# taz.de -- Er lässt jetzt die Elementeder Natur selber „malen“ | |
> Herman de Vries ist ein Pionier der Environmental Art im Grenzgebiet von | |
> Kunst und Wissenschaft. Die Ausstellung „how green is the grass?“ im | |
> Georg Kolbe Museum bringt den Wald ins Haus | |
Bild: Natur und geometrische Ordnung: Ausstellungsansicht „How green is the g… | |
Von Tom Mustroph | |
Die Erde ist vielfarbig. Das sieht man vom Weltall aus. Aber auch dann, | |
wenn man seine Augen auf Bodenhöhe senkt. Herman de Vries ist so ein | |
Blickvertiefer. Der ausgebildete Gärtner pflegte von seinen Wanderungen im | |
heimisch gewordenen Steigerwald in Franken, aber auch von seinen | |
ausgedehnten Reisen quer über den Globus Erdproben mitzubringen. Die rieb | |
er so lange aus, bis nur noch die Essenz der Pigmente übrig blieb. Diese | |
Pigmente präsentiert de Vries mal im Rohzustand – beigefarbenes Gestein aus | |
der Vaucluse, bräunliches Pulver aus der Schweiz, rotes, beinahe die Farbe | |
von Tomaten aufweisende Erde aus Griechenland oder grünliches Mineral aus | |
Zypern. Mal bringt er die feinkörnigen Substanzen auch per Hand auf Papier. | |
Beide Verarbeitungsformen sind in der Ausstellung „how green is the grass?“ | |
im Kolbe Museum zu sehen. | |
Ein Archiv von etwa 9.000 Proben soll de Vries mittlerweile angelegt haben. | |
Er gleicht damit einem Wissenschaftler, der systematisch sein | |
Forschungsfeld untersucht, es vermisst, kartiert und die entnommenen | |
Substanzen katalogisiert. Zugleich ästhetisiert er sie und bewegt sich | |
damit souverän im Grenzgebiet zwischen Wissenschaft und Kunst. Es ist das | |
Grenzgebiet, an dem das Schild „Environmental Art“ pappt. Und de Vries, der | |
ehemalige Gärtner, frühere Landarbeiter und autodidaktische Künstler, ist | |
eine der prägenden Gestalten in diesem Terrain. | |
Längere Zeit war er eher ein Außenseiter im Kunstbetrieb, dann erfuhr der | |
mittlerweile 89-Jährige bei der Biennale Venedig 2015 globale | |
Aufmerksamkeit, als er den Pavillon seines Geburtslandes Niederlande | |
bespielte. Das zunehmende Bewusstwerden der Probleme des Klimawandels hat | |
zu einer Neubewertung seines Gesamtwerks ebenfalls beigetragen. | |
## Gottvater der Kids | |
Jüngere Fotos zeigen ihn mit wallendem weißen Bart. Er hat das Zeug, zum | |
Gottvater der Kids von „Fridays for Future“ zu werden. Er beteiligte sich | |
auch schon an einer Klimademo im unterfränkischen Haßfurt. | |
Bemerkenswert ist an seinem Œuvre, mit welcher Konsequenz er den Blick auf | |
den Erdmantel und die auf ihm sprießende Vegetation lenkt. Die | |
Erdausreibungen machen die Vielfalt des Bodens deutlich. Seine Pressungen | |
von Gräsern, Kräutern, Sträuchern zeigen eine vielfältige Ästhetik des | |
Gewachsenen. Der Künstler entfernt dabei die Vegetation aus einem Heide- | |
oder Waldstück und presst die Fundstücke zwischen eine Pappe und eine | |
Glasplatte. Auch hier überrascht – ähnlich wie bei den Erden – das Spiel | |
der Farben. Wie viele Schattierungen kann allein Grün haben. Wie | |
umfangreich ist doch die – gewöhnlich als sehr karg empfundene – | |
Wintervegetation in unseren Breiten. | |
De Vries’ Arbeiten bestechen auch wegen des Kontrastes von wilder Natur und | |
strenger Geometrie. Denn seine Fundstücke ordnet der Künstler meist in den | |
Grundformen von Rechteck oder Kreis an. Rund, wie auf einer Malpalette, | |
sind die Erdausreibungen angeordnet. Bringt er sie auf Papier, entstehen | |
monochrome Rechtecke. Auch die gepressten Pflanzen sind in rechteckige | |
Rahmen gefasst. Ebenso bilden die 36 Eichenstümpfe, die de Vries auf dem | |
Boden anordnet, ein Rechteck. Und das Laub, das er von seinen ausgedehnten | |
Wanderungen durch den Steigerwald mitnahm, ist in Kreisform ausgebreitet. | |
De Vries, in frühen Jahren der informellen Malerei zugeneigt, lässt jetzt | |
die Natur „malen“. Und er kuratiert sie, verleiht ihr einen Rahmen. Die | |
Ausstellung im Georg Kolbe Museum lädt zur Kontemplation ein. Betritt man | |
das Untergeschoss mit Arbeiten des Bildhauers Kolbe sowie einer Sammlung | |
von Werken von Kollegen, entstehen interessante Bezüge. Kolbes elegante | |
Skulpturen fügen sich schmeichelnd in die de Vries’sche Natur ein. Die | |
unterschiedliche Farbigkeit der Skulpturen im Regal korrespondiert mit de | |
Vries’ Erdfarben. | |
Vergänglichkeit schreibt sich in die vom Umweltbundesamt unterstützte | |
Werkschau ebenfalls ein. Auf den Karten des Steigerwalds, auf denen der | |
Künstler seine jährlichen Wanderungen mit Stift eintrug, reduzierte sich in | |
den letzten Jahren erheblich die Wegstrecke. Kein Wunder bei einem fast | |
90-Jährigen. | |
Gut ist, dass die Zeit reif wurde für de Vries, sein Werk noch zu Lebzeiten | |
größere Würdigung erfährt. Bitter ist, dass es erst der Erde schlecht | |
werden musste, damit dies geschehen konnte. | |
„How green is the grass?“ im Georg Kolbe Museum, Sensburger Allee 25, | |
täglich 10-18 Uhr, bis 3. Mai | |
8 Feb 2020 | |
## AUTOREN | |
Tom Mustroph | |
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