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# taz.de -- Die reichste Familie Indiens im Zwist: Bruderstreit bis ins Parlame…
> Seit Jahren bekämpfen sich die Brüder Ambani. Es geht um Macht und
> Milliarden. Ihren Streit tragen sie jetzt auch im Parlament aus - über
> eine Vertrauensfrage der Regierung.
Bild: Können nicht so gut miteinander: Mukesh (links) und Anil Ambani.
Sie sind die reichsten Brüder der Welt: Mukesh Ambani und Anil Ambani.
Schon das Leben ihres Vaters Dhirubhai Ambani war Stoff für einen
schmalzigen Bollywoodfilm. Jetzt liefern sich die Söhne einen Machtkampf
auf internationalem Parkett um das Familienerbe, dem indischen
Reliance-Konzern, der Stoff für einen Wirtschaftskrimi hergeben könnte. Er
betrifft Millionen Mitarbeiter, Aktionäre und Kunden. Und er betrifft die
indische Regierung, deren Überleben sich an diesem Dienstag entscheidet.
Die beiden Ambanis besitzen Indiens größten Privatkonzern Reliance (ein
Industriekonglomerat mit den Sparten Öl, Energie, Telekommunikation,
Polyester, Textilien, Finanzen) und haben ein vom Magazin Forbes
geschätztes Gesamtvermögen von 85 Milliarden US-Dollar. Ihre Unternehmen
erwirtschaften 5 Prozent von Indiens Bruttosozialprodukt und stellen ein
Fünftel des an Bombays Börse gehandelten Aktienwerts.
Doch die beiden Brüder sind völlig zerstritten. Das hat bereits 2005 zu
einer monatelangen Schlammschlacht um den vom Vater geerbten Konzern
geführt. Öffentlich warfen sie sich gegenseitig vor, sich nicht an
Abmachungen zu halten und die Aufteilung des Konzerns zu verzögern. Schon
dem Vater Dhirubai Ambani gelang die starke Expansion seines
Reliance-Konzerns dadurch, dass er erfolgreich rechtliche Schlupflöcher
ausnutzte und so nur wenig Steuern und Zölle zahlte. Die indische
Journalistin Gita Piramal schreibt in ihrem 1996 erschienenen Buch
"Business Maharajas" über Indiens Tycoons, dass Vater Dhirubai dank guter
Beziehungen zu Politikern monopolartige Stellungen habe einnehmen und so
sein Vermögen scheffeln können. Dabei habe er wie kein anderer
Kleinaktionäre für sich mobilisiert und Aktienkurse zu seinen Gunsten
manipuliert.
Vermögen verdoppelt
Seine beiden Söhne konnten seit der Aufteilung des väterlichen Konzerns
2005 ihr Vermögen mehr als verdoppeln. Viel ging dabei auf den indischen
Aktienboom zurück. Auf der Milliardärsliste von Forbes lagen sie 2007 noch
auf Rang 14 (Mukesh mit 20,1 Milliarden US-Dollar) und 18 (Anil mit 18,2
Milliarden). 2008 rückten sie auf Platz 5 (Mukesh mit 43 Milliarden) und 6
(Anil mit 42 Milliarden) vor.
Mukesh galt lange als der erfolgreichere und mehr dem Vater ähnelnde Sohn.
Er hat die größeren Visionen. So schlug er etwa vor, die Probleme seiner
wuchernden Heimatstadt Bombay dadurch zu lösen, dass sein Konzern auf der
anderen Seite der Bucht einfach eine ganz neue Stadt baut. Auch die bei der
Aufteilung des väterlichen Erbes Anil zugeschlagene Telekomsparte hatte
eigentlich Mukesh aufgebaut. Und ausgerechnet deren jetzt gescheiterte
Fusion mit dem südafrikanischen MTN-Konzern hätte Anil beim Vermögen an
Mukesh vorbeiziehen lassen.
Anil gilt als der bessere Verkäufer und Finanzexperte. Zugleich neigt er
mehr dem Glamour zu. Das unterstreicht nicht nur seine Ehe mit einer
früheren Bollywoodschauspielerin, sondern auch seine Freundschaft mit
Bollywoodsuperstar Amitabh Bachchan sowie seine Firma Reliance Big
Entertainment. Die ist in Filmprojekten von Hollywoodgrößen wie Geoge
Clooney, Tom Hanks und Brad Pitt engagiert.
Doch auch Mukesh lieferte in letzter Zeit viel Stoff für Klatschspalten. So
lässt er sich gerade für seine Familie und 600 Bedienstete in Bombay ein
luxuriöses 170 Meter hohes Wohnhaus mit drei Hubschrauberlandeplätzen auf
dem Dach bauen. In der Stadt mit den weltgrößten Slums wird er dafür nicht
nur bewundert. Für fast 112 Millionen Dollar kaufte er den
Erstliga-Cricket-Club der Stadt. Der New York Times verriet er kürzlich,
dass er wöchentlich bis zu drei Bollywoodfilme anschaue. Seine Frau ließ zu
seinem 50. Geburtstag eigens einen Bollywoodfilm über ihn drehen. Er selbst
revanchierte sich zu ihrem Geburtstag mit einem Airbus 319, der allerdings
kürzlich beschlagnahmt wurde.
In der vergangenen Woche erreichte der Bruderkampf einen neuen Höhepunkt.
Am letzten Freitag setzte sich der ältere Mukesh zunächst durch. Diese
Woche könnte zugunsten von Anil ausgehen, sollten am Dienstag dessen
politische Freunde von der Samajwadi-Partei bei der Vertrauensabstimmung
über die von der Kongresspartei geführte Minderheitsregierung von Manmohan
Singh im indischen Parlament an Einfluss gewinnen.
Fusion geplatzt
Am Freitag hatte Afrikas größter Mobilfunkkonzern MTN (68 Millionen Kunden)
in Johannesburg bekannt gegeben, auf den Zusammenschluss mit Reliance
Communications (Indiens zweitgrößtem Mobilfunkbetreiber mit 48 Millionen
Kunden) von Anil Ambani zu verzichten. Als Grund nannten die Südafrikaner
"rechtliche und regulatorische Gründe". Dahinter verbirgt sich der
Widerstand von Mukesh gegen das Geschäft seines jüngeren Bruders Anil.
Bei der Fusion von MTN und Reliance wäre einer der weltgrößten
Mobilfunkkonzerne entstanden. Vorgesehen war, dass durch einen Aktientausch
MTN formal den indischen Partner übernimmt, Anil Ambani aber bei MTN die
Mehrheit bekommt. Hier blockierte sein Bruder Mukesh und berief sich auf
eine frühere Abmachung. Demnach sei bei Aufteilung des väterlichen Konzerns
vereinbart gewesen, dass die Brüder bei Verkäufen jeweils ein Vetorecht
hätten. Laut einem Sprecher Anils hätte Anil diese Vereinbarung aber nie
unterzeichnet. Dennoch brach seit Mukeshs Veto der Aktienkurs von Reliance
Communications um 24 Prozent ein.
Anils Vertreter blieben vorgeschlagenen Treffen zwischen den einstigen
beiden Konzernhälften fern. Auch Mutter Koikilaben vermochte bisher nicht
zu schlichten. Vergangene Woche leitete Mukeshs Konzern RIL formal ein
Schlichtungsverfahren ein und ernannte einen früheren Richter als
Schlichter. Dafür wäre aber eigentlich das beiderseitige Einverständnis
nötig gewesen. Das lag von Anils Seite nicht vor, aber es reichte, um die
Südafrikaner aussteigen zu lassen.
Umgekehrt zeigte Anil seinem Bruder, dass auch er ihm die Geschäfte
vermiesen kann. So forderte der mit ihm eng befreundete Generalsekretär
Amar Singh von der jetzt die Regierung unterstützenden Samajwadi-Partei
Sondersteuern für Ölfirmen, die wegen der hohen Preise gerade große Gewinne
machen. Dies würde Mukeshs RIL treffen, deren Aktienkurs darauf prompt 6
Prozent verlor. RIL betreibt bei Jamnagar in Gujarat eine der größten und
modernsten Raffinerien der Welt.
Wer bei Indiens Chemie- und Petroindustrie bisher nur an die Katastrophe
von Bhopal dachte, übersieht die Entwicklungen bei Reliance. Die erst 1999
für rund 6 Milliarden US-Dollar fertig gestellte Raffinerie in Jamnagar
produziert nach höchsten europäischen Umweltstandards für den nationalen
und internationalen Markt. Innerhalb ihres Geländes liegt gar eine
Mangoplantage von Bäumen, die biologisch-dynamisch bewirtschaftet werden.
Zurzeit wird die schon jetzt gigantische Vorzeigeanlage in ihrer Kapazität
fast verdoppelt und ab Dezember dieses Jahres die mit Abstand größte
Raffinerie der Welt sein.
Amar Singh bezeichnete Mukeshs Blockade des MTN-Geschäfts als "ekelhaft"
und forderte eine Intervention des Premierministers. Seine Forderung nach
Sondersteuern für Ölfirmen interpretierten Presseberichte zunächst als
Druckmittel, um Mukesh von seiner Blockade von Anils südafrikanischem
Telekom-Deal abzubringen. Es könnte auch Rache sein.
Flugzeug beschlagnahmt
Anil musste außer im Fall MTN jüngst noch einen weiteren Rückschlag
hinnehmen. Vergangene Woche beschlagnahmten die Finanzbehörden
vorübergehend sein Flugzeug. Dies sei als Firmenjet nur mit einem niedrigen
Steuersatz belegt gewesen, doch würde es oft auch privat genutzt. Damit
hätte er höhere Steuern zahlen müssen, so der Vorwurf. Zuvor hatten die
Behörden schon je ein Flugzeug von Mukesh und seiner Frau aus den gleichen
Gründen an die Kette gelegt wie auch die von Führern anderer Konzerne.
Indische Medien spekulierten, die Regierung habe gegen Anils Flugzeug
vorgehen müssen, um dem Eindruck zu widersprechen, er genieße wegen seines
einflussreichen Freundes Amar Singh Sonderrechte. Eine Steuernachzahlung
für den Jet könnte jetzt Anils Preis sein, um der angeschlagenen Regierung
zu helfen. Denn deren Überleben ist Voraussetzung dafür, dass der Konzern
seines Bruders künftig Sondersteuern auf Ölgewinne zahlen müsse.
22 Jul 2008
## AUTOREN
Sven Hansen
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