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# taz.de -- Aufstand in Kopenhagens Migrantenvierteln: Gewalt gegen "Zero Toler…
> In Dänemark protestieren Jugendliche gegen Polizeiwillkür und
> rassistische Behandlung. Eine gewalttätige Antwort auf die "Null
> Toleranz"-Politik.
Bild: Die Antwort auf "Sieben Mal in der Stunde Hose runter".
STOCKHOLM taz "No justice, no peace, no racist police!" Die Brände und
Unruhen, die seit mehreren Nächten in Kopenhagen und anderen dänischen
Städten stattfinden, haben wenig mit der erneuten Veröffentlichung einer
umstrittenen Mohammed-Karikatur zu tun. Sie begannen bereits am vorletzten
Samstag und toben seither jede Nacht. Zuletzt am Wochenende.
"Wir werden so weitermachen, Bis ihr anfangt, uns zu respektieren", warnte
ein aufgebrachter 15-Jähriger aus Kalundborg vor einer Kamera der dänischen
Tagesschau. Brandstiftungen an Schulen, Molotowcocktails, angezündete Autos
und Müllcontainer, Pflastersteine gegen Polizei und Feuerwehr. Zuerst hatte
sich die Wut nur im Kopenhagener Einwandererstadtteil Nørrebro entladen.
Auslöser war offenbar die kränkende Behandlung eines älteren und im
Ortsteil sehr respektierten palästinensischen Mannes gewesen, der nur sein
Auto parken wollte.
Nørrebro ist "Visitationszone". Hier und in fünf weiteren solchen Zonen der
Hauptstadt darf die Polizei ohne den geringsten Verdacht auf ein Vergehen
nicht nur die Identität einer Person überprüfen, sondern sie an Ort und
Stelle auch körperlich durchsuchen. Angeblich will man dabei Waffen finden.
Eingeführt wurden die "Visitationszonen" nach einer Serie von
Messerüberfällen im vergangenen Jahr. Der Polizei erlauben diese Zonen,
Willkür und mangelnden Respekt vor anderen Menschen freien Lauf zu lassen,
beschreibt Ali Haseki, 37-jähriger Koordinator des sozialen städtischen
Jugendprojekts "Gadepulsen" im Stadtteil Nørrebro das Ergebnis dieser
Regelung. Dadurch fühlten sich nicht nur Jugendliche ständig erniedrigt,
schikaniert und beleidigt.
"Ich habe einen Kollegen, der körperlich durchsucht wurde und sogar seine
Hose ausziehen musste, obwohl er einen Sozialarbeiterausweis vorzeigen
konnte", erzählt Haseki: "Man hat das Gefühl, hier nimmt die Polizei einen
ganzen Stadtteil als Geisel, obwohl sie ihre Ressourcen besser da einsetzen
sollte, wo die meiste Kriminalität herrscht." Also nicht in den
Migrantenvierteln, sondern vielmehr in der Innenstadt mit ihren Nachtclubs.
"Es ist doch nicht normal, dass man siebenmal in der Stunde die Hose
herunterlassen muss, nur weil man in Nørrebro wohnt", wird ein 17-Jähriger
in der Tageszeitung Information zitiert. "Es reicht jetzt schon, wenn
Jugendliche auch nur ein Polizeiauto sehen, dass sie zum Angriff übergehen
oder über SMS-Ketten Verstärkung herbeirufen", beschreibt Sami El Shimy,
der seit 13 Jahren mit Migrantenjugendlichen arbeitet, die Stimmung. In der
Praxis müssten nur Jugendliche, die "nicht dänisch" aussehen, Kontrollen
und Visitationen über sich ergehen lassen.
Mit Verhaftungen und massiver Präsenz versucht die Polizei der Unruhen Herr
zu werden. "Null Toleranz", verkündete Justizministerin Lene Espersen: Alle
sollten vor einen Richter gestellt werden und die Konsequenzen für ihre
Handlungen tragen müssen. Offenbar hat die Regierung nicht begriffen, dass
es nicht um Kriminalitätsbekämpfung geht, sondern um ein grundsätzliches
gesellschaftliches Problem und ein permanent rassistisches Klima in einem
Land, wo Angehörige der "2.Ger", der zweiten Generation, wie man
Migrantenjugendliche in Dänemark nennt, oft pauschal als Terroristen oder
Kriminelle dargestellt werden.
"Halte deine schwarze Klappe und nimm deinen schwarzen Arm runter!",
schildert Haseki, was er sich bei einer Visitation anhören musste: "Wieso
versteht die Polizei eigentlich nicht, was sie damit bewirkt?" Die
Jugendlichen erlebten nur "ständig neue Beweise dafür, wie wenig sie
willkommen sind in einem Land, in dem sie doch den Rest ihres Lebens
verbringen sollen".
18 Feb 2008
## AUTOREN
Reinhard Wolff
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Kommentar Kopenhagen-Ausschreitungen: Reich und rassistisch
Die fehlende Hoffnung auf Veränderung bei dänischen Migranten-Jugendlichen
führt zur Eskalation. Damit gehen beide Seiten ein hohes Risiko ein.
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