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# taz.de -- das wird: „Wenn wir Licht dazugeben, entfällt der Schutz“
> Mark Lenz erklärt, wie nächtliches künstliches Licht den Biorhythmus von
> Meerestieren beeinflusst
Interview Petra Schellen
taz: Herr Lenz, warum ist Lichtverschmutzung auch für Meerestiere
problematisch?
Mark Lenz: Weil nächtliches Kunstlicht quasi den Tag verlängert und die
Nacht verkürzt. Das hat Folgen für den Biorhythmus von Meerestieren, die an
den natürlichen Tag-Nacht-Rhythmus angepasst sind.
Von welchen Lichtquellen reden wir?
Das reicht von Straßenlaternen über die Beleuchtung in Häfen, an Gebäuden,
in Aquakulturanlagen bis zu Schiffen und Bohrinseln. Es sind also nicht nur
Küsten betroffen, sondern auch Gebiete im offenen Meer.
Bis zu welcher Wassertiefe reicht das Kunstlicht?
Das variiert. In trübes Wasser dringt es weniger tief ein als in klares.
Auch die Wellenlänge des Lichts spielt eine Rolle. Blaues Licht reicht zum
Beispiel am tiefsten. Britische Forscher haben errechnet, dass entlang der
Küsten 1,6 Millionen Quadratkilometer Meeresboden in 10 Meter Wassertiefe
noch von biologisch relevantem Kunstlicht erreicht werden. Insgesamt sind
knapp 25 Prozent aller Küsten weltweit betroffen.
Und was genau haben Sie erforscht?
Wir haben geschaut, wie sich Licht auf die Aktivität von Weidegängern im
Meer – also Pflanzenfressern – auswirkt. Dazu zählen beispielsweise Seeigel
und Schnecken. Dann haben wir filtrierende Organismen wie Muscheln
untersucht. Die jüngste Studie befasste sich mit der Wirkung von Kunstlicht
auf die Entwicklung ganzer Lebensgemeinschaften.
Welches war Ihre Methode?
Wir haben Tiere gesammelt und im Labor eine Gruppe in nächtlicher
Dunkelheit belassen und eine andere nächtlichem Kunstlicht ausgesetzt. Dann
haben wir geschaut, wie sich die Aktivitätsmuster der Tiere verändern. Das
Besondere ist, dass wir die Experimente global replizieren, sie also an
vielen Orten parallel mit derselben Methode durchführen. Nur so können wir
feststellen, ob ein Effekt sich überall gleich einstellt oder ob die
Wirkung vom lokalen Ökosystem abhängt.
Das Ergebnis?
Tiere reagieren je nach Ökosystem und Art verschieden. Einige tagaktive
Tiere werden nachts aktiver und nutzen das Licht beispielsweise, um zu
fressen. Andere, nachtaktive Arten werden inaktiver, weil sie darauf
angewiesen sind, sich nur im Dunklen zu bewegen, um Fraßfeinden zu
entgehen. Solche Tiere haben bei nächtlicher Beleuchtung dann weniger Zeit
zum Fressen. Ihr zeitliches Habitat, ihr Lebensraum ist die Dunkelheit. Und
auch wenn die Forschung noch am Anfang steht, lässt sich sagen: Kunstlicht
könnte durchaus dazu beitragen, dass sich Populationen und Ökosysteme
verändern.
Welche nachtaktiven Tiere könnten gefährdet sein?
Seeigel zum Beispiel. Viele Arten saugen sich tagsüber sehr fest am
Untergrund an und bewegen sich nur im Dunklen. Fische, die Seeigel fressen,
versuchen oft, den Seeigel auf den Rücken zu drehen, um an den Mundbereich
heranzukommen. In der Dunkelheit ist der Seeigel für diese Fraßfeinde aber
unsichtbar. Wenn wir Licht dazugeben, entfällt dieser Schutz.
Was ließe sich gegen diese Lichtverschmutzung tun?
Ein Ansatz ist, die Dauer der Beleuchtung pro Nacht zu reduzieren. Möglich
wären auch smarte Beleuchtungssysteme, die nur angehen, wenn jemand
vorbeigeht. Auch könnte man die Lichtfarbe so wählen, dass sie Tiere
möglichst wenig beeinflusst. Man könnte LED-Lampen so einstellen, dass sie
vor allem gelbes Licht emittieren. Wir vermuten, dass weißes LED-Licht
Tiere aus dem Rhythmus bringt, weil sie es mit dem Sonnenlicht verwechseln.
20 Dec 2023
## AUTOREN
Petra Schellen
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