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# taz.de -- Lieber Sinkflug als Kehrtwende
> Tuifly bekommt Staatshilfen und will trotzdem seine Flotte reduzieren und
> Arbeitsplätze abbauen. Die Diskussion darum hypnotisiert die Politik
> derart, dass für eine Debatte über andere Ziele – wie den Klimaschutz –
> kaum Raum bleibt
Von Nadine Conti
Eigentlich wollte Tuifly ab diesem Sommer zwei neue Langstrecken im
Programm haben: Von Düsseldorf aus sollte es nach Mexiko und in die Karibik
gehen. Dieses Vorhaben ist nun auf unbestimmte Zeit vertagt. Die
Fluggesellschaft mit Sitz im niedersächsischen Langenhagen hat andere
Sorgen.
Die Tochtergesellschaft des TUI-Konzerns, der schon im April mit einem
staatlichen Kredit von 1,8 Milliarden Euro vorläufig gerettet werden
musste, droht mit dem Abbau von bis zu 900 Stellen und der Halbierung der
eigenen Flugzeugflotte von 39 auf 17 Flugzeuge. Das alarmiert nicht nur die
Gewerkschaften Ver.di und Cockpit. Auch der niedersächsische
Wirtschaftsminister Bernd Althusmann (CDU) schaltet sich in den
eskalierenden Konflikt ein und lud die Beteiligten zum runden Tisch ins
Wirtschaftsministerium ein. Niedersachsen sieht sich ohnehin reichlich
gebeutelt, weil mit der Autoindustrie und der Fleischindustrie im Land
gleich zwei hart getroffene Branchen wichtig sind.
Mehr als vermitteln kann der Wirtschaftsminister allerdings erst einmal
nicht: Über die Rettungsgelder hat der Bund zu entscheiden und der hat es –
wie auch bei der Lufthansa – versäumt, daran Bedingungen zu knüpfen. Der
tourismuspolitische Sprecher der Grünen im Bundestag, Markus Tressel, hatte
der Bundesregierung vorgeworfen, die TUI-Rettung ohnehin nur genehmigt zu
haben, um nicht – wie etwa bei der Thomas-Cook-Pleite – wieder mit
Steuergeldern für die Rückzahlungen an die Kunden aufkommen zu müssen.
Die Gewerkschaften werfen Tuifly nun vor, die Coronakrise zu nutzen, um
einen harten Sparkurs durchzudrücken. Die Entscheidung sei „ein Schlag ins
Gesicht der Belegschaft“, sagte die stellvertretende Ver.di-Vorsitzende
Christine Behle, nachdem der Tuifly-Aufsichtsrat den Sparplänen des
Managements zugestimmt hatte. Hier werde mit Staatshilfen eine Vernichtung
von mitbestimmten und tarifierten Arbeitsplätzen geplant.
Und Markus Wahl, Präsident der Pilotenvereinigung Cockpit, verwies auf die
deutlich anziehenden Buchungen bei der TUI, nachdem viele
Reisebeschränkungen nun aufgehoben worden sind. Viele der Beschäftigten
sind überdies immer noch in Kurzarbeit, die meisten bis September.
Airline-Chef Oliver Lackmann sagte gegenüber dem Handelsblatt, er rechne
damit, dass die Nachfrage im Tourismus erst 2023 oder 2024 wieder das
Vor-Corona-Niveau erreiche. Für Tuifly reiche das auch deshalb nicht, da
die Kapazitäten im Grunde schon vor Corona zu groß gewesen seien. „Unser
ursprüngliches Ziel war es, die Kostensituation durch Wachstum zu heilen.
Durch Covid-19 wurde jetzt alles zerschlagen“, sagte Lackmann. Die
TUI-Flotte sei im Grunde nur im Sommer ausgelastet. Für den Rest des Jahres
reichten 17 Flugzeuge.
Nun laufen die Verhandlungen. Niedersachsens Wirtschaftsminister mahnt eine
„langfristige Zielsetzung“ und maßvollen Stellenabbau an. An eine
Kehrtwende bei den klimaschädlichen Auswirkungen des Massentourismus denkt
er dabei sicher nicht. Das Geschäft könne sich nach Aufhebung vieler
Reisewarnungen erholen, erklärte Althusmann. „Vor diesem Hintergrund ist
mir wichtig, dass insbesondere für Hannover die angekündigten Einsparungen
so gestaltet werden, dass möglichst viele Arbeitsplätze und eine möglichst
große Anzahl von Flugzeugen erhalten bleiben.“
Einen Shitstorm kassierte dagegen der grüne Stadtrat Robert Schlick aus
Dresden, der getwittert hatte: „Lassen wir doch Tui und Co. einfach mal
absaufen. Und dann probieren wir etwas Neues aus, etwas, das klima-,
umwelt- und menschenfreundlicher ist.“ Schlick löschte seinen Tweet später
und entschuldigte sich für die „ungünstig formulierte“ Aussage.
11 Jul 2020
## AUTOREN
Nadine Conti
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