# taz.de -- Kunst im Getriebe | |
> Der Künstlerfamilie Rehfeldt, die von Pankow ein Netz von Gedanken mit | |
> der internationalen Kunstwelt verband, gilt eine Ausstellung in der | |
> Galerie Wolf & Galentz | |
Bild: Lithografie von Robert Rehfeldt | |
Von Tilman Baumgärtel | |
Als Berlin noch die Hauptstadt der Deutschen Demokratischen Republik war, | |
war Pankow ein Stadtteil der Künstler und Schriftsteller. Die halbe | |
Akademie der Künste wohne in dem Vorort, hieß es damals. Staatskünstler wie | |
Johannes R. Becher, Arnold Zweig oder Hans Eisler, aber auch weniger | |
bekannte, doch dafür wagemutigere Künstler wie Robert Rehfeldt und seine | |
Frau Ruth Wolf-Rehfeldt. Beide machten Kunst, die wenig mit dem gemein hat, | |
was in der DDR offiziell genehm war: experimentell, teilweise abstrakt, | |
nicht unbedingt dissidentisch, aber doch mit erstaunlichen Abweichungen vom | |
staatlich sanktionierten Kunstschaffen. | |
Die Galerie Wolf & Galentz, ebenfalls in Pankow gelegen, zeigt nun zum | |
ersten Mal Werke des Ehepaars und von ihrem Sohn René gemeinsam in einer | |
Ausstellung. | |
Besonders Robert Rehfeldt (1931–1993) erscheint mit historischem Abstand | |
fast wie eine literarische Fiktion, ein Künstler, den es so in der DDR | |
eigentlich gar nicht hätte geben dürfen. Schon in den 60er Jahren malte der | |
Absolvent der Hochschule für Bildende Künste abstrakt, schuf später | |
Collagen und Assemblagen, die an die westliche Pop Art und den Nouveau | |
Réalisme erinnern. Für solche Werke gab es in der DDR praktisch keinen | |
Markt. Aber als Mitglied des Verbands Bildender Künstler der DDR erhielt er | |
Kunst-am-Bau-Aufträge, bemalte Brandmauern und arbeitete für die Pankower | |
„Palette Nord“. Das war ein Club, bei dem Sonntagsmaler unter | |
professioneller Anleitung Kunst schufen. | |
Sein Atelier in der Mendelstraße war ein Treffpunkt der Ostberliner | |
Kunstszene, zu seinen Eröffnungen kamen zum Teil Hunderte von Gästen. Schon | |
die experimentellen Schmalfilme und Videos, die bei solchen Gelegenheiten | |
entstanden und die in der Ausstellung digitalisiert zu sehen sind, lohnen | |
den Besuch: Man sieht die DDR-Boheme der 80er Jahre beim Feiern, einmal | |
sitzt Heiner Müller mit Zigarre in froher Runde. | |
International trat Rehfeldt ab Anfang der 70er Jahre auf, als er begann, | |
sich mit Mail Art zu beschäftigen, dem internationalen Netzwerk von | |
Künstlern, die sich rund um den Globus Werke auf Postkarten und per Brief | |
zusendeten. Rehfeldt korrespondierte unter anderem mit Joseph Beuys, Wolf | |
Vostell, Robert Filliou und Dick Higgins. Das niedrige Porto in der DDR | |
machte es möglich, sich in großem Stil an diesem internationalen Treiben zu | |
beteiligen, ohne je Ostberlin zu verlassen. In der Ausstellung sind | |
Postkarten zu sehen, auf welche die Aufforderung „Sei Kunst im Getriebe“ | |
gestempelt ist, oder eine „Gedenkkarte“, auf der es heißt: „Diese Karte | |
teilt Ihnen meine Gedanken mit … Denken Sie weiter.“ Solche Karten | |
verschickte Rehfeldt nicht nur international an Künstlerfreunde, sondern | |
auch an Politfunktionäre in der DDR. | |
Ein Künstler, der weltweit gestempelte und bedruckte Postsachen mit solchen | |
Sprüchen versendete und der vor allem von Künstlern aus Westeuropa, den USA | |
und Lateinamerika Arbeiten zugesendet bekam – in einem Land, in dem jeder | |
Fotokopierer registriert werden musste und der Erhalt von ausländischen | |
Druckerzeugnissen verboten war, hätte das eigentlich für Probleme sorgen | |
müssen. Rehfeldt wurde zwar von der Stasi beobachtet, erhielt aber trotzdem | |
wegen seiner künstlerischen Praxis sogar eine offizielle Erlaubnis, | |
Drucksachen aus dem Westen zu beziehen. Gleichzeitig experimentierte er | |
weiter mit traditionellen Drucktechniken wie Lithografie, zum Teil | |
unterstützt von seinem Sohn René Rehfeldt (* 1956), der heute Leiter der | |
Druckwerkstatt an der UdK ist. Von ihm sind kleine Drucke von Landschaften | |
und Reiseimpressionen aus Thailand und Vietnam aus den letzten Jahren zu | |
sehen. | |
Ruth Wolf-Rehfeldt (* 1932) stand lange im Schatten ihres Mannes. In der | |
Ausstellung sind zum ersten Mal Ölgemälde der Künstlerin aus den 60er und | |
70er Jahren zu sehen. Bekannt wurde sie aber für ihre typografischen | |
Arbeiten und visuelle Poesie, die sie mit der Schreibmaschine schuf und | |
ebenfalls teilweise per Post verschickte. In minutiöser Tipparbeit schuf | |
sie aus Buchstaben und Sonderzeichen geometrische Formen, gelegentlich | |
kombiniert mit permutierten Worten, bei denen zum Beispiel das Wort | |
„Gedanken“ immer wieder neu variiert wird. | |
Seit sie 2017 bei der documenta gezeigt wurde, hat sich ein regelrechter | |
Sammlermarkt für ihre Arbeiten entwickelt. Diese sind zum Teil inzwischen | |
nur noch als Edition erhältlich, weil die Originale verkauft oder nur noch | |
zu beeindruckenden Preisen zu haben sind. | |
Die Ausstellung der künstlerische Arbeit der Familie Rehfeldt erlaubt | |
gerade in ihrer Kombination einen ungewöhnlichen Blick auf das, was in der | |
DDR in Nischen künstlerisch möglich war. Solche Positionen sind als Folge | |
der Art, wie die deutsche Wiedervereinigung im kulturellen Bereich | |
stattfand, heute viel zu wenig bekannt. Gerade darum hätte diese | |
Präsentation durchaus auch einer größeren Berliner Kunstinstitution gut | |
angestanden. | |
Galerie Wolf & Galentz, Wollankstraße 112a, 13187 Berlin-Pankow, bis zum | |
25. Oktober. https://www.wolf-galentz.de. Besichtigung nach Vereinbarung | |
23 Sep 2020 | |
## AUTOREN | |
Tilman Baumgärtel | |
## ARTIKEL ZUM THEMA |