# taz.de -- Limited Edition:Seelenleben aus dem Kopierer | |
> Die taz stellt in der Serie „Limited Edition“ Bremens Zine-Szene vor. In | |
> Teil 6 zeigen Jeff Hemmers Zine-Workshops, wie die Publikation in | |
> Kleinstauflage verborgene Lebenserfahrungen zum Sprechen bringt – und | |
> dabei dem Selbstbewusstsein junger Künstler*innen gut tut | |
Von Jan-Paul Koopmann | |
Zines sind ein sehr persönlicher Rahmen für die Kunst und gerade für | |
Druckerzeugnisse eine bemerkenswert intime Ausdrucksform. Das gilt – | |
Zwischenfazit sicher nicht nur für die Bremer Szene – für alle bisherigen | |
Folgen der taz-Serie „Limited Edition“. Einer, der diesen Befund | |
ausdrücklich zum Programm erhebt, ist der Comic-Künstler Jeff Hemmer. Und | |
das nicht nur, weil er selbst so unverstellt und direkt zeichnet, sondern | |
weil er in seinen Workshops auch andere dazu ermutigt. | |
Dass dabei nicht nur Comics, sondern ausdrücklich Zines entstehen, folgt | |
einem doppelten Zufall. Erstens hat sich die Idee aus Hemmers Job in der | |
Jugendhilfe entwickelt: ein spontanes Zeichenangebot am Wochenende, das | |
bald über den Träger hinaus Interesse weckte. Jeff Hemmers Workshops finden | |
heute in Schulen statt, im Rahmenprogramm von Ausstellungen, in SOS | |
Kinderdörfern – und sogar im Ausland. | |
Im ägyptischen Hurghada hat Hemmer etwa über mehrere Tage künstlerisch mit | |
Jugendlichen gearbeitet. Die Zines erscheinen in Kleinstauflage: je ein | |
Exemplar für die Macher*innen, die anderen Kursteilnehmer*innen und eine | |
für Hemmers privates Archiv. | |
Die Form – und das ist nun der zweite Zufall – entstand erst unterwegs. | |
Dass die Nachwuchskünster*innen ihre Originale mit nach Hause nehmen, sei | |
natürlich schön, sagt Hemmer. Aber das Teilen und die Produktion in (noch | |
so kleiner) Serie gebe dem Ganzen eine völlig andere Wertigkeit.Heute sei | |
das Produkt genauso wichtig wie der Workshop selbst, weil es durch den | |
Austausch der Hefte zu einer geteilten Erfahrung wird. Und zu einem | |
Schaffensprozess, der gerade auch denen Kraft und Mut vermittelt, die sonst | |
eher am Rande stehen: schlimmstenfalls in der Gesellschaft, mindestens aber | |
im elitären Kunst- und Kulturbetrieb. | |
In diesen Heften und Faltblättern treffen unterschiedlichste Erzählweisen | |
und Inhalte aufeinander: So entstand in Ägypten beispielsweise ein vier | |
Panel langer Strip, der ein Auto auf der Fahrt in den Sonnenuntergang | |
verfolgt, bis es unvermittelt von einem Felsblock zermatscht wird. Ähnlich | |
bedeutungsschwanger verarbeiten andere ihre Schreibblockade oder zoomen vom | |
Blick auf die exotische Skyline der Wüstenstadt direkt in eine | |
Mc-Donalds-Filiale, wie sie fast überall auf der Welt herumstehen. Ein | |
Miniheft aus Bremen erzählt mit herzerweichender Banalität vom Coming-out | |
seines schwulen Zeichners. | |
Hemmer selbst ist Profi, hat an der Anthologie „Comic Culture Clash“ | |
mitgearbeitet, die von taz über Tagesspiegel bis zu FAZ und Deutschlandfunk | |
positiv besprochen wurde. Den Workshop-Zines ist hingegen anzusehen, wie | |
behutsam Hemmer seine Teilnehmer*innen auch in Ruhe lassen kann. | |
In der Gruppe und in Zweiergesprächen vermittelt er Techniken und hilft den | |
Jugendlichen eben nur dabei, das zu zeichnen, was sie bewegt – und so, wie | |
sie selbst es zeichnen wollen. Darum beeindrucken diese Hefte durch | |
radikale Subjektivität und ungeschliffenen Witz. Und bergen auch wirklich | |
Wichtiges: sonst schwer zugängliche Erfahrungen aus sonst schwer | |
zugänglichen Leben. | |
[1][www.afurnishedsoul.info] | |
17 Aug 2019 | |
## LINKS | |
[1] http://www.afurnishedsoul.info/ | |
## AUTOREN | |
Jan-Paul Koopmann | |
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