# taz.de -- Von Herzogs Gnaden | |
> Im Verein ist Kunst am schönsten: Kunstvereine zählen seit 2021 zum | |
> immateriellen Weltkulturerbe. Ihre Arbeit macht Gegenwartskunst für jeden | |
> erfahrbar – noch bevor sie im Museum einstaubt. Und jeder hat seine ganz | |
> eigene Geschichte: Die taz erkundet ihren Beitrag zum norddeutschen | |
> Kulturleben. Diesmal: Oldenburg | |
Von Bettina Maria Brosowsky | |
Im Jahr 1843 gegründet, zählt der Oldenburger Kunstverein zu den ältesten | |
in Deutschland. Auch dort waren es selbstbewusste Bürger, die den | |
„Kunstsinn“ fördern und Ausstellungen „zur Belehrung über Kunstgegenst�… | |
veranstalten wollten. Allerdings diente ihnen bis 1918 vorrangig die | |
Sammlung des Großherzogs als Demonstrationsmaterial. Bereits das erste | |
Vereinsjahr bot ein Dutzend jeweils dreitägiger Ausstellungen im ersten | |
temporären Domizil, einem Saal im Casino. | |
Gezeigt wurden Architekturdarstellungen ägyptischer Tempel oder des | |
historistischen Neubaus des griechischen Königsschlosses, Grafik und Werke | |
lokaler Maler, aber auch der künstlerisch gestaltete Gebrauchsgegenstand. | |
Dem erzieherischen Auftrag folgend, wurde jede Ausstellung von einem | |
Programmheft mit kunsthistorischen Erläuterungen begleitet. 1867 konnte der | |
Verein dann das aus Eigenmitteln und herzoglicher Spende finanzierte | |
„Augusteum“ beziehen, ein neu errichtetes Galeriegebäude am Schloss, das in | |
seinem Obergeschoss auch die großherzogliche Gemäldesammlung beherbergte. | |
## Ein kurzer Aufbruch mit der Brücke | |
Eine Sternstunde des Kunstvereins wurde 1908 die allererste Ausstellung von | |
Karl Schmidt-Rottluff und Erich Heckel. Die beiden Maler der Dresdner | |
Künstlergruppe „Die Brücke“ zeigten Werke aus ihrer Sommerfrische im | |
friesischen Dangast, deren „so lebenswahre, derbkräftige Darstellung | |
unserer heimischen Küstenbevölkerung“ von einem zeitgenössischen Kritiker | |
„als Morgenrot einer neuen Ära des farbigen Ausdrucks“ gefeiert wurde. Die | |
Publikumsresonanz blieb verhalten. | |
In der Weimarer Republik war dem Oldenburger Kunstverein, kurz OKV, ein | |
solch progressives Profil nicht mehr geheuer. Das pflegte stattdessen ab | |
1922 die konkurrierende Vereinigung für junge Kunst. Während diese sich | |
1933 selbst auflöste, ließ sich der Kunstverein gleichschalten. Unterm | |
NS-Regime zeigte er jährliche Gau-Ausstellungen Oldenburger und Bremer | |
Künstler, bis 1943 das „Augusteum“ für die zerstörten Justizbehörden | |
requiriert wurde. Immerhin wurde diese Phase schon in der Chronik zum | |
125-jährigen Jubiläum 1968 kritisch beleuchtet. | |
Damals bezog man auch ein neues Domizil, das „kleine Augusteum“, einen | |
selbst finanzierten Pavillon im baulichen Anschluss an die alten Räume, in | |
denen das Landesmuseum residiert. Es handelt sich um eine Blackbox mit | |
winzigem Innenhof, die 2007 zur neutralen Ausstellungshalle von knapp 400 | |
Quadratmetern Fläche umgebaut wurde. | |
## Direktion im Ehrenamt | |
Mit knapp 700 Mitgliedern gehört der OKV zu den mittelgroßen in | |
Deutschland, ist aufgrund des Bauunterhalts aber zur Haushaltsdisziplin | |
gezwungen und personell sehr bescheiden aufgestellt. Der Kunsthistorikerin | |
Marina Krause obliegt seit letztem Jahr die Geschäftsleitung, einer | |
weiteren Teilzeitstelle die Buchhaltung, Honorarpersonal Kunstvermittlung | |
und Aufbau. | |
Die sich zwischen Berlin, Frankfurt und dem Norden verortende ehemalige | |
Kunsterzieherin Gertrude Wagenfeld-Pleister, seit 2002 Vorsitzende des OKV, | |
ist auch für das Programm verantwortlich – im Ehrenamt. Denn für eine | |
Direktorenstelle fehle schlichtweg das Geld. Verlässliche Sponsoren seien | |
in Oldenburg rar und die Förderung aus Hannover dankenswert, aber gering. | |
Sie kompensiert mit „Herzblut“, bester Vernetzung in die zeitgenössische, | |
auch junge Kunstszene und der Kompetenz des Vorstands. | |
Ein Programmschwerpunkt ist der Gegenwartsfotografie gewidmet. Im letzten | |
Jahr präsentierte der OKV so Adrian Sauer: Er setzt sich mit der Logik der | |
Fotografie auseinander, etwa der erodierten Abbilderwartung in ihrer | |
digitalen Variante. 2022 wird man mit Viktoria Binschtok eine weitere | |
Protagonistin der Leipziger Hochschule für Grafik und Buchkunst vorstellen. | |
[1][www.oldenburger-kunstverein.de] | |
22 Sep 2021 | |
## LINKS | |
[1] http://www.oldenburger-kunstverein.de | |
## AUTOREN | |
Bettina Maria Brosowsky | |
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