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# taz.de -- Sozialproteste: Indigene legen Ecuador lahm
> Kein Wasser in den Provinzen, Tränengas in der Hauptstadt: Vor allem
> Indigene protestieren seit Tagen gegen die Regierung von Lenín Moreno.
> Der gerät in die Defensive
Bild: Eine Demonstrantin in Quito flüchtet am Dienstag vor Tränengas
Aus La Paz Knut Henkel
Der Protest in Ecuador wird radikaler, auch abseits der Hauptstadt kommt es
zu Unruhen. In Ambato, südlich von Quito, wurde das Wasser auf dem Weg von
den Bergen in die Stadt abgestellt oder gestaut, berichteten Menschen vor
Ort der taz am Mittwoch. Damit wollen die Indigenen auch den Rest der
Bevölkerung zu Protesten bewegen, vermuten sie. Die Straßen sind komplett
blockiert. Über die örtlichen Medien bekommen Anwohner kaum Informationen.
Auch die Situation in Quito sei chaotisch, meint der Menschenrechtsanwalt
Mario Melo. Sein Arbeitsplatz befindet sich unweit des Parlaments, in
dessen unmittelbarer Umgebung sich am Dienstag massive Proteste
konzentrierten. Demonstranten gelang es, bis in den Plenarsaal
vorzudringen. Von der Polizei wurden sie mit Tränengas aus dem Gebäude
gedrängt. Präsident Lenín Moreno verfügte daraufhin landesweit Sperrzonen
rund um alle Regierungsgebäude. Das Militär patrouilliert auf zentralen
Plätzen in Quito.
„Laut dem indigenen Dachverband, der Conaie, sind mittlerweile mindestens
20.000 ihrer Anhänger in der Stadt“, sagt Melo, der gute Kontakte in die
indigene Organisation hat, „doch es könnten auch deutlich mehr sein. Die
Proteste haben die Stadt fast komplett paralysiert.“
Conaie, das Bündnis der indigenen Völker Ecuadors, hat landesweit zu
Blockaden, Streiks und Protesten gegen die von der Regierung am 1. Oktober
verhängten Benzinpreiserhöhungen aufgerufen, aber es sind längst nicht nur
indigene Organisationen, sondern auch Transportunternehmer und Jugendliche
aus den ärmeren Stadtteilen der Hauptstadt, die dem Aufruf folgen.
Für Melo ist das keine Überraschung, denn die Benzinpreiserhöhungen treffen
die armen Bevölkerungsschichten überproportional heftig. „Die Maßnahmen der
Regierung sind unausgewogen. Sie hat die Sozialpolitik immer weiter
zurückgefahren, obgleich Präsident Moreno im Wahlkampf 2017 das Gegenteil
versprochen hat. “
Der Unmut entlädt sich derzeit im gesamten Land. Mindestens drei
Ölfördereinrichtungen wurden in Brand gesetzt, etliche Straßen sind
blockiert. Gegen den Protest geht Präsident Moreno mit Härte vor. Polizei
und Armee versuchen den 60-tägigen Ausnahmezustand durchzusetzen, haben
Ausgangsverbote verhängt und wollen um öffentliche Gebäude einen Art
Bannmeile durchsetzen. In Quito feuerte die Polizei Tränengas. Bei den
Protesten gab es nach offiziellen Angaben bislang einen Toten, mehr als 70
Verletzte und rund 570 Festnahmen.
Dem Dialog mit den Demonstranten ist der Präsident mit seinem Abgang nach
Guayaquil, wo die konservative Elite des Landes sitzt, am Dienstag aus dem
Weg gegangen. Für Melo ist das ein Zeichen der Schwäche, das zur Eskalation
beitragen könnte: „Moreno agiert sehr konfus. So wirft er der Conaie zum
Beispiel vor, im Interesse von Ex-Präsident Rafael Correa zu agieren. Das
ist absurd.“
Correa und Moreno, die einst gemeinsam regierten, sind sich heute
spinnefeind – unter anderem weil Moreno Ecuador eine neoliberale
Wirtschaftsstrategie verpasst hat. Dazu gehört die Wiederannäherung an den
Internationalen Währungsfonds (IWF), der Ecuador 4,2 Milliarden US-Dollar
in Aussicht gestellt hat und im Austausch dafür Reformen einfordert – etwa
die Streichung der Benzinpreissubventionen in Höhe von 1,3 Milliarden
US-Dollar. Das entlastet zwar die Staatskassen, trifft aber die arme
Bevölkerung. Diese hat Moreno bei der Wahl vor zweieinhalb Jahren zum Sieg
verholfen und ist nun enttäuscht. Dem landesweiten Streikaufruf der Conaie
für Mittwoch haben sich viele weitere Organisationen angeschlossen, wodurch
die Regierung weiter in die Defensive geraten könnte. Für Mario Melo wäre
das keine Überraschung.
10 Oct 2019
## AUTOREN
Knut Henkel
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