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# taz.de -- Jenseits von jeglichem Status oder Einfluss
> Der Gemeinschaftsort Uferstudios im Wedding feiert, so gut es geht,
> zehnjähriges Jubiläum: mit virtuellen Festakten und ohne Laudatio
Von Astrid Kaminski
Über die Kulturmanagerin Barbara Friedrich etwas zu sagen ist schwierig.
Sie beherrscht die Kunst zu verschwinden. Die Gefahr, an ihrem öffentlichen
Pragmatismus abzuprallen, besteht. Und so geschah es zur Verleihung des
imaginären Tanzpreises „Die Fritz“ an diejenige Person, die mit der
Gründung der Uferstudios einen bedeutenden Teil der Uferhallen vor zehn
Jahren aus der Investorenschleife gerettet hat. Der Choreograf Peter
Pleyer, der den imaginären Tanzpreis gestiftet hat, druckste Barbara
Friedrich im winterlich kalten Hof der Uferstudios eine Silberkugel
entgegen.
Aufgrund der ausgefallenen Laudatio greife ich auf Worte der Choreografin
Angela Schubot zurück, die sie 2019 im Rahmen des öffentlichen
Briefe-Salons „Letters Of“ an Barbara Friedrich geschrieben hat: „Du hast
immer so krass bewegen können. Dafür hast du gegeben und gegeben. Deine
Zeit und Unermüdlichkeit und deinen Körper und deinen Verstand. Und ich
weiß um die Momente, in denen du fast gestorben wärst und wo ich mir dann
ehrlich hätte sagen müssen: Fuck..., das ist jetzt nicht so unerwartet. –
Du hast dich richtig runtergerockt. Oft. Für deine Visionen. Fast bis ins
Aus. Ich denke an dich und sehe dich, wie du im Pfefferberg den Tanzboden
schrubbst mit deinen lockigen Haaren und deinem bunten hair wrap. Mit einer
Begeisterung. Und Wärme für alle. Das habe ich von dir gelernt, diese
Gleichbehandlung von Menschen jenseits von Status oder Einfluss.“
Diese Lektion scheint auch als Ethos über dem Gemeinschaftsort Uferstudios
zu schweben. Der Ort ist aus Teamgeist und Verhandlungsgeschick geboren.
Barbara Friedrich und ihrem Team war es nach langer Vorlaufzeit gelungen,
einen Erbpachtvertrag mit der Uferhallen AG über 197 Jahre zu
unterzeichnen.
Heute sind die Uferstudios der wichtigste Tanzort in Berlin, wo
Institutionen wie das Hochschulübergreifende Zentrum Tanz, die Ada-Studios,
das Tanzbüro und die Tanzfabrik sowie inzwischen zwei Kollektive
angesiedelt sind und Studios zum Proben und für Aufführungen gemietet
werden können. In den ersten zwanzig Jahren müssen 6 Millionen Euro aus dem
Darlehensvertrag getilgt werden. Die aktuelle Uferstudios-Geschäftsführerin
Simone Willeit, die den Posten von der inzwischen in Rente gegangenen
Barbara Friedrich übernommen hat, ist trotz Corona zuversichtlich, die
Tilgung zu stemmen.
Uneigennützig Verantwortung zu übernehmen ist eine der Eigenschaften, die
Willeit mit ihrer Vorgängerin teilt. Genauso wie die Kunst des
Verschwindenkönnens. Zu den Feierlichkeiten zum zehnjährigen Bestehen
sprach Willeit offiziell kein einziges Wort. Ebenso wenig sprach
Kulturstaatssekretär Torsten Wöhlert. Es war ihm unter den aktuellen
Bedingungen nicht gestattet, am Festakt teilzunehmen. Dass und wie der
Versuch zu feiern unter Coronamaßnahmen unternommen wurde, scheint sowieso
bizarr.
So gab es einen Festakt für VIPs sowie eine Übertragung fürs Zoom-Volk in
ein anderes Studio. Ein Hybride-Formate-Fauxpas an einem Gemeinschaftsort
wie den Uferstudios? Zum Glück wurde er von den Zeremonienmeistern Kareth
Schaffer und Martin Clausen abgefedert: „Es gibt hier keine wichtigen
Menschen, weil die sich ja von Feierlichkeiten fernhalten müssen.“
Dass es nur mühsam gelang, sich selbst zu feiern, liegt jedoch vielleicht
nicht nur an Corona und den damit verbundenen Maßnahmen, sondern auch an
einer sympathischen Unfähigkeit zur Selbstinszenierung. Wenn sich daran
nichts ändert, dürfte es mit dem von Filmemacher Diego Agulló
prognostizierten Empfang des Alternativen Nobelpreises im Jahr 2050
schwierig werden.
13 Oct 2020
## AUTOREN
Astrid Kaminski
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