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| > Kann Bremen seine Emissionen bis 2030 um 80 Prozent senken? Ein Gutachten | |
| > in der Klimaschutz-Enquete zieht das in Zweifel. Möglich ist es wohl nur | |
| > mit harten Einschnitten | |
| Bild: Mit ein paar Windrädern vor den Stahlwerken ist‘s nicht getan – Klim… | |
| Von Lotta Drügemöller | |
| Der Wunsch ist klar – bis 2030, so steht’s im Koalitionsvertrag, sollen die | |
| Bremer Emissionen um 80 Prozent gegenüber dem Stand von 1990 sinken. In | |
| einem Gesetz festgehalten haben Senat und Bürgerschaft ein solches | |
| Klimaziel für 2030 [1][freilich noch nicht]. | |
| Was passieren müsste, um die 80-Prozent-Reduktion bis 2030 zu erreichen, | |
| das sollte nun ein neues Gutachten zu „Energie- und Klimaschutzszenarien | |
| für das Land Bremen“ vor der Klimaschutz-Enquete aufzeigen. Die beiden | |
| Gutachter vom Heidelberger Institut für Energie- und Umweltforschung (Ifeu) | |
| allerdings machten bei der Vorstellung am Freitag deutlich: Sie selbst | |
| glauben nicht, dass das Ziel machbar ist. „Das ist pures Utopia“, stellte | |
| Gutachter Frank Dünnebeil fest. | |
| So klar wird das in dem Gutachten selbst nicht ausgesprochen. Das Ziel der | |
| Reduktion um 80 oder auch 95 Prozent bis 2050 sei mit den aktuellen | |
| Maßnahmen grundsätzlich erreichbar, heißt es im Fazit. Für ein früheres | |
| Datum brauche man einen schnelleren Ausstieg aus fossilen Energien, einen | |
| massiven Ausbau der Fernwärme, eine hohe Quote sanierter Gebäude, viel | |
| weniger Verkehr und mehr Elektroautos. | |
| So weit, so bekannt und prinzipiell konsensfähig. Doch die konkreten Zahlen | |
| machen wenig Hoffnung. Da ist zum einen der Gebäudebestand in Bremen: Er | |
| müsste bis 2030 weitgehend saniert werden, um den Energiebedarf ausreichend | |
| zu senken. Die aktuelle Sanierungsquote liegt in Bremen etwa zwischen 1 und | |
| 1,5 Prozent. Nötig wäre es aber, so rechnen die Gutachter vor, jedes Jahr | |
| fünf bis sieben Prozent der älteren Gebäude zu sanieren. | |
| „Das ist einfach technisch nicht machbar“, kritisiert Kommissionsmitglied | |
| Felix Matthes vom Öko-Institut. Es fehlten [2][allein die Handwerker,] die | |
| die Arbeiten durchführen könnten. | |
| Beim Strom geht es weiter: Die Gutachter rechnen mit einem Anteil von 90 | |
| Prozent erneuerbarer Energien im Jahr 2030. Doch deren Menge ist von Bremen | |
| aus nur sehr eingeschränkt steuerbar. Die Zusammensetzung des Strommixes | |
| ist Bundessache – und das Bundeswirtschaftsministerium geht bis 2030 nur | |
| von 50 Prozent Erneuerbaren aus. „Aber ohne diese Annahme wäre eine | |
| Reduktion um 80 Prozent gar nicht möglich“, sagt der Gutachter Benjamin | |
| Gugel. | |
| Die Stahlproduktion, in Bremen für rund die Hälfte aller Emissionen | |
| verantwortlich, bleibt in den Berechnungen komplett außen vor. Trotz des | |
| Umbaus der Werke auf Wasserstoff könnten sie bei wie geplant steigender | |
| Produktion wohl kaum 80 Prozent weniger CO2 ausstoßen. | |
| Auch der Verkehrsbereich wirft Probleme auf: Das Ziel lasse sich nur | |
| erreichen, sagt Dünnebeil, wenn der Autoverkehr um 47 Prozent abnimmt, der | |
| Lkw-Verkehr um zwölf Prozent. Dazu kommt: 30 Prozent der Lkw müssen in | |
| diesem Szenario elektrisch fahren. „Das ist schon ziemlich happig“, findet | |
| Dünnebeil. Zusätzlich müssten die verbleibenden Verbrenner bis 2030 zu 30 | |
| Prozent mit erneuerbaren Kraftstoffen fahren. Gemeint sind sogenannte | |
| E-Fuels, Kraftstoffe, die aus Wasserstoff und CO2 hergestellt werden – mit | |
| Strom aus erneuerbaren Energien. | |
| „Never, never, never“, sagt Felix Matthes dazu, „So hoch ist das Potential | |
| der E-Fuels bis 2030 nicht. Sie arbeiten da mit einer Fantasiezahl.“ | |
| Gutachter Gugel gibt ihm recht: „Wir sind hier jenseits des Korridors des | |
| technisch und wirtschaftlich Möglichen.“ | |
| Enquete-Mitglied Philine Gaffron plädiert für eine klarere Unterscheidung | |
| zwischen utopisch und unmöglich: „Die Sanierungsrate ist vielleicht auf | |
| einer anderen Basis unrealistisch, als Einschränkungen beim Verkehr“, sagt | |
| die Verkehrsplanerin. Dünnebeil stimmt ihr zu. „Verkehrsreduzierung ist | |
| zwar politisch und sozial ziemlich heftig, aber rein theoretisch möglich: | |
| Wir haben dabei keine technischen Grenzen.“ | |
| Als eindeutige Absage an ehrgeizige Pläne wollen die Gutachter ihre | |
| enttäuschenden Zahlen nicht verstanden wissen. Wenn man die unmöglichen | |
| Dinge streiche, wisse man, welche anderen Pfade Bremen umso ambitionierter | |
| beschreiten müsse. Nötig sei klotzen, nicht kleckern: Es brauche nicht fünf | |
| zusätzliche Buslinien ins Umland, sondern eher 20. | |
| Einige Kommissionsmitglieder sind enttäuscht vom Gutachten des Ifeu. Andere | |
| zeigen sich sogar dankbar: „Wir müssen die Wunden offenlegen, damit wir sie | |
| behandeln können“, sagt das Enquetemitglied Cornelia Rösler vom Institut | |
| für Urbanistik. Sonst werde das nichts. | |
| „Sie müssen ziemlich ehrlich zu sich sein“, sagt auch Dünnebeil. „Sie h… | |
| zwei Möglichkeiten, beide sind nicht so schön: Entweder Sie stampfen die 80 | |
| Prozent ein; oder Sie bleiben dabei, und machen Dinge, die richtig | |
| schmerzhaft sind.“ | |
| 14 Jun 2021 | |
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| ## AUTOREN | |
| Lotta Drügemöller | |
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