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# taz.de -- Reise durch den knallbunten Eskapismus
> Der Erlebnispark Disneyland ist wegen der Coronapandemie geschlossen. In
> einem Fotoband lassen sich seine Attraktionen erkunden
Bild: Das originale Disneylandzeichen, mit dem die Gäste auf dem Harbor Boulev…
Von Brigitte Werneburg
Seit Ende Juli sind 22 Vereine der nordamerikanischen Basketballliga NBA im
Disney World, Orlando, Florida, zu Hause. In den brachliegenden Ballsälen
der Freizeitpark-Hotels sollen sie die durch Corona unterbrochene Saison zu
Ende spielen. Wie lustig das wohl sein wird, drei Monate lang mit 769
anderen NBA-Angestellten in diesem Freizeitpark eingesperrt zu sein?
Wahrscheinlich ist für die Basketballprofis, deren Leben dem sowieso sehr
nahe kommt, die Idee der Weltflucht – auch wenn sie so grandios realisiert
ist wie in Disney World – nicht so spannend wie für die Mehrzahl der Leute.
Zurzeit ruht der Betrieb nicht nur in Orlando, sondern auch in Anaheim,
Kalifornien, wo 1955 das Urmodell in Betrieb genommen wurde. Allerdings,
dank einem gerade im Taschenverlag erschienenen prächtigen Bildband
eröffnet sich jetzt die letztlich absolut adäquate Möglichkeit einer
virtuellen Reise in „Walt Disneys Disneyland“ und das sogar bis in die Zeit
seiner Entstehung zurück.
Die umfangreichen Archivrecherchen des Autors Chris Nichols, der Kolumnist
beim LA Magazine und ein engagierter Denkmalschützer ist, wird in der Fülle
des Bildmaterials deutlich; den Bauplänen und Zeichnungen wie den
bestürzend farbsatten Fotografien aus den 1950er und 60er Jahren. Man
studiert die ersten Ideenskizzen, wundert sich über Kleiderentwürfe für die
Mitarbeiter, um dann in die Ateliers zu schauen, wo die Modelle gebaut und
auch schon die endgültigen Hintergründe gemalt werden.
Was alle Stationen eint und am Ende Disneyland von anderen Freizeit-,
Erlebnis- und Vergnügungsparks unterschied, war Disneys bekannter Ehrgeiz,
nur Resultate von bester Qualität zu akzeptieren. Im Durchgang durch den
Band wird dann auch schnell deutlich, dass Disneyland nicht einfach ein
Spektakel und eine Aneinanderreihung von Attraktionen darstellte. Im
Gegenteil war der Themenpark eine eigentlich filmische, ästhetisch bis ins
letzte Detail ausgefeilte Erzählung.
Geboren wurde er aber aus dem Geist (und dem Kapital) des Fernsehens. Der
TV-Sender ABC finanzierte Disneys Traum im Gegenzug für eine „Disneyland“
genannte Show. Die Liveübertragung des Empfangs von eingeladenen
Pressevertretern im Vorfeld der Eröffnung am 17. Juli 1955 wurde von 90
Millionen Zuschauern gesehen, damals die Hälfte der Bevölkerung der
Vereinigten Staaten.
Mit den Presseleuten wurden sie in der Main Street empfangen und dann in
verschiedene Länder entführt wie in die Dschungel-Exotik von Adventureland,
die imaginierte Go-West-Young-Man-Vergangenheit von Frontierland oder die
Sleeping-Beauty-Märchenwelt von Fantasyland und last not least die
Wissenschafts- und Technikentwürfe von Tomorrowland.
Die Dschungelwelt mit ihren mechanischen Tieren, aber natürlichen Pflanzen
stellte wie auch die anderen thematischen Inszenierungen schon eines der
zuletzt so gehypten immersiven Kunstwerke dar. Denen ganz ähnlich verfolgte
auch Walt Disney mit der Erfahrung des Eintauchens eine pädagogische
Mission. Hier sollten die Besucher*innen nun verstehen: „Die Erde und ihre
Vielzahl tierischer Bewohner haben dazu beigetragen, unsere Kultur, unsere
Künste und tatsächlich auch die Grundfesten unserer menschlichen
Zivilisation zu definieren.“
Disneyland selbst definierte ein Goldenes Zeitalter, für das es
gleichzeitig als Sinnbild stand: für „Imperial California“, wie der
Architekturhistoriker Alan Hess die Nachkriegszeit nennt, als die Moderne
in Kalifornien Einzug hielt. Bedeutende Architekten kamen im Bauboom zum
Zuge, als die Immobilienbranche die Ölindustrie als wichtigsten
Wirtschaftszweig ersetzte. Die Film- und Flugzeugindustrie boomte, dazu
wurde Kalifornien bedeutender Universitäts- und Hochtechnologiestandort.
Und mit der 1961 von Walt und Ron Disney gegründeten CalArts entstand eine
einflussreiche Kunsthochschule an der Westküste. Der – bevor ABC einstieg –
von potentiellen Geldgebern wie den Banken bezweifelte Erfolg war sofort
da. Es war ein Welterfolg. Nach dem Muster der schon 1971 eröffneten
Disneyworld in Orlando folgten Tokio 1983, Paris 1992, Hongkong 2005 und
zuletzt Schanghai 2016.
Chris Nichols (Hg.): „Walt Disneys Disneyland“. Taschen Verlag, Köln 2020,
328 Seiten, 40 Euro
11 Aug 2020
## AUTOREN
Brigitte Werneburg
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