# taz.de -- Schillers Räuber sind los | |
> Damit das Theater in die Welt kommt und die Welt ins Theater, sind junge | |
> Leute wichtige Partner. Am Deutschen Theater feiert das Junge DT sein | |
> 10-jähriges Bestehen mit Schillers Räubern | |
Bild: Zum Fotoshooting zogen die jungen DarstellerInnen der „Räuber“ in de… | |
Von Linda Gerner | |
Mach die Bewegung nochmal größer. Das sieht man aus der letzten Reihe sonst | |
nicht“, sagt Joanna Praml. Sie lässt sich neben Carl Jung auf einen Stuhl | |
fallen. Wenige Sekunden später springt sie stürmisch auf. Sie schreit und | |
artikuliert mit den Armen, um die Zerrissenheit des Räuberhäuptlings Karl | |
Moor auszudrücken. | |
Der Blick des jungen Schauspielers Carl Jung folgt der Regisseurin | |
konzentriert. Er mimt den Räuberhäuptling, durch Zufall ist er ein | |
Namensvetter. Dann fällt von Regisseurin Praml zum wiederholten Mal der | |
Satz: „Okay, nochmal die Szene, von Beginn an.“ 15 Jugendliche stellen sich | |
vor ein auf Bierkisten drapiertes rotes Tuch. Probenbesuch in der | |
Räuberhöhle vom Jungen Deutschen Theater. | |
Das Spielzeitmotto im Jahr des 10-jährigen Bestehens lautet: „Rage – egal.… | |
Wut und Anarchie dürfen auf die Bühne gebracht werden, und wie ginge das | |
besser als mit einer Inszenierung von „Die Räuber“? An diesem Dienstag | |
feilt das Ensemble aus Laienschauspieler*innen bereits den ganzen Tag an | |
der Adaption von Friedrich Schillers Erstlingswerk. Premiere hat die | |
Inszenierung am 11. Februar. Ein Stück im Stück wird es sein. Schiller | |
trifft auf die Lebenswirklichkeit von jungen Berliner*innen, die Schiller | |
inszenieren wollen, verrät Praml. | |
Für die intensiven Probenarbeiten sind die noch schulpflichtigen | |
Schauspieler*innen in dieser Woche vom Unterricht befreit. Gerade probten | |
sie Szenen ziemlich weit hinten im Stück, berichten die jungen Leute. | |
Zum Räuber-Ensemble gehört auch die 19-jährige Marie Eick-Kerssenbrock. | |
Groß, kurzgeschorene Haare: Sie spielt Karl Moors Braut Amalia. Für die | |
Produktion am Jungen DT ist sie von Düsseldorf nach Berlin gezogen. Ab März | |
wird sie in Salzburg Schauspiel studieren, um ihren Wunschberuf weiter | |
voranzubringen. Die Arbeit am Berliner Theater empfindet sie als | |
„professionell, aber trotzdem sehr herzlich“. Das Regieteam schaffe es | |
trotz des großen Ensembles, mit den Einzelnen intensiv zu arbeiten, sagt | |
sie: „Es wird versucht, das Beste aus der Gruppe herauszuholen.“ | |
## Die Bühne der Profis | |
Die Schauspielerin wirkt das erste Mal am Jungen DT mit. Viele der anderen | |
Jugendlichen haben zuvor in einem der zwei Jugendclubs, die einmal | |
wöchentlich im Haus stattfinden, bereits Theaterluft geschnuppert. So etwa | |
Oskar von Schönfels, für den „Die Räuber“ seine dritte große Produktion | |
ist. Entspannt sitzt er am Rand und wartet auf eine Szene, in der er wieder | |
einen Einsatz hat. Er ist vierzehn Jahre alt und das jüngste | |
Ensemble-Mitglied. Theater spiele er schon seit knapp fünf Jahren, erzählt | |
er. | |
Auf eine doppelt so lange Zeit am Jungen DT kann die Leiterin Birgit | |
Lengers zurückblicken. Nach der Übernahme der Intendanz von Ulrich Khuon am | |
Deutschen Theater bewarb sie sich initiativ auf diese Stelle. In den | |
letzten Jahren habe sich ihre Arbeit beim Jungen DT vom aktiven | |
Unterrichten, etwa von Schulklassen, immer mehr zur Projektplanung | |
verschoben, erzählt die Frau mit blondem Kurzhaarschnitt. Ihr erstes | |
Projekt am Jungen DT hat unter dem Leitmotiv „Rein und raus“ gestanden. Die | |
jungen Schauspieler*innen haben dabei in Inszenierungen ihre neue | |
Nachbarschaft kennengelernt und in der Charité, im Naturkundemuseum und im | |
Regierungsviertel gespielt. „Unser Ziel war von Beginn an, das DT und das | |
Junge DT miteinander zu verweben“, sagt Lengers. | |
Nach anfänglichem Argwohn im eigenen Haus – „Warum sollen plötzlich | |
Jugendliche ohne Theatererfahrung auf der gleichen Bühne stehen wie ein | |
Ulrich Matthes?“ – sei das Junge DT inzwischen fest etabliert. Die Stücke | |
mit den Jugendlichen werden wertgeschätzt, sagt Lengers. | |
Einen amateurhaften Eindruck macht die Probe von „Die Räuber“ auch nicht. | |
Die Jugendlichen sind textsicher, haben professionellen Elan, zeigen große | |
Spielfreude. Vielleicht hoffen einige von ihnen zukünftig öfter auf den | |
„Brettern, die die Welt bedeuten“, – das Schiller-Zitat fällt auch im St… | |
– zu stehen. Ein Startpunkt für die gewünschte Schauspielkarriere kann der | |
Jugendclub des Jungen DT sein. So lief es etwa bei der 1995 geborenen Maike | |
Knirsch. Nach ihren Auftritten am Jungen DT nahm sie das Schauspielstudium | |
an der Ernst-Busch-Hochschule in Berlin auf. Seit der Spielzeit 2017/2018 | |
ist sie festes Ensemble-Mitglied am Deutschen Theater. | |
Als eine Art Ausbildungsstelle verstünde sich das Junge DT aber nicht, sagt | |
Lengers: „Ich bin mehr damit beschäftigt, Leute von diesem Wunsch | |
abzubringen.“ Es sei ein großartiger Beruf, aber für wenige Leute: „Es ist | |
ein hartes Feld. Man muss sehr begabt sein, sonst wird man schnell | |
unglücklich.“ Natürlich wolle sie junge Leute für das Theaterspielen | |
begeistern. Sie versuche Jugendlichen aber zu vermitteln, dass sie sich | |
beruflich viele Dinge erfüllen können. Dem Jungen DT gehe es bei der | |
Besetzung seiner Stücke daher auch weniger um Schauspielerfahrung: „Uns ist | |
wichtig, dass die Jugendlichen Lust haben, sich mit dem Thema des Stückes | |
auseinanderzusetzen“, sagt Birgit Lengers. | |
## Mehr Zugänge erschließen | |
Auch sei dem Jungen DT Diversität ein Anliegen, sagt die Leiterin: „Wir | |
wollen nicht, dass eine junge Variante des DT-Ensembles auf der Bühne | |
steht, sondern auch mal welche, die sonst nicht Theater spielen und mehr | |
Berlin abbilden.“ Neben den Jugendclubs gibt es thematische | |
Theaterferiencamps für Schüler*innen. | |
Durch mobile Klassentheaterstücke versuchen sie eine weitere Brücke zu | |
ihrem Publikum zu schlagen: „Indem wir exklusiv für Schulklassen spielen, | |
wollen wir das Vorurteil abbauen, dass Theater etwas Elitäres ist“, so | |
Lengers. Die aktuellen Stücke sind „Mein ziemlich seltsamer Freund Walter“ | |
von Sibylle Berg und „Rage“, eine gemeinsame Stückentwicklung, in der es um | |
das Lebensgefühl und die politische Haltung junger Menschen geht. In dieser | |
Spielzeit trug das Junge DT diese beiden Stücke in knapp 50 | |
unterschiedlichen Schulen vor – von Marzahn über Köpenick nach Spandau und | |
Friedrichsfelde und bis Mühlenbeck in Brandenburg. Die Klassenzimmerstücke | |
wurden auch am Bodensee und in der Ukraine, in Kiew und ostwärts bis | |
Mariupol, gespielt. | |
Durch den Dialog und die gemeinsamen Arbeitsprozesse mit Jugendlichen | |
könnten ihre Stücke stärker die Lebensrealität ihres Publikums abbilden, | |
sagt Lengers: „Was wäre so ein Haus ohne diese Perspektive? Das Theater | |
soll sich ja nicht um sich selbst drehen, sondern um die Welt.“ | |
„Die Räuber“, Deutsches Theater. Premiere: 11. 2., 19 Uhr, wieder am 14. | |
und 19. 2. | |
1 Feb 2020 | |
## AUTOREN | |
Linda Gerner | |
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