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# taz.de -- Kommentar von Ralf Pauli zu der bevorstehenden Bafägerhöhung: Zum…
Wenn der Bundestag am heutigen Donnerstag über die lange versprochene
Bafögreform der Bundesregierung entscheidet, dann stimmt er damit nicht
allein über die Höhe der neuen Beitragssätze oder der geänderten
Freibeträge ab, sondern auch über eine Frage, die für viele junge Menschen
im Land den Ausschlag für oder wider ein Hochschulstudium gibt: und zwar,
ob man vom Bafög leben können soll. Die Antwort liefert die Große Koalition
in dem 60-seitigen Änderungsantrag gleich mit: Nein! Und das ist ein
fatales Signal.
Um nicht missverstanden zu werden: Es gibt gute Gründe für einen Job neben
der Uni – Stichwort Berufserfahrung, Kontakte knüpfen, das Gefühl der
Selbstständigkeit. Nur geht das Bafögsystem von einer irrigen Grundannahme
aus: dass Studierende sich „in Vollzeit“ um ihr Studium kümmern. Die
Realität aber sieht anders aus, und das scheint bei Bildungsministerin Anja
Karliczek (CDU) nicht angekommen zu sein. Schon jetzt müssen zwei von drei
Studierenden nebenher jobben, auch weil viele kein oder zu wenig Bafög
erhalten. Und die Jobberquote nimmt seit Jahren stetig zu. Das wirkt sich
auf die Studienzeiten aus. Gerade mal 37 Prozent der Studierenden beenden
ihr Studium heute in der Regelstudienzeit – wer das nicht schafft, bekommt
nur im Ausnahmefall weiter Bafög. Für viele heißt es dann ausgerechnet im
Uni-Endspurt, neben dem Prüfungswahn Geld verdienen zu müssen – außer
natürlich, wenn Papa und Mama zahlen.
Die finanziellen Zwänge für viele Studierende werden leider aber auch nach
der Bafögerhöhung bleiben. Zwar bekommen Bafögempfänger ab dem kommenden
Wintersemester etwa einen satten Aufschlag auf die Wohnpauschale (325 Euro
statt bisher 250 Euro). Der durchschnittliche WG-Zimmer-Preis in deutschen
Studentenstädten lag im vergangenen Jahr mit 363 Euro bereits deutlich
darüber – und da sind Metropolen wie Friedberg, Reutlingen oder Vechta
mitgerechnet. Man kann sich leicht ausmalen, dass bis zum Ende der
Legislaturperiode, wenn die Bafögreform voll greift, die Wohnpauschale in
München, Frankfurt oder Hamburg nur die halbe Miete sein wird.
Die Bundesregierung hat mit der Bafögreform eine Trendwende versprochen.
Sie meint damit, dass sie den jahrelangen Sinkflug der Zahl der
Bafögempfänger aufhalten will. Es ist ihr zu wünschen, dass ihr das
gelingt. Höhere Freibeträge beim Einkommen der Eltern und die Aussicht auf
Schuldenerlass, wenn man nach dem Studium wenig verdient, könnte wirklich
wieder mehr Studierende dem Bafög zutreiben. Doch dem Trend, dass sich das
Leben in den Städten schnell verteuert, setzt sie zu wenig entgegen. Dafür
hinken die Verbesserungen den Preis- und Mietenentwicklungen zu stark
hinterher.
Dabei gäbe es dagegen durchaus Rezepte: die automatische Anpassung der
Bafögzahlungen etwa, auch einen standortabhängigen Mietzuschuss. Die hat
die Bundesregierung geflissentlich ignoriert.
16 May 2019
## AUTOREN
Ralf Pauli
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