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# taz.de -- tazâ€‰đŸŸthema: Der Groove des Taxi Drivers
> Hailu Mergia, einer der Großen des Ă€thiopischen Funkjazz, veröffentlicht
> mit „Lala Belu“ das erste Album seit Langem. Es ist spirituell, meditativ
> und doch diesseitig
Bild: Somewhere nearby the rainbow: Hailu Mergia
Von Detlef Diederichsen
Wer ist mein Taxifahrer? Die Eigenheiten dieses Berufs bringen es ja so mit
sich, dass man sich mitunter fragt, was das fĂŒr ein Charakter ist, der
einen da durch die Stadt kutschiert, was er fĂŒr ein Vorleben hat, wie er in
diesem Job gelandet ist. Mehr als drei Jahrzehnte hat Hailu Mergia
ankommende FluggÀste in Washington D. C. zu ihren Hotels oder privaten
Wohnungen gebracht. Ob jemand von denen wohl eine Ahnung hatte, dass er
gerade von einem der wichtigsten Architekten der zeitgenössischen
Ă€thiopischen Musik durch das Machtzentrum der Welt gefahren wird?
In der leider nur kurzen BlĂŒtezeit des Ă€thiopischen Funkjazz gehörte Hailu
Mergia neben Mulatu Astatke und Girma BĂšyĂšnĂš zu den kĂŒnstlerischen
Strippenziehern. Einer ĂŒberschaubaren Musikszene in Addis Abeba gelang es
damals in den Siebzigern, die Aufbruchsstimmung im Land kongenial in eine
Musik zu ĂŒbertragen, die genauso unverkennbar Ă€thiopisch wie
global-modern-funky war.
Und mittendrin: Hailu Mergia als Arrangeur, Keyboarder und Leader der
Wallias Band, die als Begleitband auf etlichen Plattenaufnahmen fungierte.
Als 1974 erfolgreich gegen die Monarchie geputscht wurde, endete diese Ära.
Auch die Musik, vor allem aber die Arbeitsbedingungen fĂŒr Musiker wandelten
sich langsam. Im Jahr 1981 wanderte Mergia in die USA aus – und auch wenn
er nie ganz aufhörte, Musik zu machen, wurde sie jetzt zum Hobby, das
Taxifahren zu seinem Beruf.
Im Jahr 1997 erschien die erste Folge der Compilation-Reihe „Ethiopiques“
mit Àthiopischer Musik aus den siebziger Jahren, die der französische
Journalist und Musikethnologe Francis Falceto initiierte und kompilierte.
Durch diese Serie, die mit den Jahren auf bis heute 30 Folgen angewachsen
ist, und dann auch durch die prominente Rolle etlicher
Mulatu-Astatke-Aufnahmen im Soundtrack zum Jim-Jarmusch-Film „Broken
Flowers“ von 2005 wurde die nach immer neuen alten SchĂ€tzen suchende
weltumspannende Music-Lover-Gemeinde auf den Àthiopischen Seventies-Sound
aufmerksam. Musiker wie Astatke begannen, in Europa auf Tour zu gehen.
Schließlich wurde auch Hailu Mergia wieder gefunden, und drei seiner
Ă€lteren Alben wurden vom Gourmet-Label Awesome Tapes From Africa
wiederveröffentlicht. Dort erscheint jetzt auch sein erstes Album mit neuer
Musik seit circa 20 Jahren.
Seit einiger Zeit hat Mergia ein kontinuierlich arbeitendes Trio mit den
australischen Musikern Tony Buck (Schlagzeug; The Necks) und Mike Majkowski
(Kontrabass; Splinter Orchestra, Lotto) – „Lala Belu“ ist die
Bestandsaufnahme dieser Zusammenarbeit. Auch wenn eine gewisse Funkyness
geblieben ist, hat sich Mergia in der Arbeit mit diesen Protagonisten
zeitgenössischer experimenteller Musik weit von den straff durchgeplanten
Arrangements seiner „Ethiopiques“-Hits entfernt. Stattdessen lĂ€sst er sich
ĂŒber weite Groove-Texturen wehen, verliert sich in instrumentalen
Meditationen, die er mal auf dem Piano, mal auf dem E-Piano, dem Akkordeon,
einem Synthesizer oder – besonders eindrucksvoll – auf der Melodica
unternimmt.
Dabei bleibt er grĂ¶ĂŸtenteils in der Welt der Ă€thiopischen Skalen, bedient
sich auch bei traditionellem Material, aber die Themen werden nur kurz
angespielt (wenn ĂŒberhaupt), der Weg ist das Ziel. Das Ganze hat eine hohe
spirituelle, meditative QualitÀt, bleibt jedoch dank der kraftvollen
Grooves immer auch diesseitig und körperlich. Tony Buck und Mike Majkowski
erweisen sich dabei als die perfekten Teamplayer, konstruieren ein
Environment, das Mergias Kunst bestmöglich zur Geltung kommen lÀsst. Um es
in einem Bild aus seinem Broterwerb auszudrĂŒcken: Sie haben ihm ein Taxi
konstruiert, in dem er aufs Bequemste um die Welt reisen kann.
Hailu Mergia: „Lala Belu“ (Awesome Tapes From Africa)live: 24. 5. Berlin,
7. 6. Hannover
19 May 2018
## AUTOREN
Detlef Diederichsen
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