# taz.de -- Fritz Teufel, der taz-Kolumnist: "Wodka mit Jod macht Wangen rot" | |
> Fritz Teufel schrieb für die taz. Hier die Dokumentation einer seiner | |
> Kolumnen aus dem Sommer 1986. Es geht um die Fußball-WM, irgendwie. Um | |
> "Tschernobühl" und LSD. | |
Bild: In Ketten gelegt: Fritz Teufel und Gefolgschaft auf dem Weg zum Moabiter … | |
taz-Kolumne von Fritz Teufel, 12. Juni 1986 | |
Wer wird Weltmeister? | |
Socrates hat gesagt, Fußball sei im öffentlichen Leben von Mexiko und | |
Barbarasilien viel zu wichtig, als daß man die Resultate den Fußballern | |
überlassen dürfe. Die werden vorher ausgehandelt. Nun krümmen sie sich zwar | |
wieder mit schmerzverzerrtem Grinsen auf dem grünen Rasen dort und der | |
matten Scheibe hier wie die Regenwürmer in frisch umgegrabenener Scholle – | |
doch sorgt eine weise Reschie dafür; der Ball bleibt unter Kontrolle! | |
Daß der Meister als Kinderarzt wiedergekommen ist, der im Mittelfeld die | |
Fäden zieht, spricht für seinen ironieversiegenden Spielwitz. Man darf | |
gespannt sein, in welcher Form ihm diesmal der Schierlingsbecher kredenzt | |
wird. Seine erste Amtshandlung bei der WM: den namensmäßig | |
terrorismusverdächtigen spanischen Torhüter Carlos die Kugel ins Netz zu | |
jagen, erwies sich alsmeisterlicher Schachzug. Aufatmen bei der | |
Bundesanwaltschaft in Carlosruhe, Genugtuung im Weißen Haus, dickes Lob im | |
Bayernkurier. | |
Ein ganz witziger Schachzug von unserem Bundes-Träner wars ja auch, das | |
Frankfurter Mulit-Würstchen überallmann als Reaktorwart und Bundesgauleiter | |
nach Bonn zu holen. Gau macht schlau, und wie beim Faußball isses ratsam, | |
alles bis ins Detail vorauszuplanen. So könnten etwa die an Krebs zu | |
Erkrankenden rechtzeitig mit dem Mittwochslotto ausgelost werden. Wenn man | |
die Feuerwehrleute im sowjetischen Fernsehen hört, die den Einsatz in | |
Tschernobühl überlebt haben, denen geht’s ja so gut, daß man neidisch | |
werden könnte. Wodka mit Jod macht Wangen rot. Schwarzer Afghan im | |
Lebertran schützt Kinder gegen Strahlenwahn. Lottist Unsinn. Jeder hat ne | |
Chance. Im weiteren Umkreis von Tschernowühl genossen wir das Inferno kühl. | |
Der Juni ist so naß und kalt, den Bürgerkrieg probt die Staatsgewalt, dafür | |
wird sie bezahlt. Wem nützen diese Bauzaunscharmützel? Fragt von hinterm | |
Ofen das alte Fritzl. Tschernowühl hat doch gezeigt, daß von oben | |
zugeschüttet wird. Wem also kommt die Aufgabe zu, die heimischen Akawehs | |
zuzuscheißen? Den Vögeln! | |
Nicht nur die Brüder Vogel von SPD und CDU, auch große Vögel wie Strauß und | |
kleine Vögel wie Fink und ganz kleine wie mein ehemaliger Mitangeklagter | |
ausm Lorenzprozeß Emsi Embi (MCMB = Mad Crack Mocking Bird), also Andreas | |
Thomas Vogel, alles was fleucht und flattert – bei soviel drohende | |
gereckten Gesäßen sind Kernkraftfreunde ganz verdattert. | |
Nur einer freut sich ungeheuer in seiner Eigenschaft als Teufel am | |
nuklearen Höllenfeuer. Ich gebs ja zu. Wehrlosen Kindern im süddeutschen | |
Raum wurde schon in den falschen Fuffjajahren per Werbefunk eingehämmert: | |
„PERSODENT MIT IRIUM MACHT DIE ZÄHNE SCHWARZ UND KRUMM!“ Also bellt Pluto | |
der Höllenhund: Kernkraft macht uns kerngesund. Deutsche Akawehs sind die | |
reinste Hurrahkawehs: | |
Eine Kritikabwehrkanone und eine dreifache Doppelknautschzone, vier | |
Kühlsüsteme, fünf Überrollbügel und kostenlos Strom aufm Armenhügel! Sechs | |
Früh- und sieben Spätwarnsüsteme und dazu acht brühwarme Kreme-Töpfchen | |
voll Irium, sowie neun Teelöffel Hoffmanns Stärke (LSD flüssig) – deshalb | |
sind deutsche Kerkraftwerke WELTMEISTER-Werke. Das haben wir uns selbst | |
eingebrokdorft und jetzt wird’s ausgelöffelt. | |
Gehören radikale sozialistische Rüstungsgegnerinnen in den Staatsdienst | |
oder in den Landwehrkanal? Fragt man Friedrich Zimmermann, dann fängt der | |
gleich zu wimmern an: „Rosa Luxemburg war Zeitgeschichtlerin, ich bin auch | |
Zeitgeschichtler.“ Insofern hat es ihn auch nicht gestört, Rosa Luxemburg | |
mit dem Filmband in Gold zu schmücken. | |
Heute würde Ingried Siepmann 42: Apothekerstochter aus Schwelm, | |
Kommunardin, als sogenannte Bank-Lady verhaftet, im Austausch für den | |
entführten Peter Lorenz in den Südjemen geflogen, bei einem israelischen | |
Luftangriff auf ein Beiruter Palästinenserlager umgekommen – auch ein | |
Lebenslauf, der danach schreit, in einem Meer von Druckerschwärze ertränkt, | |
unter einem Berg von Zelluleutseligkeiten erstickt zu werden. Wie die | |
Morgenröte in China war Ina. | |
8 Jul 2010 | |
## AUTOREN | |
Fritz Teufel | |
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