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# taz.de -- Göttingen will Schrotthaus entmieten
> Die Stadt unternahm lange Zeit nichts gegen die Zustände in einer
> Problem-Immobilie. Nun hat sie einen Gebäudeteil gekauft – und drängt auf
> Abriss oder Sanierung
Bild: Bundesweit berüchtigt: Göttingens Problem-Immobilie Hagenweg 20
Von Reimar Paul
Ratten und Kakerlaken, kaputte Fenster und nicht funktionierende Toiletten,
Müllberge in den Fluren und vor dem Gebäude. Göttingens Problem-Immobilie
Nummer eins, das Haus Hagenweg 20 in der Weststadt, steht für Verwahrlosung
und sozialen Abstieg. Und schafft es deshalb immer wieder auch in die
überregionalen Medien. Neben anderen Fernsehanstalten berichtete „Spiegel
TV“ mehrmals über die Missstände. Mit „Göttingen ganz unten“ betitelte…
Sender eine halbstündige Reportage, die bundesweit für Aufsehen sorgte.
Auch in den vergangenen Kommunalwahlkämpfen war das Gebäude Hagenweg 20
stets ein großes Thema. Da prangerten Lokalpolitiker:innen nahezu
aller im Rat vertretenen Fraktionen von CDU bis Linken einmütig die
Zustände in dem Apartmenthaus an und versprachen Verbesserungen, sollten
sie gewählt werden. Es geschah aber nichts oder nur wenig, teilweise auch
wegen der undurchsichtigen und verschachtelten Besitzverhältnisse in dem
Haus. Zwar wurden fleißig Ratsanträge und -anfragen geschrieben, doch viele
versandeten in den Ausschüssen. Erst in den vergangenen Wochen ist etwas
Bewegung in die Sache gekommen.
Im Hagenweg 20 gibt es 164 Ein- und Zweizimmer-Wohnungen mit aktuell rund
150 Bewohner:innen. Im Juni hat die Stadt 22 dieser Apartments gekauft, 15
davon sind zurzeit vermietet. Insgesamt stehen aktuell etwa 40 Prozent der
Apartments leer. Erklärtes Ziel der Verwaltung unter Oberbürgermeisterin
Petra Broistedt (SPD) ist eine Komplettsanierung des 1974 errichteten
Gebäudes. Oder, besser noch, der Abriss und anschließender Neubau. Für
beide Varianten würde indes die Zustimmung aller Eigentümer benötigt.
## Stadt kritisiert überzogenen Kaufpreis
Oppositionsparteien drängen die Verwaltung deshalb, sie solle alle
Wohnungen erwerben. Aktuell stehen etwa weitere 120 Wohneinheiten im
Hagenweg zum Verkauf. Allerdings ist der in einem Online-Immobilienportal
aufgerufene Preis von mehr als 2,5 Millionen Euro aus Sicht der Stadt
deutlich überzogen. Broistedt hat erklärt, dass die Stadt nach dem Kauf der
22 Wohnungen mehr Einfluss habe und ihre Möglichkeiten nutzen werde. „Wir
sitzen künftig in der Eigentümerversammlung mit am Tisch. Wir werden
unbequem sein“, sagte sie.
Gleichzeitig sollen in die 15 vermieteten Wohnungen, die nun der Stadt
gehören, nach dem Auszug der jetzigen Mieter:innen zunächst keine neuen
Bewohner:innen einziehen. Auch die bereits leer stehenden Apartments
werde die Kommune nicht vermieten, sagte der Leiter des städtischen
Fachbereichs Soziale Sicherung, Wilhelm Kohlrautz. „So wollen wir einen
Leerstand herbeiführen, der den Weg zur Sanierung oder zum Abriss und
Neubau ebnet.“
Kurz vor dem Wohnungskauf durch die Stadt hatte sich Göttingens neue
Sozialdezernentin Anja Krause einen Eindruck von den Wohnverhältnissen im
Hagenweg 20 verschafft. Sie nahm dort den Außenbereich sowie alle Etagen in
Augenschein. Offensichtliche Mängel wie tropfende Wasserrohre seien der
Hausverwaltung gemeldet und auch kurzfristig behoben worden, teilte die
Stadt mit. „Es ist bedauerlich, dass die Hausverwaltung in der Regel nur
auf nachhaltigen Druck reagiert“, so Krause. Auch wenn viele Mängel nicht
nach dem Wohnraumschutzgesetz geahndet werden könnten, sei es nicht
hinzunehmen, dass die Eigentümer:innen einerseits die Miete
kassierten, andererseits dringendst notwendige Sanierungen verzögerten.
Gegenwärtiger Mehrheitseigentümer ist der in Frankfurt ansässige
Immobilienkonzern Coreo AG. Vor einem Jahr hatte das Unternehmen eine
Sanierung des Wohnkomplexes angekündigt, passiert ist aber nichts.
## Umzugsperspektive für Mieter:innen fehlt noch
Aus Krauses Sicht hat die Stadt zwischenzeitlich bereits einiges für die
Bewohner:innen im Hagenweg erreicht. Dazu gehöre, dass man das
Müllproblem in den Griff bekommen habe. So lag im Bereich des
Gebäudekomplexes viel Sperrmüll herum. Inzwischen stehen auch größere
Müllbehälter zur Verfügung. In Absprache mit den Göttinger
Entsorgungsbetrieben wurden die Abholzeiten verbessert. Außerdem gab es
Trainings zur Müllentsorgung. Auch werde inzwischen regelmäßig das
Ungeziefer im Gebäude bekämpft. Ein Problem in dem Gebäudekomplex bleibt
laut Krause jedoch der „Vandalismus“.
Um Menschen, die derzeit im Hagenweg 20 und weiteren Problem-Immobilien
leben, beim Umzug in ein neues Zuhause zu unterstützen und zu begleiten,
hat die Stadt Mitte August einen neuen Fachdienst gegründet. Dort werde die
Expertise verschiedener Fachleute gebündelt, um vor Ort effektiv handeln zu
können, den Bewohner:innen unter die Arme zu greifen und vor allem eine
Umzugsperspektive zu schaffen, heißt es.
24 Aug 2023
## AUTOREN
Reimar Paul
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