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# taz.de -- „Ich wollte nicht nett schreiben“
> Mit Karin Smirnoff eröffnen die Nordischen Literaturtage in Hamburg
Interview Frauke Hamann
taz: Sie haben spät zu schreiben begonnen, Frau Smirnoff …
Karin Smirnoff: Aber nein! Ich schreibe, seit ich Teenager bin: Gedichte,
Kurzgeschichten und Romane, allerdings ohne etwas zu veröffentlichen. In
den Neunzigern studierte ich Kreatives Schreiben, 30 Jahre später habe ich
damit weitergemacht. Als meine Kinder klein waren, wollte ich keine
Schriftstellerin sein. Das Schreiben erfordert beständiges Training. Mit 50
war ich bereit, etwas zu veröffentlichen. Vorher nicht.
Sie hatten vorher unterschiedliche Jobs?
Ich habe in Restaurants und als Altenpflegerin gearbeitet, dann lange als
Journalistin. Ungerechte Lohn- und Arbeitsbedingungen sind mir nur zu
vertraut. 2013 kaufte ich eine Holzfabrik, den Holzhandel betreibe ich bis
heute. Um meine Leute zu bezahlen, hatte ich selbst manchmal kein Geld. Ich
kenne beide Seiten!
Ihr Buch „Mein Bruder“ ist voller brutaler Ereignisse.
„Mein Bruder“ handelt von einer jungen Frau, die etwas über die Gewalt in
ihrer Familie und in ihrer Umgebung herausfinden will. Ich wollte nicht
nett schreiben.
Wie wichtig ist Ihnen die Natur, der Schnee?
Ich lebe in Hertsånger, wo der Roman spielt. Sechs Monate im Jahr liegt
Schnee, da sollte man den Winter mögen! Bis auf wenige Nachbarn umgibt mich
Wildnis. Wald, Berge, Seen, Meer. Ich erlebe die Natur jeden Tag, beim
Fischen wie beim Wandern, beim Pilzesammeln wie beim Skifahren. Bäume und
Tiere sind mir sehr nah, auch Mäuse und Ratten.
Ihr Roman ist getränkt von religiösen Motiven. Warum?
Ich bin in einer areligiösen Familie aufgewachsen, doch hat mich die
philosophische Seite des Glaubens immer interessiert. Wie schwer es ist,
ein geachteter Mensch zu werden, vor sich selbst und vor anderen. Jana
Kippo erlebt Heuchelei und Missbrauch, aber auch anmaßende kirchliche
Autorität.
Die Familie erscheint als Hauptquelle von Gewalt, oder?
Eine dysfunktionale Familie kann zur Gefahr werden. Bei den Kippos wissen
alle von der Brutalität des Vaters und der Schwachheit der Mutter, doch
niemand hilft. Die meisten scheuen davor zurück, in eine Familie
einzugreifen.
Kann Jana Kippo ihres Bruders Hüter sein, kann sie den alkoholkranken Bror
behüten?
Wir können nicht jemandes Hüter sein, aber wir können ein Mitmensch sein!
Bror ist der einzige, der Jana etwas bedeutet. Gegenüber dem gewalttätigen
Vater hatten sie nur einander. Jana will nicht, dass Bror ein Opfer seiner
Sucht wird. Und auch ich möchte nicht, dass irgend jemand zum Opfer wird.
Heute: Eröffnung der Nordischen Literaturtage im Literaturhaus Hamburg mit
einer Lesung von Karin Smirnoff (18.30 Uhr) und Erika Fatland (20 Uhr). Das
Buch „Mein Bruder“ hat 336 Seiten, kostet 24 Euro und erschien bei Hanser
Berlin
22 Nov 2021
## AUTOREN
Frauke Hamann
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