# taz.de -- Schule der Superreichen | |
> Der hannoversche Filmemacher Radek Wegrzyn hat in seiner Doku „Die Schule | |
> auf dem Zauberberg“ ein Schweizer Eliteinternat porträtiert | |
Bild: Ganz normale Schüler, nur ein bisschen reicher: Yagiz und Berk | |
Von Wilfried Hippen | |
Ob der nordkoreanische Machthaber Kim Jong-un in der Schweiz zur Schule | |
ging, ist umstritten. Unwahrscheinlich ist es aber nicht, denn in der | |
Schweiz sind die fünf exklusivsten Eliteinternate für die Kinder der | |
Superreichen und Mächtigen beheimatet, und ein etwas pummeliger Koreaner | |
würde etwa unter den Schülern der Leysin American School kaum auffallen. | |
Das jährliche Schulgeld dort sind etwa 94.000 Dollar und die soziale | |
Grenzlinie läuft zwischen den Zöglingen von Millionären und Milliardären. | |
So bringt es der Hannoveraner Filmemacher Radek Wegrzyn auf den Punkt, der | |
ein Schuljahr lang in Leysin drehen durfte. Von der großbürgerlichen | |
Eleganz des Romans „Der Zauberberg“ von Thomas Mann ist da allerdings nicht | |
viel zu merken. Der Titel macht neugierig, erfüllt also seinen Zweck, aber | |
er passt nicht wirklich, denn sehr schnell wird deutlich, dass dies eine | |
ganz normale Schule ist – nur eben in einer Luxusausführung. | |
Bei der Einführung am ersten Schultag droht ein Lehrer der Klasse mit den | |
„sieben Todsünden“, von denen die schlimmsten Unpünklichkeit, Faulheit und | |
das Lügen sind, und wenn ein Smartphone bei einer Klausur zu vibrieren | |
anfängt, gilt der Test als nicht bestanden. Ein Lehrer gibt sich große | |
Mühe, in seinem Unterricht etwas von Nachhaltigkeit, dem Ende des Wachstums | |
und alternativen Energien zu vermitteln. Aber im Interview fragt er sich | |
dann doch, ob er nicht nur „reichen Leuten dabei hilft, reich zu bleiben“. | |
Einen Eindruck davon, was dieser Reichtum bedeutet, vermittelt die Szene | |
einer absurden Wohltätigkeitsaktion, auf der die Schüler dazu ermuntert | |
werden, bei einer Auktion Geld für ein Waisenhaus in Simbabwe auszugeben. | |
Versteigert wird ein Nachmittag mit dem Internatshund oder eine Packung | |
Schokokekse, für die schließlich 950 Dollar gezahlt werden. | |
Dass auch die Anonymität ein Luxusgut ist, wussten natürlich auch einige | |
von den Schüler*innen oder deren Eltern. Deshalb durfte das Team nicht alle | |
Jugendlichen erkenntlich abbilden und maskierte einige von ihnen mit | |
digitalen Gesichtern von Pandabären. | |
Geplant war offensichtlich, eine Handvoll von Protagonisten das Schuljahr | |
über zu begleiten. Sie stellen sich in kurzen Gesprächssequenzen vor. Aber | |
Owani aus Niger, Ana aus Brasilien und Phil, der von sich sagt, dass er aus | |
Thailand, Neuseeland und Japan kommt, waren entweder nichtssagend normal | |
oder so schlau, dass sie sich von den Filmemachern nicht in die Karten | |
schauen ließen. Da hilft es dann auch nicht weiter, wenn Phil ein paar | |
Übungen in seiner asiatischen Schwertkämpferrüstung vorführt und Ana auf | |
einen der Schweizer Berge mehr hinaufgeschoben wird als dass sie | |
hinaufwandert. | |
Sie alle tauchen nur einmal auf. Denn Wegrzyn hat einen Protagonisten | |
gefunden, der den Film ganz allein trägt. Vielleicht hat der Filmemacher | |
diese Dramaturgie erst am Schneidetisch entwickelt, immerhin hatte er seine | |
vier Kameramänner 400 Stunden Filmmaterial drehen lassen. Gefunden hat er | |
darin eine gute Geschichte, die von Berk Dural, der dramatisch geschickt | |
dadurch eingeführt wird, dass er nicht da ist. Als Einziger fehlt er bei | |
der Einführungslektion seines Klassenlehrers mit den „sieben Todsünden“, | |
denn er kommt erst eine Woche nach Schulbeginn. | |
Berk ist ein schlechter Schüler, unkonzentriert, faul und offensichtlich | |
nicht glücklich auf der Schule. Er möchte eigentlich nur mit seinen beiden | |
Freunden in Istanbul das Leben genießen, aber sein Vater will, dass er noch | |
erfolgreicher, klüger und reicher wird als er selbst. Er ist der typische | |
strenge Vater, der sich seinen Reichtum selbst erarbeitet hat und nicht | |
versteht, warum sein Sohn kein Interesse an all dem hat, sondern lieber | |
eine Bar eröffnen will. Das hat dann schon etwas von Thomas Mann, aber | |
nicht vom „Zauberberg“, sondern von den „Buddenbrooks“. | |
In Istanbul ist Berk glücklich und entspannt. Wegrzyn hat ihn auch dort | |
beim Feiern und unter den missbilligenden Blicken des Vaters gefilmt. In | |
der Schweiz wirkt er zugleich gehetzt und lethargisch. Im Unterricht ist er | |
heillos überfordert und von der ersten Woche an sind seine Lehrer durch ihn | |
im Krisenmodus, denn bei diesem hohen Schulgeld dürfte es eigentlich keine | |
Schulversager geben. | |
So versuchen die Lehrerinnen und Lehrer alles und bleiben dabei stets | |
freundlich und positiv. Schließlich bekommt er einen „Mentor“: den | |
Theaterlehrer an seiner Schule, der „viel kostet“, aber das ist ja kein | |
Thema. Bei den Hausaufgaben ist der Privatlehrer keine große Hilfe (als er | |
Berk fragt, ob er seine Hausaufgaben gemacht hat, müssen beide lachen). | |
Aber er überredet ihn dazu, in der Schulinszenierung eines Musicals | |
mitzuspielen. Dabei ist er ebenfalls auf eine anrührende Weise schlecht und | |
langsam wächst einem Berk mit seiner Radikalität als Totalverweigerer ans | |
Herz. Irgendwann sperrt ihm der Vater die Kreditkarte, dann sieht man ihn | |
in einem Imbiss Hamburger braten. Und dies sind die einzigen Momente in der | |
Schweiz, in denen er im Film zufrieden wirkt | |
Aber auch die Arbeiten am Film machten ihm ganz offensichtlich eine Menge | |
Spaß. Er vertraute dem kleinen Filmteam und ließ eine erstaunliche Nähe zu. | |
Immerhin scheitert er ja so gut wie immer und sieht dabei selten gut aus. | |
Nur die Premiere des Musicals scheint er zu meistern. Aber sein Vater, der | |
dafür ja immerhin extra angereist ist, bleibt auch beim Feiern hinter der | |
Bühne distanziert. | |
Einmal sagt Berk, dass er zu dem einen Prozent der Weltbevölkerung gehöre, | |
das den größten Teil des Reichtums und der Macht unter sich aufteile. Aber | |
er sagt auch, er könne es „nicht akzeptieren, dass meine Eltern mich nicht | |
lieben“. Natürlich fällt er bei der Abschlussprüfung durch und natürlich | |
findet die Schule noch einen Schleichweg, um ihn dennoch das Schuljahr | |
erfolgreich abschließen zu lassen. Auf dem Zauberberg bleibt keiner sitzen. | |
28 Feb 2019 | |
## AUTOREN | |
Wilfried Hippen | |
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