# taz.de -- Erika Heines Zuhause muss weg | |
> Seit knapp einem Jahr lebt die Wohnungslose Erika Heine in Hannover in | |
> einem Minihaus am Straßenrand. Sie mag die Gegend, doch es gibt auch | |
> Nachbarschafts-Konflikte. Die Stadt will die Hütte nicht dulden. Nun | |
> entschied ein Gericht: Am Samstag darf geräumt werden | |
Bild: Soll nach Willen des Gerichts abgerissen werden, weil es zu nah am „fli… | |
Von Simone Schmollack | |
Der Stein des Anstoßes steht am Straßenrand im Stadtteil Ricklingen in | |
Hannover: eine klitzekleine Hütte aus Sperrholz. Gerade mal Platz für eine | |
Matratze, einen Feuerlöscher, ein Bio-Klo, einen Wasserhahn, eine winzige | |
Kochstelle. Doch dieses „Little Home“ (Minihaus), eine Behausung für die | |
wohnungslose Erika Heine, muss weg. So entschied es jetzt das | |
Verwaltungsgericht Hannover und wies damit den Eilantrag der 62-Jährigen, | |
mit ihrem winzigen Haus dort bleiben zu können, zurück. Am Samstag soll das | |
Haus entfernt werden. | |
Die Stadt, gegen die sich Klage und Eilantrag richteten, argumentiert, der | |
Frau seien bereits andere Stellplätze sowie ein Platz in | |
Obdachlosenunterkünften angeboten worden. „Hilfsangebote der | |
Landeshauptstadt Hannover […] hatte die Antragstellerin zuvor sämtlich | |
abgelehnt. Insbesondere hatte sie das Angebot zurückgewiesen, ihr Mini-Haus | |
auf einem vom Verein vermittelten Privatgrundstück abzustellen“, heißt es | |
dazu in einer Presseerklärung des Verwaltungsgerichts. | |
Heine wollte aber offenbar weder einen anderen Standort noch einen Platz in | |
einer staatlichen Unterkunft. Sondern eher die Nähe zur aktuellen | |
Nachbarschaft, zu Menschen mit einem normalen Leben. Doch die wollten das | |
scheinbar auch nicht so recht. So soll es in der Vergangenheit immer wieder | |
zu kleinen Auseinandersetzungen zwischen der Frau und den Anwohner*innen | |
und den Eigentümer*innen des angrenzenden Grundstücks gekommen sein. | |
Das Gericht sieht die „öffentliche Sicherheit und Ordnung“ gefährdet: „… | |
fließende Verkehr bewegt sich in nächster Nähe um das Mini-Haus der | |
Antragstellerin herum.“ Zudem bedürfe Heine einer „straßenrechtliche | |
Sondernutzungserlaubnis“. Die hat die Stadt nicht erteilt. Und: Wohin mit | |
dem Müll und dem Abwasser? Auch nicht geklärt, teilte das | |
Verwaltungsgericht mit. | |
Heine war die erste Frau, die in Hannover in einem Minihaus am Straßenrand | |
wohnte. Die Hütte hatte ihr vor knapp einem Jahr der Verein „Little Home“ | |
in Köln geschenkt. Der Verein baut seit drei Jahren diese kleinen Häuser, | |
um Wohnungslosen zu helfen. Sie biete den Betroffenen einen | |
„(Über-)Lebensraum sowie einen ersten Einstieg in weitere Hilfen“, heißt … | |
auf der Homepage des Vereins: „Dadurch können sie weiterhin in | |
größtmöglicher Freiheit auf der Straße leben, ohne deren Gefahren | |
unmittelbar ausgesetzt zu sein.“ Gefahren wie Überfälle, Kälte, Nässe. | |
Ein Minihaus kostet nach Angaben des Vereins etwa 1.200 Euro, die | |
Organisation finanziert Bau und Aufstellung hauptsächlich über Spenden. 109 | |
Obdachlosen konnte der Verein mittlerweile helfen. 41 von ihnen haben dem | |
Verein zufolge einen Job und 48 sogar einen festen Wohnraum. | |
Einer Statistik der Wohnungslosenhilfe Hannover zufolge gibt es rund 4.000 | |
wohnungslose Menschen in der niedersächsischen Hauptstadt. Etwa 400 von | |
ihnen sollen regelmäßig auf der Straße schlafen, davon ein Drittel Frauen. | |
Frauen versuchen, ihre Wohnungslosigkeit stärker als Männer zu verstecken | |
und vorübergehend bei Bekannten unterzukommen. | |
Als der Verein „Little Home“ Erika Heine das Minihaus übergab, konnte sie | |
es kaum fassen. Anderen gehe es doch viel schlechter, soll sie damals zu | |
Sven Lüdecke, dem Erfinder der Minihäuser in Deutschland und Gründer des | |
Kölner Vereins, gesagt haben. Als die Hütte für die Frau auf einem | |
Kirchengelände in Hannover aufgestellt wurde, war er extra angereist. Es | |
sei herausragend, wie sich die Frau politisch engagiere, sagte Lüdecke. | |
Das sehen andere Wohnungslose in Hannover nicht in jedem Fall so. „Frau | |
Heine sind andere Stellplätze angeboten worden, die sie hätte annehmen | |
können. Was ist das Problem?“, sagte eine andere Wohnungslose zur taz. Die | |
Frau möchte ihren Namen nicht in der Zeitung lesen, weil sie „öffentlich | |
keinen Stunk“ machen möchte. Sie selbst lebt seit Jahren auf der Straße, in | |
einem Zelt oder in Obdachlosenunterkünften. „Das Schlimmste ist“, sagt sie, | |
„dass wir keine Möglichkeiten haben, unsere Sachen zu lagern.“ Damit meint | |
sie Platz für Sommer- und Winterkleidung. „Dann müssen wir die nicht immer | |
mit uns rumschleppen.“ Eine Möglichkeit, die so ein Minihaus bietet. | |
Erika Heine kann gegen den Beschluss Beschwerde einlegen. Ob sie das tut, | |
ist noch unklar. | |
4 Oct 2019 | |
## AUTOREN | |
Simone Schmollack | |
## ARTIKEL ZUM THEMA |