# taz.de -- Auf der Beerdigung des 68-Humoristen: Abschied vom Teufel | |
> Ehemalige Weggefährten und Verwandte verabschiedeten sich am Donnerstag | |
> mit einer Trauerfeier vom 68er-Humoristen Fritz Teufel. Es war seltsam, | |
> lustig und bewegend. | |
Bild: "Lieber Fritz, du hast es dir und deiner Familie mit deiner Zivilcourage … | |
"Da riss das Seil, das am Fußende war, und der Sarg schoss in das Grab, so | |
dass Eulenspiegel in dem Sarg auf die Füße zu stehen kam. Da sprachen alle, | |
die dabeistanden: "Lasst ihn stehen! Wunderlich ist er gewesen in seinem | |
Leben, wunderlich will er auch sein in seinem Tod." | |
(96. Historie der Eulenspiegel-Legende, nach Hermann Bote) | |
Der Sarg von Fritz Teufel ist am Donnerstag nicht ins Grab gerutscht, auch | |
wenn das dem Eulenspiegel der 68er vielleicht gefallen hätte. Teufels Urne | |
wird auf dem Dorotheenstädtischen Friedhof in Berlin beigesetzt werden, | |
neben Bertolt Brecht, Helene Weigel, Johann Gottlieb Fichte, Georg Wilhelm | |
Friedrich Hegel, Heinrich Mann, Anna Seghers, Arnold Zweig, Heiner Müller | |
und Herbert Marcuse, um nur wenige zu nennen. Das ist eine würdige | |
Umgebung, ganz sicher eine Ehre. Und wohl auch eine Geste der späten | |
Versöhnung des deutschen Bürgertums mit einem, der ihm den Spiegel vorhielt | |
wie Till Eulenspiegel. | |
Um 12 Uhr Mittag ist die Trauerfeier auf dem Friedhof in Berlin-Mitte | |
gleich neben dem Brechthaus angesetzt. Eine ganzseitige Anzeige in der taz | |
hatte die Gedenkfeier angekündigt. "Gute Weiterreise von uns allen" hatten | |
ihm darin alte Weggefährten gewünscht - samt dem erschütternden | |
Schlusssatz: "Anstelle zugedachter Blumen bitten wir um eine Spende am | |
Kapelleneingang für eine Grabstele." Teufel war nach einer erzwungenen | |
Exmatrikulation, nach insgesamt acht Jahren Haft in Berlin, nach mageren | |
Jahren als Arbeiter in einer Kloschüsselfabrik, Gelegenheitsjournalist, | |
Bäcker und Fahrradkurier ein armer Mann geworden, der von so etwas wie | |
einer Sozialrente leben musste. Immerhin, zwei schwarze Holzkisten für die | |
Spenden füllen sich an diesem Tag ordentlich mit größeren Scheinen, für | |
eine Stele dürfte es reichen. | |
So traurig der Anlass und die Umstände waren, so verhältnismäßig heiter | |
waren bei aller Wehmut die Trauergäste. Denn wie bei fast allen | |
Beerdigungen und Trauerfeiern mildert Wiedersehensfreude mit alten Freunden | |
und Verwandten den Schmerz - und gerade bei Teufels Trauerfeier trafen sich | |
viele der alten Genossinnen und Genossen der 68er mal wieder. "Dit is ja | |
det letzte Klassentreffn", berlinert Bommi Baumann. "Der Fritz war beliebt | |
bei allen", meint er. Dem habe man, anders als ihm selbst, nicht übel | |
genommen, dass er sich früher als andere vom bewaffneten Kampf | |
verabschiedet habe, sagt der frühere Haschrebell mit vielsagendem Nicken in | |
Richtung der Exterroristinnen Inge Viett und Irmgard Möller. Viele Jahre | |
Haft stehen an diesem sonnigen Tag vor der Aussegnungshalle mit dem Spruch | |
"Herr Gott, du bist unsere Zuflucht" über dem Eingangsportal. | |
Mitten in der wartenden Menschenmenge, in der sich viele mit Küsschen und | |
Umarmungen begrüßen, stehen etwas verloren die engsten Verwandten Teufels, | |
sein Bruder Otto, seine Schwester Ingrid und seine Nichte Ulrike. Seine | |
Schwester sagt: "Fritz hätte sich bestimmt darüber gefreut, dass so viele | |
Freunde gekommen sind. Freunde waren ihm wichtig." Wäre ihm das Ganze nicht | |
zu bürgerlich vorgekommen? "Nein", sagt sein Bruder, "er war ja auch ein | |
Bürger, wenn auch ein außergewöhnlicher." Er habe sich zu dieser | |
Gesellschaft bekannt, sonst hätte er sich ja nicht so für sie eingesetzt. | |
Pünktlich um 12 Uhr werden die Türen der Trauerhalle geöffnet - zuvor | |
konnten Fotografen und TV-Teams darin noch ein paar Bilder machen, nun aber | |
sind sie nicht mehr willkommen. Etwa hundert Menschen drängen sich in die | |
schlichte Halle, rund zweihundert müssen draußen stehen bleiben. Über | |
Lautsprecher können sie mithören, was drinnen gesagt wird. An der Stirnwand | |
vor dem Altar steht der helle Sarg Teufels, ein großer Strauß mit | |
Sonnenblumen schmückt ihn, sechs Kerzen spenden etwas Feierlichkeit. Neben | |
dem Sarg sind auf zwei kleinen Ständern zwei Fotos von Teufel zu sehen: | |
links ein frühes mit seiner Nickelbrille und seinem dichten schwarzen | |
Vollbart, rechts ein altes mit glatt rasiertem Gesicht als älterer Herr. | |
Nur der Schalk in den Augen ist der gleiche. | |
Ulrich Enzensberger ergreift nach einem Orgelvorspiel zuerst das Wort. Der | |
frühere Mitbewohner Teufels in der legendären "Kommune 1" hat ein gutes | |
Buch über diese erste politische WG der deutschen Geschichte geschrieben. | |
Auch nach der Trauerfeier für den "K-1"-Genossen Volker Gebbert im Oktober | |
vergangenen Jahres hatte Enzensberger gesprochen. Teufel war damals noch zu | |
der Gedenkfeier für seinen Freund gekommen, gezeichnet von der | |
Parkinsonschen Krankheit. "Ein dolles Stück" hatte er während der Feier | |
gerufen - und es blieb unklar, ob er die schönen Bachsonaten einer | |
Cellistin meinte oder das allzu christliche Gedenken für Gebbert, der sich | |
als Atheist verstanden haben soll. | |
Dieses Mal aber gibt es keinen Missklang, Enzensberger findet den richtigen | |
Ton. Er schildert die düstere Zeit der Adenauer-Jahre, die Durchsetzung des | |
Polizei- und Justizapparates mit alten Nazis, ja SS-Schergen - und das | |
Aufbegehren Teufels gegen ihre Verlogenheit und Brutalität, die er mit | |
Humor zu demaskieren versuchte. Legendär Teufels Bemerkung, als er sich zu | |
Ehren des Gerichts während eines seiner vielen Prozesse dann doch dazu | |
durchrang aufzustehen: "Wenn es der Wahrheitsfindung dient." Enzensberger | |
erzählt von Teufels zaghaftem Abrutschen in den bewaffneten Kampf, in dem | |
er nie einen Schuss abgefeuert habe. "Der Clown ist tot, jetzt muss es | |
krachen", sagte Teufel selbst dazu. Schließlich seine Jahre als | |
bescheidener Fahrradkurier im Wedding, seine Selbstironie, ja Weisheit, zu | |
der er fand: "Wir wussten alles besser und hatten von nichts eine Ahnung", | |
sagte Teufel einmal. Enzensberger schließt so lapidar, wie Teufels Witz | |
war: "Einsame Spitze." | |
Dann ergreift Teufels Bruder Otto das Wort - und es überrascht, dass der | |
eher bieder-schwäbische Mann die politischsten Sätze am Sarg spricht: "Die | |
Armen werden ärmer, die Reichen werden reicher", schimpft der 74-Jährige | |
mit sanfter Stimme, "unsere Enkel schickt man wieder in den Krieg." Sein | |
Bruder habe sich immer für eine gerechtere Gesellschaft eingesetzt. "Lieber | |
Fritz, du hast es dir und deiner Familie mit deiner Zivilcourage nicht | |
leicht gemacht." Aber schließlich habe man verstanden, worum es ihm | |
gegangen sei. | |
Die persönlichsten, bewegendsten Worte, zeitweise erstickt durch Tränen, | |
findet Teufels Nichte Ulrike. Sie schildert ihn als liebenden Onkel, der | |
seiner "Lieblingsnichte" sagte: "Das heißt nicht Nichte, das heißt: | |
Dochte!" Er solle Lotte, seine Mutter, grüßen. Sie sei stolz, ihrer Tochter | |
eines Tages erklären zu können, dass der Mann mit dem Adventskranz auf dem | |
Kopf der Onkel ihrer Mutter war. Als sie sagt, Teufel sei für sie einer der | |
bedeutendsten Männer des letzten Jahrtausends gewesen, brandet draußen | |
Beifall auf. "Ein Fahrrad", sagt sie noch, "wird sich da oben schon | |
finden." | |
Der frühere RAF-Anwalt und heutige Grünen-Star Christian Ströbele redet als | |
Letzter. Er würdigt Teufels juristisch-ausgefuchsten Schelmereien. Sein | |
Mandant habe mal, halb ernst, halb augenzwinkernd, als Beruf "Genosse" | |
angegeben - und das sei durchaus passend gewesen. "Lieber Fritz", schließt | |
Ströbele, "du warst, du bist ein guter Genosse. Ich freue mich auf ein | |
Wiedersehen." Zum Abschluss der Feier hört man von einem Tonband Bob Dylans | |
Song "Friend of mine" mit der Zeile "He never done no wrong." Dann wird der | |
Sarg hinausgetragen. | |
Er wird empfangen durch die nasalen Laute des Original Oberkreuzberger | |
Nasenflötenorchesters, die den melancholischen Stones-Song "Goodbye Ruby | |
Tuesday" schnupfen. Das Ganze ist so seltsam wie lustig - und durchaus | |
bewegend. Vor der Halle stehen noch viele in Grüppchen beieinander, es gibt | |
so vieles zu erzählen. In der Sonne steht auch Teufels Schwester Ingrid und | |
sagt: "Man weiß ja nicht, ob und was er in seinem Sarg so mitkriegt." Aber | |
wenn er noch was von der Feier mit bekomme, "wird er sich freuen - und | |
grinsen." Der Sarg wird in einen schwarzen Leichenwagen geschoben, er fährt | |
ins Krematorium. Kein Seil ist gerissen, niemand ist gestolpert. Wie | |
schade. | |
16 Jul 2010 | |
## AUTOREN | |
Philipp Gessler | |
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