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# taz.de -- „Diese Krise dauert ein bis zwei Jahre“
> Wenn die Unternehmen ihre Abhängigkeit von fossilen Energien beendet
> haben, geht es wieder aufwärts, sagt Berlins parteiloser
> Wirtschaftssenator Stephan Schwarz. Für diesen Winter fordert er von
> allen Seiten weitere Sparanstrengungen beim Gas
Bild: Stephan Schwarz, 57, ist seit Dezember 2021 parteiloser Wirtschaftssenato…
Interview Bert Schulz und Stefan Alberti
taz: Herr Schwarz, wie beurteilt der – ehemalige – Unternehmer Stephan
Schwarz die wirtschaftliche Lage?
Stephan Schwarz: Wir erleben eine herausfordernde Zeit. Es gab noch nie
eine so enge Taktung von Krisen, man kann ja sagen: von gestapelten Krisen.
Bisher habe ich aber die Erfahrung gemacht, dass man am Ende stärker aus
der Krise hervorgeht, als man hineingegangen ist.
Diese Sätze hätte jetzt genauso der Politiker Stefan Schwarz sagen können.
Ja, das stimmt.
Die Position von Unternehmer und Politiker ist also identisch?
Als Politiker wie als Unternehmer muss man auch die Chancen erkennen, die
in jeder Krise stecken. Viele Unternehmen haben das getan – das haben wir
bei Corona gesehen in einem Maße, das wir nicht für möglich gehalten haben.
Den Riesenschwung an wirklich notwendigen Transformationen, das haben wir
erst jetzt durch die Krise erlebt. Die Unternehmen sind viel
wettbewerbsfähiger, flexibler, agiler geworden, etwa bei der
Digitalisierung. Es war absolut richtig, sie in dieser Situation und auch
beim Neustart zu unterstützen.
Das klingt, als bräuchten Unternehmen Krisen, um sich wettbewerbsfähig zu
halten.
Ja, manchmal bewirken Krisen, dass der Schalter wirklich umgelegt wird. Sie
führen dazu, dass Veränderungsprozesse schneller laufen. Das kann
angesichts der aktuellen Situation vielleicht zynisch klingen, weil viele
darunter leiden. Aber wir hinterfragen jetzt endlich unsere hohe
Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen in einer Geschwindigkeit und Wucht,
die vorher schon notwendig gewesen wäre. Wir hinterfragen auch unsere
Abhängigkeit von Lieferketten und merken, dass wir für bestimmte Produkte
keinen fairen Preis gezahlt haben. Klar ist aber auch: Diese Krise wird
nicht ewig dauern, sondern vielleicht ein, zwei Jahre.
Wie kommen Sie darauf?
Ich will damit nicht sagen, dass ich weiß, wie lange der Krieg in der
Ukraine dauert. Aber ich bin zuversichtlich, dass wir nach einer gewissen
Zeit aus der Energiekrise rauskommen, weil eben diese Transformation in
großen Schritten vorangetrieben wird. Und das wird wieder zu einer
Entlastung für Wirtschaft und Verbraucher führen.
Können Sie ein Beispiel nennen?
Bei den Erneuerbaren löst sich gerade ein Knoten. Viele Unternehmen in
Berlin planen ernsthaft, in alternative Quellen zu investieren, in
Geothermie, Photovoltaik oder den Bau von Windanlagen auf ihrem Gelände.
[1][Zwei Wumms und alles wird gut] – wie stehen Sie zum Weg, mit dem
Kanzler Olaf Scholz das Land durch die Krise bringen will, sprich die
Energiepreisbremse?
Erst mal ist es gut, dass die Ampel ein gemeinsames Verständnis dafür
entwickelt hat, dass wir vor gewaltigen Herausforderungen stehen. Das
signalisieren der Scholz’sche Doppelwumms und die 200 Milliarden Euro.
Und wie bewerten Sie die Umsetzung des Energiedeckels, sprich die
Vorschläge, die die von der Bundesregierung eingesetzte Kommission Anfang
vergangener Woche gemacht hat? Verbraucher und Unternehmen sollen den
Dezember-Abschlag der Gasrechnung ersetzt bekommen, ab Frühjahr sollen dann
80 Prozent des Gasverbrauchs preislich fixiert werden.
Ich hätte mir weniger Gießkanne gewünscht. Nicht jeder ist gleich stark
betroffen von der Krise, mir sollte der Steuerzahler die Dezemberrechnung
nicht zahlen. Jetzt geht’s um Schnelligkeit, und der Grundgedanke der
Vorschläge ist richtig, weil man damit direkt an eine Ursache der Krise
rangeht, nämlich die hohen Energiepreise. Gleichzeitig hoffe ich, dass
trotz der Deckelung immer noch genügend Sparanreize da sind. Mit dem
ungedeckelten Anteil ist sichergestellt, dass Marktmechanismen noch wirken.
Preissignale sind wichtig, um auf die sich abzeichnende Verknappung zu
reagieren und einer möglichen Gasmangellage vorbeugen zu können.
Kann das Land Berlin sich nun die [2][eigene Energiekostenhilfe] sparen,
die sicherheitshalber vorgesehen war?
Es war gut, dass sich die rot-grün-rote Koalition in Berlin sehr schnell
auf ein eigenes Entlastungspaket verständigt hat. Was die Wirtschaft
angeht, haben wir ein Darlehensprogramm entwickelt, das in Kürze verfügbar
sein wird. Unternehmen, die aufgrund der Energiepreise in richtige
Schwierigkeiten kommen, sollen damit schnell unterstützt werden. Beim
Energiekostenzuschuss müssen wir schauen, welche Maßnahmen das
Bundesprogramm konkret enthält und ob es die besonderen Berliner Bedarfe
abdeckt. Wir haben hier ja zum Beispiel mehr als hunderttausend
Soloselbstständige, die hat der Bund nicht immer auf dem Schirm.
Wird es im Winter zu einer Gasmangellage kommen?
Wir können sie nicht ausschließen. Die letzten Monate sind auch von der
Bundesregierung gut dafür genutzt worden, genau das abzuwenden. Wir haben
uns alternative Lieferwege gesichert, etwa durch die Flüssiggasterminals,
von denen zumindest eines zum Jahreswechsel schon verfügbar sein wird. Wir
haben Gas gespart, wenn auch nicht genug, aber die Gasspeicher sind zu fast
95 Prozent voll. Wir haben also eine realistische Chance, eine
Gasmangellage abzuwenden. Aber gebannt ist die Gefahr noch nicht.
17 Oct 2022
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## AUTOREN
Bert Schulz
Stefan Alberti
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