Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- das wird: „Sein Traum war, Mobilität nach China zu bringen“
> Felix Lee über seinen Vater, der den VW-China-Handel mit einleitete
Interview Petra Schellen
taz: Herr Lee, wie wichtig war Ihr Vater für den deutsch-chinesischen
Handel?
Felix Lee: Er hat zumindest in den Anfängen eine wichtige Rolle gespielt.
Das Engagement von VW, das er mitgestaltete, war das erste Chinageschäft
eines westlichen Unternehmens – nach über 30 Jahren Diktatur unter Mao und
völliger Isolation. Dass mein Vater – seit 1972 Ingenieur bei VW – damit in
Berührung kam, ist eher dem Zufall geschuldet, weil er im Wolfsburger
VW-Werk der einzige Chinese war und übersetzen konnte, als 1978 spontan der
chinesische Maschinenbauminister auftauchte, der an Nutzfahrzeugen
interessiert war.
Aber er war auch geschickter Verhandler. Er überzeugte die Chinesen, auch
PKW zu bauen, und brachte den skeptischen VW-Vorstand dazu, Werke in China
zu bauen.
Ja, mein Vater hat sicherlich einiges beschleunigt. Als die
Vertragsverhandlungen über den Aufbau eines VW-Werks in China konkreter
wurden, zeigte sich zum Beispiel, dass es in China kein Patentrecht gab.
Daraufhin schlug mein Vater dem damaligen Bundesforschungsminister
Riesenhuber vor, das Patentrecht nach China zu bringen, um Rechtssicherheit
zu schaffen. Tatsächlich wurde das deutsche Patentrecht dann fast eins zu
eins von China übernommen. Das hat sicherlich dazu beigetragen, dass
deutsche Unternehmen heute so massiv in China vertreten sind.
Sie schreiben, dass Ihrem Vater viel an Chinas Mobilität lag. War das ein
persönlicher Traum oder gesellschaftspolitische Ambition?
Es war schon auch ein persönlicher Traum. Mein Vater hat sich schon als
Kind für Autos interessiert – wobei es in seiner Heimatstadt Nanjing Anfang
der 1940er-Jahre keine gab. Er kannte Autos nur von Bildern, das war für
ihn Science-Fiction. Als er – als Zwölfjähriger vor dem Bürgerkrieg aus
China geflohen und seit 1962 in Deutschland lebend – 1977 erstmals wieder
nach China reisen konnte, stellte er entsetzt fest, dass sich dort nichts
verändert hatte; man kam nicht einmal vom Flughafen in die Stadt. Als dann
1978 besagter Maschinenbauminister VW besuchte, sah mein Vater die Chance,
seinem Heimatland zu Mobilität zu verhelfen.
Aber wie ertrug er es nach seiner Fluchtgeschichte, für seinen Traum mit
dem chinesischen Staat zu kooperieren? Er zog sogar für einige Jahre als
VW-Generalvertreter dorthin.
Das fiel ihm nicht schwer, weil er es nicht so politisch sah.Er hatte zwar
nie erwogen, nach China zurückzukehren – vor allem nicht unter einer
kommunistischen Führung. Seit Deng Xiaoping 1978 mit seiner Reformpolitik
China öffnete, sah mein Vater aber die Chance, dass sich China zu einer
marktliberalen, auch freiheitlichen Gesellschaft entwickeln könnte. Bis in
die Nullerjahre war diese Hoffnung berechtigt – wenngleich die
Niederschlagung der Demokratiebewegung 1989 ein starker Rückschlag war.
Dass es dann unter Xi Jinping ganz anders kommen würde – damit hat er nicht
gerechnet.
Ein Kapitel Ihres Buchs heißt „Wolfsburger Arroganz“. Existiert die noch?
Sie hat stark abgenommen, weil man erkannt hat, dass die chinesischen
Tech-Unternehmen, die jetzt E-Autos produzieren, drauf und dran sind, VW zu
überrunden. Vor einigen Jahren hat es die „Wolfsburger Arroganz“ aber noch
gegeben. Man hat chinesische Unternehmen eher belächelt und gedacht: „Die
machen alles nach, können aber nicht mithalten.“ Dabei hat man stets auf
die traditionellen chinesischen Autobauer geschaut – und verkannt, dass die
Konkurrenz heute von den Tech-Unternehmen ausgeht.
26 Jun 2023
## AUTOREN
Petra Schellen
## ARTIKEL ZUM THEMA
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.