# taz.de -- Ist „Verklemmtheit“ ein Argument? | |
> Der „Plansche-Fall“ soll in Berufung gehen. Die Gesellschaft für | |
> Freiheitsrechte will klären lassen, mit welchen Gründen man Frauen das | |
> „Oben ohne“-Sonnenbaden verbieten kann | |
Von Susanne Memarnia | |
Darf man heutzutage noch einer Frau verbieten, mit entblößter Brust in | |
einer öffentlichen Grünanlage zu sonnenbaden, während dies Männern erlaubt | |
ist? Der „Plansche-Fall“ aus Treptow-Köpenick, der mit dieser Frage | |
bundesweit in den (sozialen) Medien diskutiert wurde, geht in die nächste | |
juristische Runde. Die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) kündigte am | |
Montag an, zusammen mit der Klägerin Gabrielle Lebreton gegen das Urteil | |
des Landgerichts vom September in Berufung zu gehen. Ziel sei eine | |
Klarstellung, in welchen Fällen eine Ungleichbehandlung – etwa nach | |
Geschlecht – erlaubt und damit nicht als Diskriminierung nach dem | |
Landesantidiskriminierungsgesetz (LADG) zu bewerten sei. „Nur dann wird | |
Rechtssicherheit geschaffen, und das LADG kann seine geplante Wirkung als | |
Schutzinstrument gegen Ungleichbehandlung entfalten“, heißt es in der | |
Pressemitteilung der GFF. | |
Lebreton war im Sommer 2021 von Mitarbeitenden eines Sicherheitsdienstes | |
und Polizisten aus der Wasserplansche im Treptower Park geworfen worden. | |
Sie hatte – wie andere männliche Besucher auch – „oben ohne“ auf der W… | |
gelegen und sich, vom Sicherheitsdienst darauf angesprochen, geweigert, | |
etwas überzuziehen. Da sie in der Ungleichbehandlung mit den Männern eine | |
Diskriminierung nach dem LADG erkannte, wandte sie sich an die Ombudsstelle | |
der Justizverwaltung. Das LADG verbietet Behörden und landeseigenen | |
Unternehmen die Diskriminierung von Bürger*innen nach Herkunft, | |
Geschlecht, Alter und anderen Kriterien. Es trat im Juni 2020 in Kraft und | |
ist das erste seiner Art in Deutschland. | |
Die Leiterin der Ombudsstelle, die Bürger*innen bei der Durchsetzung | |
ihrer Rechte helfen soll, sah ebenfalls eine Diskriminierung im | |
Plansche-Fall [1][und empfahl dem Bezirk Treptow-Köpenick], der die | |
Plansche betreibt, eine Klarstellung der Bekleidungsregeln in der | |
Nutzungsordnung. Dort [2][heißt es seit diesem Sommer] | |
diskriminierungsfrei: „Die Badebekleidung muss die primären | |
Geschlechtsorgane vollständig bedecken. Dies gilt für alle Geschlechter.“ | |
Mit „primären Geschlechtsorganen“ sind gemeinhin Vulva und Penis gemeint. | |
Die weibliche Brust gilt als sekundäres Geschlechtsorgan. | |
Zugleich verklagte Lebreton den Bezirk sowie das Land Berlin – jeweils als | |
Arbeitgeber von Sicherheitsdienst-Mitarbeitenden und Polizisten – auf | |
10.000 Euro Entschädigung, auch diese Möglichkeit sieht das LADG vor. Die | |
Richterin beim Landgericht lehnte dies jedoch ab, im Wesentlichen, weil sie | |
keine Diskriminierung erkennen konnte. Es gebe nun einmal „verklemmte“ | |
Menschen, die nackte Frauenbrüste stören: „Da kann man sich ruhig ein | |
T-Shirt überziehen“, [3][so die Richterin bei der Verhandlung]. | |
Dies sei keine juristisch haltbare Begründung, meinen GFF und Anwältin | |
Thum. Eine Ungleichbehandlung aufgrund des Geschlechts und der damit | |
verbundene Grundrechtseingriff sei nur unter „hohen Anforderungen“ | |
zulässig, so die GFF. Dazu zähle der Schutz von „Gemeinschaftsgütern mit | |
Verfassungsrang“ oder auch die Grundrechte Dritter. Das Kammergericht als | |
nächste Instanz muss der Berufungsverhandlung nun zustimmen. | |
22 Nov 2022 | |
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## AUTOREN | |
Susanne Memarnia | |
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