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# taz.de -- Falten und Knicke
> Polka Dots, große Tücher, die lose an die Wand gepinnt werden, und
> planmäßig beschädigte Bilder:Zum Gallery Weekend ist von Kim Yong-Ik die
> Ausstellung „This is not the answer“ bei Barbara Wien zu sehen
Bild: Kim Yong-Ik, „Endless Drawing“
Von Brigitte Werneburg
Er gehört zu den Künstlern, die immer wieder an ihre Arbeiten zurückkehren,
die sich Werke, die sie schon als fertig erachteten, noch einmal vornehmen:
Kim Yong-Ik, 1947 in Seoul, Korea, geboren. Es kann also sein, dass eine
1974 begonnene Arbeit noch 2010 (vorläufig) letzte Ergänzungen erfährt. Er
scheint es zu mögen, noch nicht ganz angekommen zu sein.
Daran aber liegt es nicht, dass der 72-jährige Künstler in Südkorea – und
erst recht international – wenig bekannt ist. Die Ursache liegt vielmehr
darin, dass er 1981, als er zur 1st Young Artists Exhibition im
Nationalmuseum für moderne und zeitgenössische Kunst in Seoul eingeladen
war, seine Arbeit im Museum einfach abstellte und sich weigerte, sie aus
der Transportkiste auszupacken. Die ikonoklastische Geste, die sich gegen
die gesellschaftliche Unterdrückung durch die damals in Südkorea
herrschende Militärdiktatur richtete, stieß auf blankes Unverständnis.
Zu diesem Zeitpunkt war Kim Yong-Ik der kommende Künstlerstar. Seine Mitte
der 1970er Jahre begonnene Serie Plane Objects hatte ihn bekannt gemacht.
Wie jetzt bei Barbara Wien zu sehen ist, die zum Gallery Weekend seine
erste Einzelausstellung in Deutschland eröffnet, handelt es sich bei den
Plane Objects um große Tücher, die lose an die Wand gepinnt werden, wobei
sie sich teilweise auch einmal überlappen.
Die nicht weiter bearbeiteten quadratischen oder rechteckigen Tücher sind
an einigen Stellen mit Farbe aus der Sprühdose markiert, sie weisen Falten
und Knicke auf und sie hängen auch mal von der Wand bis auf den Boden, wo
sie schmutzig werden können.
In westlicher Perspektive würde man vom Ausstieg aus dem Bild sprechen.
Indem Kim Yong-Ik die straff gespannte Leinwand der Malerei vom Rahmen
löste und sie umstandslos und unaufwändig ins Dreidimensionale fallen ließ,
entwickelte er – um mit Lucio Fontana zu sprechen – sein „concetto
spaziale“, also sein „räumliches Konzept“ der Malerei.
In diesem Zusammenhang ist es interessant, vom Künstler zu erfahren, dass
die Polka Dots, Kennzeichen seiner in den 1990er Jahren begonnenen Serie
„Closer … Come Closer …“, durch ganz konkrete Löcher inspiriert wurden…
den 1980er Jahren stellte Kim Yong-Ik Holztafeln im Stil der geometrischen
Abstraktion her, die er allerdings als beschädigt zeigen wollte. Zu diesem
Zweck stanzte er Löcher in die Platten. Auch hier korrelierte der
ikonoklastische Akt mit der Öffnung des Bildes in den Raum.
Später kam er, wie er in einem Interview sagt, wieder auf die
zweidimensionale Fläche zurück, auf der seine Löcher nun im Form farbiger,
regelmäßig gesetzter Polka Dots erschienen. Dabei ergaben sie, wie der
Künstler erkannte, ein perfektes Raster und gingen mit der Sprache des
Modernismus konform. Kein Gegner des Modernismus, war es Kim Yong-Ik
trotzdem ein Anliegen, zu ihm auf analytische Distanz zu gehen. Also
verunreinigte und beschädigte er seine Bilder, stellte sie ins Freie und
überließ sie der Witterung, bis er sie wieder hineinnahm ins Studio und
dort weiter bearbeitete. Sei es mit Pflanzensaft, sei es mit dem in die
Ecke gekehrten Dreck und Staub.
Dass Kim Yong-Ik nun in Berlin zu sehen ist, heißt, dass sein Stern wieder
aufgeht, seine Bedeutung als Künstler in Korea längst schon wieder erkannt
wird, und er von Kukje, einer großen Galerie in Seoul, vertreten wird. Das
zeichnet denn auch das Gallery Weekend aus: anders als auf teuren Messen,
wo das Bekannte und Abgesicherte die Kojen beherrscht, aus ökonomischen
Gründen beherrschen muss, können die Galerien hier riskanter operieren und
künstlerische Positionen vorstellen, die noch ein wenig vom Abenteuer des
Entdeckens wissen.
Der Raum, das sei noch zuletzt angemerkt, ist heute mehr denn je Ziel
seiner Kunst. Es ist der Raum der Öffentlichkeit, den Kim Yong-Ik, der
eigentlich stille Rebell der koreanischen Kunstwelt, sucht, indem er sich
seit den 2000er Jahren ebenso für alternative Projekträume engagiert, wie
er partizipative Kunstaktionen initiiert. Thema ist dabei die Zerstörung
der Umwelt auf lokaler Ebene wie die Klimaerwärmung auf globaler. Und
insoweit er etwa 360 imaginäre Akupunkturpunkte in der Wüste Gobi
installiert, um der Erde neue Stärke zu geben, ist er nicht nur Teil des
ökologischen, sondern auch des postkolonialen Diskurses.
Bis 27. Juli, Barbara Wien, Schöneberger Ufer 65, Gallery Weekend, Fr.
18–21 Uhr; Sa., So. 11–19 Uhr, sonst Di.–Fr. 13–18 Uhr, Sa. 12–18 Uhr
25 Apr 2019
## AUTOREN
Brigitte Werneburg
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