# taz.de -- „Ich habe eine Liste mit zehn neuen Orten“ | |
> Michael Rosen organisiert mit seiner Agentur Digital in Berlin unter | |
> anderem die Kiezsalons. Ein Gespräch über das Finden von | |
> Veranstaltungsorten | |
Bild: Kiezsalon 2021 im MaHalla, einer fast 4.000 Quadratmeter großen Halle in… | |
Interview Andreas Hartmann | |
taz: Herr Rosen, neulich war es sogar Thema in den „Tagesthemen“: Nach dem | |
vorläufigen Auslaufen der Corona-Maßnahmen würden Großkonzerte | |
internationaler Stars gut funktionieren, die kleinen Acts dagegen oftmals | |
in die Röhre schauen. Woran liegt das? | |
Michael Rosen: Warum es viele gerade so schwer haben, hat vor allem drei | |
Gründe. Zum einen haben während der Pandemie kaum Veranstaltungen | |
stattgefunden. Trotzdem wurden weitere Fördergelder ausgeschüttet. Das | |
heißt, dass alle Projekte, die in den letzten zweieinhalb Jahren hätten | |
umgesetzt werden sollen, jetzt zeitgleich nachgeholt werden. Es gibt also | |
gerade ein exorbitant hohes Angebot an hochwertigem Programm, aber | |
weiterhin nur ein begrenztes Publikum, das sich dafür interessiert. Zum | |
anderen haben sich viele an diesen Lifestyle gewöhnt, abends nicht mehr | |
auszugehen. Ich selbst habe mich während der Pandemie auch wohlgefühlt | |
damit, abends Sport zu machen und dann zu Hause zu bleiben. Ich bin vor | |
Corona fast jeden Abend auf ein Konzert gegangen und habe eine Weile | |
gebraucht, um in einen Ausgehrhythmus zurückzufinden. Ich glaube, viele | |
Leute sind noch nicht wieder so weit. Es gibt aber einen weiteren Grund, | |
warum es manche, die wie ich Konzerte mit experimenteller Musik | |
veranstalten, nicht so leicht haben. | |
Und der wäre? | |
Ich glaube, dass sich in der Berliner Kulturbranche, zumindest im Bereich | |
der Avantgarde und der Neuen Musik, immer noch zu wenige Gedanken gemacht | |
wird über das Publikum. Teilweise fehlen da ganz banale Dinge. Da ist | |
irgendwo eine Eröffnung und es gibt keine Bar. Eine Bar ist aber wichtig, | |
denn die Leute wollen ja nicht nur ein Konzert sehen und danach nach Hause | |
gehen, sondern sie wollen sich über das Gesehene austauschen. Dass der | |
Kiezsalon meist ausverkauft ist, liegt aber bestimmt auch am sehr moderaten | |
Eintrittspreis von immer noch 10 Euro, was wirklich unterdurchschnittlich | |
ist in Berlin und nur möglich ist, weil ich Fördergelder erhalte. | |
Ihre nächste Veranstaltung findet in der Galerie Weisser Elefant in Mitte | |
statt, bislang nicht bekannt als Konzertort. Es fällt auf, dass Sie nicht | |
nur ein Trüffelschwein für unbekannte Musiker und Musikerinnen sind, | |
sondern auch für neue Orte. Wie kam es dazu? | |
Das kam so zustande, dass ich zu Beginn der Pandemie gedacht habe: Entweder | |
ich mach jetzt erst mal gar nichts. Oder ich suche mir auch mal andere, | |
größere Orte, wo ich dann bei geltenden Abstandsregeln genauso viele | |
Tickets verkaufen kann wie vorher. So kam es, dass ich was in den Gärten | |
der Welt und auf der Dachterrasse des Hauses der Kulturen der Welt gemacht | |
habe oder im MaHalla, einer fast 4.000 Quadratmeter großen Halle in | |
Oberschöneweide. Oder in so einem abgefahrenen Ort wie dem Bärenzwinger im | |
Köllnischen Park, wo bis vor ein paar Jahren noch sprichwörtlich der Bär | |
gewohnt hat. Mein Plan ist, in drei Jahren in jedem der 16 Stadtteile | |
Berlins einen Kiezsalon veranstaltet zu haben. | |
Von anderen Konzertveranstaltern hört man oft, im enger gewordenen Berlin | |
könne man gar keine neuen Orte mehr entdecken. | |
Ich glaube, das stimmt nur teilweise. Wenn ich mir anschaue, wo andere | |
veranstalten, dann stößt man immer auf dieselben Locations. Warum? Ich habe | |
aktuell eine Liste mit zehn neuen Orten, die ich nächstes Jahr bespielen | |
möchte. Darunter sind nicht nur solche, die noch keiner kennt. Sondern auch | |
einige, die jeder kennt, aber wo man vielleicht nicht so oft hingeht. Wie | |
zum Beispiel der Pierre Boulez Saal. Oder die Akademie der Künste. Ich | |
finde die toll. Das Kulturforum zwischen Philharmonie und Nationalgalerie | |
ist auch wunderbar. | |
Mit Ihrer Agentur Digital in Berlin starten Sie jetzt auch ein eigenes | |
Musiklabel. Was haben Sie vor? | |
Ein Label zu betreuen ist für mich etwas Neues. Ich wusste gar nicht, wie | |
man das macht. Die Idee dahinter ist nicht, dass ich dachte, es braucht | |
unbedingt ein weiteres Label. Aber ich habe mir in 15 Jahren eine gewisse | |
Reputation und Sichtbarkeit erarbeitet, nicht nur in Berlin. Das will ich | |
nutzen für so manche Neuentdeckung, die ich auch im Kiezsalon zeige. | |
Der nächste Kiezsalon findet am 27. August statt. Mit Microcorps (Alexander | |
Tucker), Maja Ratkje, Dylan Peirce und LOUFR im MaHalla in der | |
Wilhelminenhofstraße 76 in Oberschöneweide. Am 20. August gibt es die erste | |
von zwei Veranstaltungen in der Galerie Weisser Elefant in der Auguststraße | |
21 in Mitte mit Luciano Chessa and Lucio Capece | |
16 Aug 2022 | |
## AUTOREN | |
Andreas Hartmann | |
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