istanbul: Auf der Zugroute der Störche | |
> Der Flughafen Istanbul liegt auf Vogelzugrouten. Das gefährdet nicht nur | |
> die Störche. Kollisionen von Vögeln und Flugzeugen sind ein | |
> Sicherheitsrisiko. | |
Bild: Hunderttausende Störche ziehen im Frühling über den Bosporus nach Euro… | |
Fikret Can blickt konzentriert in den Himmel. Er steht auf einer | |
Aussichtsplattform in Sarıyer hoch über dem Bosporus. Es ist ein sonniger | |
Frühlingsmorgen in Istanbul, „bestes Vogelzählwetter“, sagt Can. Vor den | |
kleinen Kumuluswolken kann er die Störche am besten sehen. Vom Lärm der | |
Stadt ist hier oben über den Bäumen nichts zu hören. Einige Kilometer | |
nördlich mündet der Bosporus ins Schwarze Meer, im Süden ragen die | |
Wolkenkratzer des Finanzzentrums Maslak in den Himmel. Am Fuße des Hügels | |
glitzert das Wasser in der Sonne, Tanker ziehen lautlos vorbei. Der hagere | |
74-Jährige legt den Kopf in den Nacken, schaut durchs Fernglas. Es ist kurz | |
nach 11 Uhr, als er die ersten Störche sichtet. | |
Von Anfang März bis Mitte Mai überqueren Hunderttausende Störche auf ihrem | |
Weg von Afrika nach Europa die Meerenge, die meisten Zugvögel sind in den | |
letzten beiden März- und den ersten zwei Aprilwochen zu beobachten. Der | |
Bosporus ist ein Flaschenhals für den Vogelzug, erklärt Fikret Can, eine | |
der schwierigsten Passagen für die Störche. Um Energie zu sparen, lassen | |
sich die Zugvögel von der Thermik nach oben treiben. Durch den Aufwind | |
können sie kilometerweit segeln, ohne mit den Flügeln zu schlagen. Auf | |
ihrem Weg meiden sie das Meer, sie fliegen immer entlang der Küste über dem | |
Festland. | |
Wer in Istanbul etwas über Störche erfahren will, fragt Fikret Can. Seit 14 | |
Jahren beobachtet der pensionierte Rechtsanwalt den Storchenzug. Dafür ist | |
er in den Stadtteil Büyükçekmece am Marmarameer gezogen, das die Störche | |
Ende des Sommers auf ihrer Südroute überfliegen. Mit seinem Team von | |
Freiwilligen zählt er die Vogelschwärme des Herbstzugs und kümmert sich um | |
verletzte Vögel. „Die Störche sind mein Leben“, sagt Can. Seine Liebe zur | |
Natur begann als Sohn eines Hirten aus einem Dorf an der Schwarzmeerküste. | |
Auch im Frühling macht er sich an den Wochenenden auf den weiten Weg vom | |
südlichen Stadtrand Istanbuls zum nördlichen. Vier Stunden braucht er mit | |
dem Bus nach Sarıyer. | |
Kurz vor der Schwarzmeerküste liegt einer der letzten grünen Orte, die sich | |
die Metropole noch nicht einverleibt hat: die Kuzey Ormanları, die | |
Nordwälder. Das großflächige Waldgebiet ist die Lunge Istanbuls, von hier | |
bezieht die Stadt einen Großteil des Trinkwassers. Doch der Bestand der | |
Wälder ist in Gefahr, denn knapp 40 Kilometer westlich ist in den | |
vergangenen fünf Jahren der neue Flughafen Istanbul entstanden, eines der | |
Mega-Projekte der AKP-Regierung. Mit einem 1,4 Millionen Quadratmeter | |
großen Terminal, sechs Landebahnen und einer Kapazität für 200 Millionen | |
Fluggäste soll der Flughafen bis zum Jahr 2028 der größte der Welt werden. | |
## Der Inbegriff der „neuen Türkei“ | |
Am 29. Oktober 2018, dem Tag der Republik, eröffnete Staatspräsident Recep | |
Tayyip Erdoğan das Prestigeprojekt. Bei der feierlichen Zeremonie nannte er | |
den Flughafen ein „Siegesdenkmal“. Für Erdoğan hat er einen ebenso hohen | |
symbolträchtigen Wert wie die dritte Brücke über den Bosporus und der Kanal | |
Istanbul, ein zweiter künstlicher Bosporus, der in der Nähe des neuen | |
Flughafens gegraben werden soll. | |
Diese Großprojekte, gebaut von regierungsnahen Holdings und gegen den | |
Widerstand von Umweltschützer*innen durchgesetzt, sollen Prosperität | |
versprechen und dem Bauboom in der expandierenden Metropole den Weg ebnen. | |
Die Mega-Projekte sind Wahlversprechen und Inbegriff der „neuen Türkei“ | |
unter der AKP-Regierung, mit ihnen baut sich Erdoğan Denkmäler. Deshalb | |
waren die Kommunalwahlen am vergangenen Sonntag, bei denen er die | |
Hauptstadt und die Wirtschaftsmetropole Istanbul an die Opposition verlor, | |
eine solche Niederlage für ihn: Sie brechen mit dem Nimbus unbesiegbarer | |
Größe. | |
Doch bisher war der neue Flughafen nur für einige Flüge geöffnet. Die | |
Aufnahme des regulären Betriebs wurde aufgrund struktureller Mängel und | |
Probleme mehrmals verschoben. Nun findet der große Umzug vom | |
Atatürk-Flughafen auf das neue Gelände am 6. April statt. | |
Der dritte Flughafen ist höchst umstritten, bereits vor Baubeginn warnten | |
Umweltaktivist*innen und Biolog*innen vor den ökologischen Folgen eines | |
solchen Megaprojekts. Für den gigantischen Flughafen wurden Millionen Bäume | |
abgeholzt und der Lebensraum von Hunderttausenden Tieren zerstört. Wenn nun | |
der Regelbetrieb aufgenommen wird, teilen sich Flugzeuge und Zugvögel den | |
gleichen Luftraum, denn der neue Flughafen liegt auf der Flugroute der | |
Störche, die von ihrem Winterquartier in Subsahara-Afrika nach Mitteleuropa | |
zurückkehren. Das, befürchten Ornitholog*innen und Umweltschützer*innen, | |
wird nicht nur die Vögel gefährden, sondern auch zum Risiko für die | |
Flugsicherheit werden. | |
## „Hier zählt nur der Profit“ | |
Zusammenstöße von Flugzeugen und Vögeln, im Fachjargon Vogelschlag genannt, | |
sind weltweit ein Problem für den Luftverkehr. Die größte | |
Vogelschlag-Gefahr besteht während des Starts und der Landung in Höhen bis | |
zu 300 Metern. Die Impulskräfte, die bei einem Zusammenstoß auftreten, | |
können das Zehntausendfache des Gewichts des Vogels übertreffen. Das sind | |
bei einem Storch, der rund 4 Kilo wiegt, 40 Tonnen. Fliegt ein Flugzeug in | |
einen Vogelschwarm, können die Triebwerke ausfallen und das Flugzeug muss | |
schlimmstenfalls notlanden, so wie der Airbus A320, der nach einer | |
Kollision mit einem Schwarm Wildgänsen vor zehn Jahren auf dem Hudson River | |
notlanden musste. Laut dem Deutschen Ausschuss zur Verhütung von | |
Vogelschlägen im Luftverkehr entstehen durch Vogelschläge weltweit jährlich | |
Schäden in Höhe von 2 Milliarden Dollar. | |
Direkt über dem Vogelbeobachtungsturm in Sarıyer kreist ein Schwarm | |
Störche. Die Thermik treibt sie so weit nach oben, dass sie mit bloßem Auge | |
kaum zu erkennen sind. „Ich zähle 110“, ruft Ümit Yardım, einer von zehn | |
Männern und drei Frauen, die mit Fikret Can auf der Aussichtsplattform | |
sind. Seit 16 Jahren kommt Yardım hierher, um Zugvögel zu zählen, bis vor | |
wenigen Jahren stand der heute 63-Jährige jeden Frühlingstag und bei jedem | |
Wetter von 9 Uhr morgens bis 17 Uhr in Sarıyer. Inzwischen erkennt der | |
pensionierte Ordnungsbeamte die Vogelarten auch ohne Fernglas. | |
Die Vogelbeobachter*innen sind gut ausgerüstet, sie haben Campingstühle und | |
Thermosflaschen mitgebracht. Der Jüngste ist 19. Ihr gemeinsames | |
Gesprächsthema: Vogelarten. Mit ihrer Outdoorkleidung und den Ferngläsern | |
sind sie leicht von den Tourist*innen zu unterscheiden, die auf den | |
Vogelbeobachtungsturm steigen, um Selfies vor dem Bosporus und der dritten | |
Bosporusbrücke zu machen, die sich wenige Kilometer nördlich über die | |
Meerenge spannt. | |
„Wir haben immer wieder gesagt, dass der neue Flughafen am falschen Ort | |
entsteht. Die Störche können keine andere Strecke wählen“, sagt Fikret Can, | |
der sich die Kapuze seiner Windjacke tief über die Camouflage-Schildmütze | |
gezogen hat und nach oben blickt. Viele Ornitholog*innen und | |
Umweltschützer*innen hätten die Regierung informiert und gewarnt, erzählt | |
er. Niemand habe auf sie gehört. „Niemand stoppt die Regierung. Hier zählt | |
nur der Profit. Für mich als Vogelbeobachter und Storch-Experte ist das | |
Mord.“ | |
## Einmal flog ein Vogel gegen das Fenster des Cockpits | |
Am neuen Flughafen könnte es durch Kollisionen mit Zugvögeln jedes Jahr zu | |
zwei bis drei Flugzeugunfällen kommen, warnte der Ornithologe Zeynel | |
Arslangündoğdu von der Istanbul-Universität bereits 2014 in einem Interview | |
mit der inzwischen eingestellten Zeitung Radikal. Seine Risikoanalyse | |
stützte er auf Ergebnisse der Feldstudien, die er seit 2005 in Sarıyer und | |
Umgebung zum Vogelzug machte. Auch die Zahl ähnlicher Zusammenstöße am | |
Atatürk-Flughafen, die Größe des neuen Flughafens, die Ausrichtung der | |
Landebahnen und dass dort alle drei Minuten ein Flugzeug landen oder | |
starten sollte, berücksichtigte er. | |
IGA, das Konsortium, das den Zuschlag für den neuen Flughafen bekommen hat, | |
ging auf seine Warnung nicht ein, sagt Arslangündoğdu. Aber es habe | |
negative Auswirkungen auf einige seiner Projekte und Beziehungen zu | |
Institutionen gehabt, dass er seine Bedenken geäußert habe. „Wenn man vor | |
dem Bau des Flughafens ortskundige Ornithologen gefragt hätte, hätte ich | |
gesagt, dass das nicht der richtige Ort ist“, sagt er. „Ich habe bereits | |
vor dem Bau versucht, mit meinen Forschungen zu erklären, warum ich dagegen | |
bin. Aber der Flughafen wurde dort gebaut. Jetzt geht es darum, an die | |
Flugsicherheit zu denken.“ | |
Onur Kutlu ist als Pilot einer türkischen Fluggesellschaft schon zwei Mal | |
mit einem Vogel kollidiert. Seit 2013 arbeitet Kutlu auf den beiden | |
Istanbuler Flughäfen, ab April wird er auch vom neuen Flughafen starten. | |
Einmal flog ein Vogel gegen das Fenster des Cockpits, einmal unter den | |
linken Flugzeugflügel. Nach der Landung entdeckte er unter dem | |
Flugzeugflügel eine Blutspur und meldete den Vogelschlag beim Kontrollturm. | |
Der Motor war nicht beschädigt. „Das passiert sehr schnell, man sieht den | |
Vogelschwarm und dann hört man schon den Aufprall“, sagt er in einem Café | |
im belebten Stadtteil Kadıköy auf der asiatischen Seite Istanbuls. Weil die | |
Airline eigentlich nur über offizielle Pressesprecher*innen mit Medien | |
kommuniziert, will der Mittdreißiger anonym bleiben. Der taz ist sein | |
echter Name aber bekannt. Obwohl er sich anonym äußert, wählt er seine | |
Worte mit Bedacht. | |
„Vogelschlag ist ein großes Problem für uns, das sehr häufig an Flughäfen | |
auftritt, die nahe am Meer oder an Wäldern liegen“, sagt Kutlu. Die | |
Flughäfen versuchten, die Vögel mit einem Signalsystem von den Landebahnen | |
zu vertreiben. „Aber wie effektiv ist das?“, fragt er und gibt selbst die | |
Antwort: „Nur kurzfristig.“ Doch die Flugzeugmotoren seien stark und die | |
Piloten für dieses Risiko geschult, sie erhielten Trainings und | |
Checklisten, die sie abarbeiten, wenn das Flugzeug mit einem Vogel | |
zusammenstößt. | |
Beim Start ließe sich eine Kollision kaum verhindern, weil er beschleunigen | |
müsse. Wenn man beim Landen in einen Vogelschwarm gerate, müsse man sich | |
entscheiden, ob man ausweiche oder die Landung fortsetze. „In vielen Fällen | |
ist es logischer, die Landung trotzdem fortzusetzen, denn hinten sitzen | |
eine Menge Menschen, für deren Sicherheit ich verantwortlich bin“, fährt er | |
fort. „Jede abrupte Bewegung kann bei der Flughöhe und der Geschwindigkeit | |
zu Problemen führen, die man später nicht mehr rückgängig machen kann.“ | |
## „Es bringt nichts, zurückzuschauen“ | |
Kutlu sagt, er freue sich für sein Land, dass es nun einen neuen Flughafen | |
habe. Für ihn bedeutet das Bauprojekt Wachstum und Standortvorteile. Die | |
Piloten seien auf das Risiko vorbereitet, wiederholt er, es müsse ein | |
großer unglücklicher Zufall sein, wenn etwas Schlimmes passiert. Aber | |
natürlich gebe es die Gefahr immer. „Das betrifft nicht nur den neuen | |
Flughafen, sondern auch Atatürk und Sabiha Gökçen: Weil sie am Meer liegen, | |
gibt es immer Vögel in der Nähe“, sagt er und fügt nach einer kurzen Pause | |
hinzu: „Vielleicht ist das Risiko beim neuen Flughafen eine Spur höher, | |
weil er näher am Wald liegt, die Häufigkeit der Vogelschläge kann | |
zunehmen.“ | |
Als das Aufnahmegerät ausgeschaltet ist, sagt er noch, dass es für ihn | |
schwieriger werden wird auf dem neuen Flughafen. „Der starke Wind, der | |
dichte Nebel in dem Gebiet; die Konditionen sind nicht ideal.“ Und | |
natürlich wolle er nicht, dass der Wald abgeholzt wird. „Wir zerstören die | |
Umwelt mit dem, was wir tun. Aber wenn es passiert ist, ist es so. Es | |
bringt nichts, zurückzuschauen.“ | |
Auf der Autobahn vom Stadtzentrum nach Nordwesten, wo die Stadt ausfranst, | |
ziehen hochgezogene Neubaugebiete und braune Hügel, Kräne und abgetragene | |
Erde, Stromtrassen und Windräder vorüber. Vorbeibretternde Lastwagen | |
wirbeln Staub auf. Hier werden in den kommenden Jahren Wohnblöcke | |
entstehen, die Metropole wird sich Stück für Stück nach Nordwesten | |
ausbreiten. An der Autobahn D020 sind bereits die Anfänge zu sehen. Gut 40 | |
Autominuten vom zentralen Taksim-Platz entfernt taucht er dann auf, der | |
noch menschenleere Flughafen. Seine gigantischen Ausmaße sind im | |
Vorbeifahren nur zu erahnen. | |
25 Kilometer weiter südwestlich liegt das Dorf Sazlıbosna, eine Gemeinde | |
mit wenig mehr als 1.000 Einwohner*innen, die an den Istanbuler Bezirk | |
Arnavutköy angegliedert ist. Sazlıbosna ist in Istanbul als Storchendorf | |
bekannt. Die etwa 70 Störche, die jedes Jahr aus ihren Winterquartieren | |
zurückkommen und auf den Straßenlaternen von Sazlıbosna nisten, locken an | |
den Wochenenden Besucher*innen aus der Metropole an. | |
## Die Störche werden wegbleiben | |
Der Dorfälteste, ein 80-Jähriger, der mit einer Gruppe Männer im zentralen | |
Teegarten neben der Moschee sitzt, erinnert sich, dass die Störche schon in | |
seiner Kindheit kamen – und wahrscheinlich auch davor. „Vor 15 Jahren gab | |
es noch mehr Störche, heute kommen weniger“, sagt er. Hier soll eines Tages | |
der künstliche Bosporus entstehen. Wenn Sazlıbosna einmal am Ufer des | |
Kanals liegt, wird die Stadt in das Dorf wachsen, die Immobilienpreise | |
werden steigen und die Störche werden wegbleiben, denn mit der Stadt kommen | |
Beton und Stromtrassen. Was das für die Dorfbewohner*innen bedeutet, werde | |
die Zeit zeigen, sagt einer der Männer. Der Kanal Istanbul und der neue | |
Flughafen sind gut für die Türkei, findet ein anderer. Über dem Dorf ziehen | |
alle fünf Minuten Flugzeuge Kondensstreifen. | |
Beim Flughafenbetreiber IGA, einem Zusammenschluss der Baufirmen Cengiz, | |
Limak, Mapa, Kolin und Kalyon, laufen die Vorbereitungen für den großen | |
Umzug unter Hochdruck. Mehr als eine Woche vor der Eröffnung für den | |
regulären Flugbetrieb ist keine Zeit für Presseanfragen. Nach dem Umzug | |
beantworte man gern alle Fragen. Auf ihrer Internetseite präsentiert IGA | |
die Maßnahmen, die ihre Umwelt- und Wildtierbeauftragten für die | |
Flugsicherheit getroffen haben. „Der neue Istanbul-Flughafen misst der | |
Flugsicherheit und den Vögeln große Bedeutung zu. Dank der durchgeführten | |
Wildtierstudien ist IGA der erste Flughafen weltweit, der solch | |
weitreichende Forschungen betrieben hat, bevor der Flughafen in Betrieb | |
geht“, ist auf der Seite zu lesen. | |
Aus Konsultationen mit internationalen Flughäfen wie dem Ben Gurion Airport | |
in Tel Aviv, der ebenso auf der Vogelzugroute liegt, habe man gelernt, dass | |
es gegen Zugvögel keine Maßnahmen gebe, außer sie zu überwachen, steht in | |
einem Bericht der IGA. Für das Wildlife-Management des Flughafens sammelten | |
sechs Ornitholog*innen in den vergangenen fünf Jahren Daten aus ihren | |
Vogelbeobachtungen im Radius von 13 Kilometern, bereiteten Risikoanalysen | |
vor und erarbeiteten Maßnahmen, die Vögel vom Flughafen zu vertreiben. Mit | |
Hilfe von Radar, Drohnen sowie akustischen und visuellen Signalsystemen | |
wollen die Wildtierbeauftragten das Risiko von Vogelschlag minimieren. | |
## „Ich hoffe, wir liegen falsch“ | |
Reichen diese Maßnahmen? „Ja und nein“, sagt der Ornithologe Zeynel | |
Arslangündoğdu von der Istanbul-Universität. Er hält die Arbeit der | |
Ornitholog*innen auf dem Flughafen zwar für wichtig. Doch durch akustische | |
und visuelle Warnsysteme lasse sich die Route der Zugvögel nicht ändern. Um | |
die Flugsicherheit zu erhöhen und die Vögel zu schützen, könnten während | |
des Vogelzugs im Frühling zusätzlich die Intervalle zwischen den Flügen | |
vergrößert und alternative Startbahnen genutzt werden. | |
Der Istanbul-Flughafen wurde gegen alle Widerstände gebaut. Als 2013 das in | |
der Türkei vorgeschriebene Gutachten zur Einschätzung ökologischer und | |
sozialer Folgen des Bauprojekts vor erheblichen Risiken warnte, wurde es | |
nicht angenommen. Stattdessen wurde ein zweites Gutachten in Auftrag | |
gegeben, das weit unkritischer ausfiel. Naturschutzvereine werfen dem | |
zweiten Gutachten mangelnde Expertise vor. Nun wird der Flughafen trotz | |
schlechter Presse wegen katastrophaler Arbeitsbedingungen und trotz der | |
Warnungen von Naturschützer*innen vor Umweltrisiken eröffnet – ein | |
Megaprojekt als Monument des Fortschritts um jeden Preis. Die aber, die das | |
Prestigeprojekt nicht verhindern konnten, versuchen jetzt, nach vorne zu | |
blicken. | |
Der Vogelbeobachtungsturm in Sarıyer schwankt im Wind. Ümit Yardım setzt | |
sich auf seinen Klappstuhl, er hat Rückenschmerzen. 3.000 Zugvögel haben | |
sie heute gezählt. „Wenn dort alle drei Minuten ein Flugzeug startet, wird | |
es zu Kollisionen mit Vögeln kommen“, sagt er. Und dann: „Ich hoffe, wir | |
liegen falsch, ich hoffe, es passiert nichts.“ | |
Diese Reportage ist Teil des multimedialen Dossiers zum Flughafen Istanbul. | |
Mit Grafiken, Videos, Reportagen und Interviews beleuchtet taz gazete die | |
Folgen des Megaprojekts für Menschen, Umwelt und Wirtschaft. Lesen Sie mehr | |
unter [1][taz.de/flughafen-istanbul] | |
9 Apr 2019 | |
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[1] https://gazete.taz.de/ist/de/ | |
## AUTOREN | |
Elisabeth Kimmerle | |
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