# taz.de -- Bürgerschaft: Allgemeine Atom-Ausstiegs-Euphorie | |
> Die Bürgerschaftsmehrheit votiert für "schnellstmögliche" Beendigung der | |
> Atomkraftnutzung. Die FDP möchte lieber Rücksicht auf Hartz IV-Bezieher | |
> nehmen | |
Bild: Fokushima macht's möglich: Die Koalition beim anti-AKW-Protest | |
Dass bei der groß angelegten Atomkraft-Debatte in der Bürgerschaft | |
ausgerechnet ein CDU-Mann den größten Applaus bekommen würde, war nicht zu | |
erwarten. Doch der christdemokratische Fraktionschef Thomas Röwekamp | |
verdiente ihn sich mit dem Satz: "Die von Schwarz-Gelb beschlossene | |
Laufzeitverlängerung war ein Fehler." Dem mit den Stimmen von Rotgrün und | |
Linkspartei beschlossenen Dringlichkeitsantrag für einen | |
"schnellstmöglichen Ausstieg aus der Atomenergie" wollte Röwekamp freilich | |
dennoch nicht zu stimmen. | |
Die Regierungsfraktionen fordern, die sieben ältesten Atomkraftwerke sowie | |
das Kraftwerk Krümmel endgültig vom Netz zu nehmen. Das von der | |
Bundesregierung verkündete Sieben-Meiler-Moratorium bezeichnete der grüne | |
Umweltsenator Reinhard Loske als "Aussetzung des Atomgesetzes nach | |
Gutsherrenart" - in Gegensatz dazu müsse die Rücknahme der | |
Laufzeitverlängerung auf einer Gesetzesänderung unter Einbeziehung des | |
Bundesrates beruhen. Technisch und juristisch, so Grünen-Fraktionschef | |
Matthias Güldner, sei der Atomausstieg "innerhalb weniger Jahre" machbar. | |
Die Bürgerschaft hatte ihren gestrigen Sitzungstag mit einer Schweigeminute | |
für die Opfer von Fukushima begonnen. "Wir sollten diese Tragödie von | |
apokalyptischem Ausmaß als Prüfung sehen, der Schöpfung wieder mit mehr | |
Respekt und Demut zu begegnen", sagte Parlamentspräsident Christian Weber | |
(SPD). Er warnte vor "übersteigerten Provokationen gegen die Natur". Doch | |
nicht alle Abgeordneten wollten sich in der späteren Debatte, der Anträge | |
aller Fraktionen und Gruppen zu Grunde lagen, auf diese biblischen | |
Dimensionen und grundlegenden Gemeinsamkeiten einlassen. SPD und Grüne | |
streuten der Bevölkerung Sand in die Augen, ereiferte sich etwa Magnus | |
Buhlert von der FDP, wenn sie nicht offensiv auf volkswirtschaftliche | |
Belastungen durch einen schnellen Atomausstieg hinweisen. Zugleich | |
profilierte sich die FDP als Schutzmacht der Hartz IV-EmpfängerInnen - | |
Buhlert: "Die werden unter den Stromverteuerungen am meisten leiden." Im | |
Übrigen, so Buhlert, sei die seinerzeitige rotgrüne Bundesregierung durch | |
ihren für Gorleben verhängten Erkundungsstopp sozusagen Schuld daran, dass | |
die Endlagerfrage noch nicht gelöst sei. | |
Unter diesen Umständen endete der gefühlte antiatomare Konsens in der | |
Bürgerschaft rechts von Röwekamp, wo die Liberalen ihre Plätze haben. | |
Röwekamp war es auch, der - später unterstützt von Loske - an die | |
Dringlichkeit von Energiesparmaßnahmen erinnerte. Diese schlichte Wahrheit | |
geriet in dem die Debatte prägenden Netzausbau-Fieber ansonsten in den | |
Hintergrund. Maike Schaefer von den Grünen markierte allerdings einen | |
deutlichen Dissens zum "Energiewende mit Augenmaß"-Antrag der CDU: Dass | |
dort unter anderem der Neubau von Kohlekraftwerken gefordert wird, sei | |
nicht akzeptabel. Die Linkspartei legte Wert auf die Forderung, die | |
Energieerzeugung zu rekommunalisieren. Es könne nicht sein, so Klaus-Rainer | |
Rupp, dass im Offshore-Bereich ähnliche Oligarchien entstünden wie an Land | |
- dort teilen sich vier Energieriesen das Geschäft. | |
Mit einer Änderung des Bremischen Hafenbetriebsgesetzes will die | |
Linkspartei ferner erreichen, dass über hiesige Häfen keine Atomtransporte | |
mehr abgewickelt werden können. Diesen Antrag lehnten unter anderem die | |
Regierungsfraktionen unter Hinweis auf eine Initiative des Senats ab, der | |
ebenfalls den Transport von Kernbrennstoffen über das Land Bremen | |
verhindern wolle. Diese wird derzeit vom Wirtschaftsressort juristisch | |
geprüft. | |
7 Apr 2011 | |
## AUTOREN | |
Henning Bleyl | |
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