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# taz.de -- Billigurlaub mit Qualität: Eine Erfolgsgeschichte
> Die Costa Brava blickt auf hundert Jahre touristische Vermarktung zurück.
> Sie hat manche Krise durchgemacht - und hat heute für die
> unterschiedlichsten Zielgruppen den passenden Ort. Ob in Empuriabrava,
> Lloret oder Tamariu
Bild: Costa Brava: Rauchverbot am Miranda-Strand
Zugegeben, die Tomaten mit geschmolzenem Ziegenkäse sind köstlich, die
Sardinen mit einem Hauch Knoblauch und Petersilie geradezu eine
Offenbarung. Aber eigentlich kann man sich im Can Maset schon an den Farben
sattsehen. Das Wasser so tiefblau wie der Himmel, dazu grüne Pinien, weiße
Häuser, rotbraune Felsen und goldener Sand - der Blick immer wieder vom
Teller zur halbkreisförmigen Bucht von Tamariu, die sich harmonisch an die
raue Landschaft der Costa Brava schmiegt. Tamariu ist ein authentisches
Stück Costa Brava, wo es sich jenseits des Massentourismus herrlich baden,
wandern - und essen lässt. Es gibt sie noch, solche Orte. Auch wenn die
Küste schon eine lange touristische Geschichte und manche Krise hinter sich
hat. Gerade feiert sie ihren hundertsten Geburtstag. Nicht der Landstrich
selbst natürlich, vielmehr die Marke Costa Brava. Deren Karriere begann
damit, dass ihr überhaupt erst mal jemand einen Namen gab: der katalanische
Journalist Ferran Agulló, der im September 1908 in der Tageszeitung La Veu
de Catalunya seinen Artikel "Por la Costa Brava" veröffentliche. Darin
antwortete er auf einen Beitrag des Politikers Lluís Duran, der die Küste
Gironas mit der von Mallorca verglich.
Über 214 Kilometer zieht sie sich von Portbou an der französischen Grenze
bis nach Blanes hinunter und zeigt auf ihrem Weg gen Süden ganz
unterschiedliche Gesichter. Mal gibt es weite Sandstrände, mal winzige
Buchten, aber das Markenzeichen ist vor allem karge, wilde Steilküste, die
mitunter hochdramatische Formen annimmt. Als würden die Pyrenäen in einem
letzten Aufbäumen noch einmal ihre geballten Felsmassen aufbieten, bevor
sie ins Mittelmeer stürzen. Dazu pfeift regelmäßig ein rauer Nordwind, die
Tramuntana. Bewohner mögen das in früheren Zeiten weniger geschätzt haben -
für Besucher hat es durchaus seinen Charme. Die ersten Tourismuspioniere
waren Spinner, Künstler, die am Wilden, Bizarren Gefallen fanden. Dann
folgten romantisch veranlagte Sommerfrischler. Irgendwann kamen auch
Prominente wie Orson Welles, Sean Connery, Elisabeth Taylor und John Wayne,
die in der Hotellegende La Gavina in SAgaró abstiegen und zum
internationalen Renommee dieses Küstenstrichs beitrugen. In ihrem Gefolge
stellten sich schließlich die breiten Massen von Sonnenhungrigen aus dem
Norden ein.
Inzwischen machen hier Jahr für Jahr Millionen von Spaniern, Franzosen,
Deutschen, Engländern, Italienern und Niederländern Urlaub. Immer wieder
hat es Negativschlagzeilen gegeben, manchmal wurde die wilde Küste als
touristische Destination schon totgesagt. In Wirklichkeit ist sie eine
einzigartige Erfolgsgeschichte. Doch worauf beruht ihr Erfolg? Wofür steht
die Marke Costa Brava eigentlich genau? Für gepflegten Badeurlaub? Für
Luxus und Lifestyle? Oder für Ballermann?
Sieht man sich in den einzelnen Orten um, begegnet einem fast alles. Zum
Beispiel Lloret de Mar. Früher muss es hier mal ebenso malerisch gewesen
sein wie in Tamariu. Aber in den Sechzigerjahren wurde das Fischerdorf so
populär, dass es aus allen Nähten platzte. Schnell wurde die Infrastruktur
hochgezogen, um die hunderte von Busladungen aufnehmen zu können, die Woche
für Woche eintrafen. Zu altehrwürdigen Hotels gesellten sich bald riesige
Bettenburgen - schon für 140 D-Mark gab es Sonne und Sangria satt. Die
anspruchsvolleren Gäste sind mit der Zeit abgewandert und haben das Feld
trinklustigen Briten oder Osteuropäern überlassen. Inzwischen hat die Stadt
mit allerlei Verschönerungsmaßnahmen gegengesteuert. Billigurlaub mit einem
Maximum an Qualität, lautet die Devise. Natürlich wird auch nach dem Abriss
maroder Betriebe und der Anlage neuer Grünzonen aus Lloret kein
romantisches Fischerdorf mehr, aber immerhin ein Ort, in dem weniger
Solvente Ferien am Mittelmeer machen können.
In der kalten Jahreszeit kommen vor allem Pensionäre. Das sind die Gäste
von Ignaz und Jasmin Heinz, die im Restaurant Zur Wildsau inmitten von
Pokalen, Kuckucksuhren und ausgestopften Tierköpfen hausgemachte Rouladen,
Kassler oder Sauerbraten servieren. Spätestens ab Mai machen sie dann
Jugendlichen zwischen 16 und 25 Jahren Platz. Die sehen gern über den ein
oder anderen Schönheitsfehler an ihrem Feriendomizil hinweg, wenn die
Stimmung gut ist. Und dafür sorgen Clubs und Megadiscos wie das St. Trop,
das Revolution oder das Tropics mit aufwendigen Licht- und Lasershows,
Schaumpartys und beliebten DJs. "Abfeiern in der Partydestination Nr. 1"
lautet das Motto, unter dem ein renommierter Veranstalter von Jugendreisen
Lloret anpreist. "Morgens frühstückst du in aller Ruhe, bis 13 Uhr steht
alles für dich bereit. Und abends genießt du das leckere, warme Buffet."
Nun ja, nicht jeder findet das Essen wirklich lecker. Mancher beklagt sich,
dass das Fleisch hin und wieder wie Gummi schmeckt. Auch sei das Personal
mitunter "etwas motzig". Aber wiederkommen wollen trotzdem viele. Andere
rümpfen über Lloret de Mar nur die Nase. Vor allem die Schönen und Reichen,
die nach Pals oder Peralada fahren. Hier warten nicht nur Golfplätze,
Luxushotels und Wine-Spas auf sie, sondern auch sorgsam restaurierte
mittelalterliche Dörfer mit trutzigen Türmen, schmalen Gassen und Mauern
aus jahrhundertealtem Naturstein. An lauen Sommerabenden lädt das Schloss
von Peralada zum Internationalen Musikfestival unter freiem Himmel ein - da
kommt auch schon mal die spanische Königin, um Plácido Domingo zu lauschen.
Nach dem Konzert geht es ins Casino oder ins "Bulli", wo der als weltbester
Koch gefeierte Ferran Adrià seine Molekularküche zelebriert. Zwischen
Lloret und Peralada liegen Welten. Und viele andere Orte, die einen weniger
extremen Weg gegangen sind.
LEscala, LEstartit, Blanes, Llancà - es gibt genügend Ziele für mehr oder
weniger perfekten Familienurlaub in Katalonien. Mit gut ausgestatteten
Ferienwohnungen, vorbildlichen Campingplätzen und Stränden, die in den
letzten Jahren immer sicherer und sauberer geworden sind. Parkplätze,
behindertengerechte Zugänge, Toiletten, Erste-Hilfe-Stationen - für alles
ist gesorgt. Und vielerorts weht am Wasser die blaue Flagge der EU. Dabei
hat sich jeder Ort auf seine Klientel spezialisiert, im Zusammenspiel
ergibt das eine perfekte Arbeitsteilung. Die Partygänger gehen nach Platja
dAro, die Taucher nach LEstartit, in Port de la Selva fühlen sich die
katalanischen Konservativen besonders wohl, in Sant Pere Pescador die
holländischen Camper. Und in Cadaqués?
Die früheren Hippies sind weg. Aber der Ort hat sich zumindest den Hauch
eines Künstlerdorfs bewahrt und zieht eine bunte Mischung aus katalanischen
Intellektuellen, französischen Snobs und allerlei Bohemiens an. Picasso,
García Lorca, Luís Buñuel, Paul Éluard, Marcel Duchamp - alle waren sie
hier. Und natürlich Salvador Dalí, der sich von der kargen Mondlandschaft
am Cap de Creus, einem "grandiosen, geologischen Delirium", inspirieren
ließ. "Heute leben noch um die fünfzig Kreative hier, aber von der Kunst
selber können nur die wenigsten leben", meint Gustavo, der die kleine
Galerie Marges U unterhält. Am meisten Geld wird stattdessen im Gastgewerbe
und mit Immobilien verdient - infolge der Bauwut gibt es mehr Maklerbüros
als Bäckereien.
Mittlerweile hat sich die Bürgerinitiative "Salvem Cadaqués!" gebildet, die
den Ort retten will. Aber die Mehrheit der Besucher stört sich gar nicht an
der Entwicklung. Im Übrigen wurde schon vor Jahren das Projekt eines
surrealistischen Jachthafens gestoppt, aus Cadaqués ist auch nicht das
dalineske Disneyland geworden, das es hätte werden können. Und verglichen
mit einigen Nachbarorten sind die Veränderungen eher harmlos. Ganz anders
in Empuriabrava, dem einzigen Ort an der Küste, der künstlich aus dem Boden
gestampft wurde. In den Sechzigerjahren sollte hier das Miami Spaniens
entstehen. Tatsächlich gehört der Jachthafen an der Mugamündung zu den
größten Europas. Die Besiedelung ringsum wird gern mit Venedig verglichen,
weil sie von Kanälen durchzogen ist und jeder Häuslebesitzer sein Boot vor
der Tür liegen haben kann.
Ansonsten gibt es aber keine Gemeinsamkeiten mit der norditalienischen
Stadt. Wer die gigantischen Supermärkte, Autohäuser und Möbellager am
Ortseingang hinter sich gelassen hat, landet in gesichtslosen
Einkaufszentren und Restaurants, die "Standklause", "Dorfkrug" oder
"Wulfener Hof" heißen. Gewiss, so stellt sich nicht jeder seinen Urlaub am
Mittelmeer vor. Man muss ja auch nicht dorthin fahren. Aber viele
Freizeitkapitäne geraten bei Empuriabrava ins Schwärmen, weil sie direkt
von der Wohnung aufs Wasser gehen können. Und gerade darin liegt das
Erfolgsgeheimnis der Costa Brava: dass sie jedes Bedürfnis bedient, ohne
dass sich die verschiedenen Zielgruppen ins Gehege kommen. Jeder findet das
Seine - ob in Empuriabrava, Lloret oder Tamariu.
4 Oct 2008
## AUTOREN
Ulrike Wiebrecht
## TAGS
Reiseland Spanien
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