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# taz.de -- Dani-Karavan-Retrospektive: Auftritt der Landschaft
> Der israelische Künstler Dani Karavan ist ein großartiger Gestalter von
> öffentlichen Räumen. Der Berliner Martin-Gropius-Bau widmet ihm eine
> Retrospektive.
Bild: Rauminstallation "No way out" im Martin-Gropius-Bau.
Im Museum darf man nichts berühren. Deshalb sei das eigentlich nicht sein
Arbeitsplatz, sagt Dani Karavan. Erst da, wo man mit den Füßen durch seine
Kunst laufen kann, über städtische Plätze und durch Environments in der
Landschaft, fühlt er sich zu Hause und mit allen Sinnen verstanden. Dennoch
hat ihn die große Retrospektive, die zuerst in Tel Aviv und jetzt im
Berliner Martin-Gropius-Bau die weltweiten Site-Specific-Works des
israelischen Künstlers zusammen mit Bühnenbildern aus den 50er- und
60er-Jahren zeigt, sehr befriedigt. "Ich staune, wie viel ich gemacht
habe", sagt er, "wo ich doch das Gefühl habe, immer nur am Telefon zu
hängen oder in Meetings zu sein."
Dani Karavan, 1930 in Tel Aviv geboren, ist ein großartiger Gestalter von
öffentlichen Räumen und Erinnerungsorten, die sich der Bewegung des
Betrachters im körperlichen wie im emphatisch emotionalen Sinne öffnen. Das
könnte die Ausstellung sicher viel besser vermitteln, wollte sie nicht
versuchen, so viele seiner Projekte aufzuzählen. In einigen multimedial
vollgestopften Räumen reiht sich Film an Film, alle in gleicher Größe
projiziert, die in ihrem stereotypen Rhythmus von Schwenk, Zoom und Schnitt
jede Sensibilität gegenüber den je unterschiedlichen Dynamiken von
Raumerfahrung, von Geborgenheit oder eben Verlorenheit vermissen lassen,
die gerade die Stärke von Karavans Orten ausmachen.
Eine Ausnahme bildet der Raum zum Negev-Monument, das 1963 bis 1968 zu
einer Zeit entstand, als das Hinausgehen in die Landschaft und der Dialog
mit Sand, Sonne und Wind in der Kunst noch sehr selten war. Am Rande der
Negevwüste, nahe der Stadt Beer Sheva, ist das Monument der Erinnerung an
den Unabhängigkeitskrieg 1946-1949 gewidmet. Chroniken des Krieges sind in
die Betonwände der skulpturalen Baukörper geschrieben. Die Formen von
Bunker, Gemeinschaftsraum, Tunnel und Turm bilden von außen eine Festung.
Aus der Luft gesehen hat das Ensemble sogar etwas von einer prähistorischen
Fundstätte: als ob hier ein junger Staat mit großer Geste seine eigene
Archäologie erfindet.
Dennoch erscheint das Negev-Monument nicht nur als ein pathetischer und
heroischer Ort. Von innen gesehen bilden die Räume, die sich kurvenreich
dem Profil der Sanddünen anpassen, einen psychoaktiven Parcours, der von
Verengung und Weitung, von Bedrängnis und Befreiung erzählt. Nicht zuletzt
wird auf den begehbaren Dächern der Blick in die Weite gefeiert, und
Öffnungen im Beton verstärken das Geräusch das Windes, so dass das Monument
schließlich der Kraft der Elemente ebenso viel Bedeutung wie der Geschichte
beimisst.
Zu Karavans bekanntesten Arbeiten gehört die Hommage an Walter Benjamin,
1990 im katalanischen Grenzort Portbou realisiert. Mit einer Folge von
Treppen, steinigen Wegen und abstürzenden Blicken hinunter zum Meer
übersetzt sie die Erinnerung an den Philosophen, der sich hier auf der
Flucht vor den Nationalsozialisten das Leben nahm, in eine fließende
Erzählung, in der die Landschaft selbst zum Darsteller der Ausweglosigkeit
wird.
Dani Karavan betont, wie ein Schneider zu arbeiten, der Aufträge annimmt.
Aber da so viele seiner Orte Themen der historischen oder kulturellen
Identität, nicht nur in Israel, sondern später auch in Deutschland (in
Nürnberg und Berlin) gewidmet sind, da er sich so oft mit der Zeit des
Holocaust auseinandersetzt, klingt diese Bescheidenheit merkwürdig. Viele
Arbeiten haben sich schon im Titel dem Frieden verschrieben. Anfangs
benutzte Karavan dabei auch eine symbolische Sprache. Wandgestaltungen aus
den 50er- und 60er-Jahren zeigen ihn als Friedenstaubenaktivisten, dessen
Reliefs sich kaum von vielen Schulwänden der Nachkriegsjahrzehnte überall
in Europa unterscheiden. Erst mit dem Schritt in den Raum geschieht so viel
mehr.
Deshalb ist es besonders interessant, von seinen Bühnenbildern für Martha
Graham (New York) und die Batsheva Dance Company (Tel Aviv) zu erfahren.
Man sieht Entwürfe, Filmausschnitte der Inszenierungen und ganze
Skulpturen-Ensembles, die farbig geringelt und verspielt an die amorphen
Skulpturen von Hans Arp oder die Bilder Mirós erinnern. Es ist ein
hoffnungsvoll der Moderne und der Abstraktion zugewandter Kosmos, der im
Universellen die Überwindung von identitären Konflikten erhofft. Und
insofern ganz das Zeitkolorit der 50er- und 60er-Jahre in sich trägt.
Doch das Überraschende ist: Hier ist die Bewegung zwischen den skulpturalen
Elementen vorgeformt, die in den öffentlichen Ensembles eben für jeden
erlebbar wird. Sie sind Bühnen, auf denen jeder ohne Furcht auftreten kann.
Darin haben sie immer etwas sehr Großzügiges. Kinder, Jugendliche,
Passanten - niemand wird darauf festgelegt, sich eben jetzt mit dem
Erinnerungsdiskurs oder den Menschenrechten zu befassen, denen die Orte
verschrieben sind. Denn das ist eine Erzählung, die sie zwar immer
anbieten, dabei aber nie die Öffnung gegenüber der Gegenwart ausschließen.
17 Mar 2008
## AUTOREN
Katrin Bettina Müller
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