# taz.de -- Debut-Album von Stabil Elite: Ich muss verhungern | |
> Düsseldorf wird als Musikstadt gern in der Vergangenheitsform erwähnt. | |
> Die Band Stabil Elite verwaltet das musikalische Erbe ihrer Stadt | |
> geschickt: ihr Debütalbum „Douze Pouze“. | |
Bild: Lucas Croon, Nikolai Szymanski und Martin Sonnensberger sind Stabil Elite. | |
Die nüchterne Dienstleistungsmetropole Düsseldorf steht wahlweise für die | |
Krautrock-Aufbruchstimmung der frühen Siebziger um Kraftwerk und Neu! oder | |
die wilde Phase gegen Ende derselben Dekade, als sich mit Fehlfarben, | |
D.A.F. und Der Plan einige der prägenden Bands der frühen Neuen Deutschen | |
Welle am Rhein gründeten. Dass Hamburg, Berlin und Düsseldorf in dieser | |
Zeit musikalisch gleichermaßen Impulsgeber waren, scheint aus gegenwärtiger | |
Perspektive zunächst einmal ganz schön weit zurückzuliegen. | |
Dabei hat die Stadt auch heute noch viel Pop zu bieten. Ob man an den | |
Pianisten Volker Bertelmann alias Hauschka, den Produzenten Stefan | |
Schwander mit seinem aktuellen Projekt Harmonious Thelonious oder die Band | |
Kreidler samt jüngeren Ablegern wie Toulouse Low Trax denkt, gibt es eine | |
Reihe spannender Entwicklungen zu begrüßen – auch wenn die erwähnten | |
Projekte allesamt schon seit den Neunzigern in der einen oder anderen Form | |
auf sich aufmerksam gemacht haben. | |
Wirklich jung hingegen ist das Trio Stabil Elite, und das nicht nur | |
altersmäßig. Denn was die Mittzwanziger Lucas Croon, Nikolai Szymanski und | |
Martin Sonnensberger auf ihrem soeben erschienenen Debütalbum „Douze Pouze“ | |
als neuen Klang der Stadt präsentieren, hat, bei aller | |
Geschichtsträchtigkeit ihrer Songs, sehr viel von einem neuen Aufbruch. So | |
eleganten Pop hat man von dort seit langem nicht mehr gehört. | |
## Komprimierte Sage | |
Schon im vergangenen Jahr gab es deutliche Anzeichen bei Stabil Elite, dass | |
da etwas mit Macht herandrängt. „Gold“ nannte sich ihre energische Hymne im | |
Frühachtziger-Klanggewand, deren Text die Sage von König Midas denkbar | |
knapp komprimiert: „Alles, was ich anfasse, wird sofort zu Gold / Ich muss | |
verhungern.“ Das Kölner Festival c/o pop machte den Song, der auf dem | |
Albumcover als „The Sound of Young Düsseldorf“ beworben wurde, kurzerhand | |
zu seiner offiziellen Erkennungsmelodie für 2011. Mit „Douze Pouze“ stellen | |
die Musiker jetzt klar, dass sie mehr als eingängige Hits im Sinn haben. | |
Stabil Elite verwenden Elemente ihrer Vorbilder mal als Folie – die | |
treibende Motorik von Neu! etwa –, mal bedienen sie sich schamlos im | |
Klangfundus einer Band wie Kraftwerk. Bekanntes dient allerdings nicht der | |
Fingerübung im Sinne einer obsessiven Rückwärtsgewandtheit, sondern bekommt | |
lediglich als Mittel seinen Platz zugewiesen. Und das mit Stil. Wie viele | |
andere Bands derzeit bedienen sich auch Stabil Elite vornehmlich analoger | |
Instrumente, zu Bass und Schlagzeug gesellen sich handverlesene Synthesizer | |
älterer Bauart, die liebevoll und bewusst eingesetzt werden. | |
Krautrock, Elektropop und Disco fließen mühelos zu bündigen Songs zusammen, | |
die einen beim Hören immer schön in der Gegenwart belassen. Da stört es | |
nicht groß, wenn zum Beschluss ein kurzes Instrumentalstück mit dem Titel | |
„Dreiklang“ ertönt, durch den man unwillkürlich an die | |
Neue-Deutsche-Welle-Band Rheingold mit ihren „Dreiklangsdimensionen“ | |
erinnert wird. | |
## Keine Botschaften | |
Gegen die bei so viel historischer Versiertheit drohende souveräne Glätte | |
bringen Stabil Elite geschickt ihre assoziativ-kryptischen Texte in | |
Stellung, von Nikolai Szymanski mit der gebotenen Zurückhaltung | |
vorgetragen. „Stahlträger zwischen dem Verlangen / stützen das Grau / wie | |
siehst du aus“ – mit solchen Zeilen wie in „Milchstraße“ transportiert… | |
gewiss keine klaren Botschaften, knüpft dafür hingegen locker an die | |
dadaistische NDW-Tradition von Bands wie Der Plan oder Palais Schaumburg | |
an. Wenig später ist von „Metall auf Beton“ die Rede, und da wird noch | |
einmal Kraftwerk und ihrem Stück „Metall auf Metall“ gehuldigt, kombiniert, | |
wenn man so möchte, mit dem rheinischen Punkklassiker „Zurück zum Beton“ | |
der Band S.Y.P.H. | |
„Zurück zum Beton“ hieß vor zehn Jahren auch eine groß angelegte | |
Ausstellung in der Düsseldorfer Kunsthalle, mit der die „Anfänge von Punk | |
und New Wave in Deutschland“ von Fehlfarben bis S.Y.P.H. dokumentiert | |
wurden. Heute hingegen schreibt man im Erdgeschoss der Kunsthalle, sie ist | |
selbst ein wuchtiges Betonmonument, die Musiktradition der Stadt fort: Das | |
Café „Salon des Amateurs“, unter anderem betrieben vom Kreidler-Musiker | |
Detlef Weinrich alias Toulouse Low Trax, versammelt dort abends regelmäßig | |
die jüngere elektronische Szene Düsseldorfs bei Partys und Konzerten. | |
Stabil Elite sind ebenfalls regelmäßig anzutreffen. | |
13 Mar 2012 | |
## AUTOREN | |
Tim Caspar Boehme | |
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