# taz.de -- Bärgida erfolgreich blockiert: „Wir sind die Mauer“ | |
> Der Berliner Pegida-Ableger kommt nicht vom Fleck, weil die Rechten von | |
> Gegendemonstranten blockiert werden. Die haben offensichtlich Spaß daran. | |
Bild: Nur wenige Pegida-Anhänger hatten sich vor dem Roten Rathaus versammelt. | |
BERLIN taz | Mist. Die Demo ist schon losgezogen. Der Protestzug gegen den | |
Berliner Pegida-Ableger Bärgida, der am Montagabend um 17 Uhr hinter dem | |
Roten Rathaus gestartet ist, lässt sich nur noch anhand der Blaulichter der | |
begleitenden Polizeifahrzeuge erahnen. 5.000 Menschen sollen dabei sein, | |
heißt es später. Toll. Aber erstmal gucken, wie viele Menschen zu der | |
Anti-Islam-Demo gekommen sind. | |
Die trifft sich direkt neben dem Roten Rathaus. Der eigentliche Sammelplatz | |
ist von Polizeiwagen und Gittern abgeriegelt. Aber auch wer nicht mit | |
Bärgida marschieren will, sondern dagegen demonstrieren will, kommt | |
problemlos bis auf Sichtweise ran. | |
Um kurz nach 18 Uhr steht hinter dem Gatter nur ein kleines Häuflein, | |
vielleicht 50 Menschen. Genauer lässt sich das nicht abschätzen, da in der | |
Menge offensichtlich auch viele Journalisten sind, Interviews führen und | |
ihre Kameras auf das einzige vorhandene Demoplakat halten. Etwas später ist | |
dann noch ein zweites Plakat zu sehen. Es stammt von der AfD. | |
„Was ist denn da los?“, fragt ein Passant. „Das ist die Bärgida-Demo“, | |
antwortet einer der Umstehenden. „Ach so, ich dachte schon, da wäre mal | |
wieder eine Schlägerei“. | |
Hundert Meter weiter nördlich haben die Grünen eine kleine Gegendemo | |
angemeldet. Entlang der geplanten Bärgida-Strecke bis zum Brandenburger Tor | |
sind weitere Proteste angekündigt. Aber um dort hin zu kommen, müsste das | |
mittlerweile auf vielleicht 200 Teilnehmer angewachsene Häuflein erstmal | |
losziehen. | |
„Achtung, Achtung, hier spricht die Polizei“, ertönt eine freundliche | |
Frauenstimme aus dem Lautsprecher. Die Menschen auf der Kreuzung werden | |
aufgefordert, die Straße zu verlassen, um den Weg für Bärgida frei zu | |
machen. | |
## Die Kreuzung füllt sich | |
Auf der Kreuzung selbst steht zu dem Zeitpunkt der ersten Durchsage | |
vielleicht ein Dutzend Menschen locker in der Gegend rum. Eine wirksame | |
Blockade sieht anders aus. Es folgen ähnliche Ansagen im Fünf-Minuten-Takt. | |
Nach und nach füllt sich die kleine Kreuzung mit Gegendemonstranten. Gegen | |
19 Uhr stehen dort geschätzt 500 Menschen. | |
Ansonsten passiert erstmal wenig. Jenseits der Polizeiautokette lassen die | |
Bärgidas schwarz-rot-goldene Fahnen wehen. „Nie, nie, nie wieder | |
Deutschland“, rufen die Antifas diesseits der Fahrzeugreihe. „Wir sind das | |
Volk“, skandieren die Bärgidas. „Wir sind die Mauer, das Volk muss weg!“, | |
antworten die Blockierer – und lachen. | |
Am Rand erklärt ein Polizist mit neongelber Kommunikationsteamweste einem | |
jungen Gegendemonstranten, dass sie ja verpflichtet seien, das | |
Demonstrationsrecht auch für Menschen durchzusetzen, deren Meinung man | |
nicht teile. Wenig später tut die Polizei, was sie tun muss. Mehrfach | |
drängeln sich kleine Trupps durch die Blockierer. Hier wird ein wenig | |
geschubst, da ein wenig geschnautzt. Mal bleiben sie ein wenig stehen, dann | |
gehen sie wieder. | |
## Polizeiansagen werden wiederholt | |
Das ganze wiederholt sich ein paar mal. Immer wieder hat man den Eindruck, | |
jetzt werden sie aber wirklich hart durchgreifen, aber dann passiert doch | |
nichts. Außer, dass die Polizeiansage noch mal wiederholt wird. | |
Die Blockierer, meist junges Menschen zwischen 20 und 30, singen und | |
tanzen: „Solidarité avec les sans-papiers!“ Die Stimmung bleibt gelassen. | |
Was sonst so los ist? Man guckt mal auf Twitter oder Facebook. „Ihr seid so | |
super!“, schreibt dort Dirk Stegemann, der den Protestzug gegen Bärgida | |
organisiert hatte. | |
Unmittelbar vor einer Polizeikette steht ein älteres Paar in der Menge. Er | |
stützt sich auf eine Krücke. Ob er sich keine Sorgen mache, dass ihm was | |
passiert, wenn die Polizei räumt? „Ja, doch“, sagt der Mann. „Aber man d… | |
den Mut nicht nur der Jugend überlassen.“ | |
Wie alt er ist? 84! Die beiden engagieren sich bei „Hufeisern gegen | |
rechts“, einer Anwohnerinitiative in der Neuköllner Hufeisensiedlung. „Bei | |
uns“, sagt er stolz, „sind die Laternen sauber“. Keine Naziaufkleber, | |
nichts. Anfangs hätten sie nur was gegen die Rechten in der Gegend getan. | |
Mittlerweile kümmere sich die Initiative aber auch um das neue | |
Flüchtlingsheim in der Nachbarschaft. Man mache Veranstaltungen mit | |
Flüchtlingen, gemeinsames Kochen und so, erzählen die beiden. | |
## Gefangen im Absperrbereich | |
„Hop, hop, wer nicht hüpft, der ist ein Nazi!“, ruft die Menge. Und alle, | |
tatsächlich alle springen ausgelassen auf der Straße rum. Sogar der | |
hufeiserne Herr wippt freudestrahlend an seiner Krücke. Seine Frau hält | |
sanft seinen Arm. Der Polizist dahinter lächelt. | |
Mittlerweile ist es 20 Uhr und die Bärgida-Truppe scheint die Geduld zu | |
verlieren. „Räumen! Räumen!“, tönt es lautstark aus ihrem Absperrbereich. | |
„Haut ab! Haut ab!“, antwortet die Antifa. Und: „Pegida, Niewieda!“ | |
Die Polizei nimmt einen neuen Versuch. Man solle jetzt bitte die Kreuzung | |
verlassen, schallt aus dem Lautsprecher, sonst mache man sich strafbar. Von | |
allen die nicht gehen, würden die Personalien aufgenommen. „Bitte halten | |
Sie dafür Ihren Personalausweis bereit. Vielen Dank!“, heißt es mehrfach. | |
Einmal wird die Sprecherin der Polizei sogar kumpelig. „Bitte verlasst die | |
Kreuzung sonst müssen wir euch räumen“. Ein paar Leute bewegen sich. Vom | |
Bürgersteig auf die Fahrbahn. | |
## Nichts bewegt sich | |
Es ist eine Pattsituation. Die Blockierer wollen nicht gehen. Die Polizei | |
will offenbar nicht bis zum letzten gehen. Und die Bärgidas können nicht | |
gehen. | |
Dabei gibt sich die Polizei alle Mühe, zumindest den Anschein zu wahren. | |
Immer wieder rücken kleinere Beamtengruppen in die Menge vor. Hier und da | |
wird ordentlich gerangelt, ab und an fliegt eine Faust, einzelne | |
Demonstranten werden festgenommen. Die Blockierer beschimpfen dafür die | |
Polizisten, die die „Mörder und Faschisten“ schützen. Und fragen: „Wo, … | |
wo wart ihr in Rostock?“ Die Rituale stimmen auf beiden Seiten. Aber so | |
richtig entschlossen wirkt das Ganze nicht. | |
Eine junge Blockiererin gähnt herzerweichend, mehrfach. Ein anderer klagt | |
über kalte Füße. Ein dritter fragt, ob man hier wohl was zu essen bekäme. | |
Ein vierter weiß, dass es gleiche nebenan im Nikolaiviertel „altdeutsche | |
Küche“ gebe. Aber da will gerade niemand hin. Außer vielleicht die von | |
Bärgida. Und die können nicht. | |
Dann taucht das ältere Paar aus Neukölln noch mal in der Menge auf. Das | |
müsse sie unbedingt erzählen, sagt die Frau freudestrahlend. Sie hätten | |
sich gerade am Polizeigatter mit einem anderen älteren Mann unterhalten. | |
Der habe sich beschwert, dass das alles so schlecht organisiert sei. Es | |
gehe ja gar nicht voran. Er meinte, er sei auf der Bärgida-Demo und habe | |
gar nicht gemerkt, dass er beim Gegenprotest gelandet sei. Sie strahlt. | |
Mittlerweile ist es fast 21 Uhr. Gerade hat eine Bärgida-Frau sich | |
hochheben lassen und über die Polizeibusse hinweg wild gestikulierend in | |
Richtung der Blockierer geschimpft, da rückt nochmals die Polizei vor. Und | |
greift tatsächlich rabiater durch. | |
## Niemand mehr da | |
Pfefferspray liegt in der Luft. Unter den Gegendemonstranten werden | |
Wasserflaschen rumgereicht, um sich die Augen auszuwaschen. Die Stimmung | |
kippt. Doch während es auf der einen Seite nun doch noch hoch her geht, ist | |
auf der anderen Seite hinter der Polizeifahrzeugkette – Ruhe! Niemand mehr | |
da. Keine Deutschlandfahne lässt sich mehr erspähen, kein „Wir sind das | |
Volk“-Ruf mehr hören. | |
„Die sind weg!“, ruft einer. „Die sind weg?“, fragt ein anderer. „Bit… | |
verlassen Sie die Kreuzung, sonst begehen Sie eine Straftat“, schallt es | |
noch mal aus dem Polizeilautsprecher, was nun völlig absurd ist, weil die | |
Bärgida-Demo tatsächlich abgezogen ist. Nach drei Stunden Warten. Und ohne | |
einen einzige Meter voranzukommen. | |
Aber immerhin kann nun niemand der Polizei den Vorwurf machen, sie hätte | |
nicht bis zum Schluss versucht, die Blockade zu räumen. | |
6 Jan 2015 | |
## AUTOREN | |
Gereon Asmuth | |
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