# taz.de -- „Ein Symbol für viele Missstände“ | |
> Grünen-Parlamentarierin und Mietexpertin Katrin Schmidberger hält | |
> Volksbegehren gegen Deutsche Wohnen für gerechtfertigt | |
Bild: Mieter und Mieterinnen von der Karl-Marx-Allee protestieren im Dezember 2… | |
Von Stefan Alberti | |
taz: Frau Schmidberger, trägt die Deutsche Wohnen zu Recht den Titel | |
„Unbeliebtester Vermieter der Stadt“? Finanzsenator Matthias Kollatz von | |
der SPD hat sie jetzt so genannt. | |
Katrin Schmidberger: Ja. Wobei ich immer sage: Wir haben viele | |
Wohnungsunternehmen in Berlin, die ähnliche Methoden anwenden. | |
Ähnliche Methoden – was macht denn die Deutsche Wohnen samt Konsorten | |
konkret, um sich den Titel zu verdienen? | |
Da reicht die Liste von überhöhten Mieterhöhungen bis zur Unterlassung von | |
Instandsetzungen und überteuerter Modernisierung. Oft auch mit rechtlich | |
fragwürdigen Methoden. Da hat sich die Deutsche Wohnen als größter Anbieter | |
mit ihren 110.000 Wohnungen in Berlin über viele Jahre schon einen Ruf | |
erarbeitet. Es ist ja schon bezeichnend, dass so viele Menschen aus so | |
vielen Bezirken sich an uns wenden, verzweifelt von ihren Sorgen mit der | |
Deutsche Wohnen berichten und um Unterstützung bitten. | |
In der Karl-Marx-Allee genügte im November schon die Ankündigung, die so | |
schlecht beleumundete Deutsche Wohnen würde mehrere Hundert Wohnungen | |
übernehmen, um viele Mieter auf die Barrikaden zu bringen. | |
Das wundert mich nicht. Die Deutsche Wohnen war mit ihrem Chef, Herrn Zahn, | |
auch schon öfter bei uns im Stadtentwicklungsausschuss im Parlament und hat | |
dabei nie eine Bereitschaft signalisiert, von ihrer bisherigen | |
Geschäftspolitik abzurücken. | |
Die Sie wie definieren würden? | |
So viel Profit aus ihren Wohnungen wie möglich herauszupressen, egal ob der | |
jetzige Mieter das zahlen kann oder nicht. Die Deutsche Wohnen ist ein | |
Symbol für viele Missstände in der deutschen Wohnungspolitik. Im Grunde | |
personifiziert sie ein ungerechtes Mietrecht, das der Gewinnmaximierung und | |
Spekulation mit Wohnraum nicht klare Grenzen setzt. Aber darüber | |
entscheidet leider der Bundestag, nicht das Abgeordnetenhaus. Von daher ist | |
es nur verständlich, dass die Leute anfangen, sich zu wehren … | |
Sie meinen das Volksbegehren „Deutsche Wohnen & Co. enteignen“, für das die | |
Sammlung von Unterstützerunterschriften im April starten soll. Wie stehen | |
Sie, wie steht die Grünen-Fraktion dazu? Die Linkspartei hat bereits | |
beschlossen, das Volksbegehren zu unterstützen. | |
Wir finden, dass das Volksbegehren eine sehr wichtige und dringend | |
notwendige Debatte anstößt. Vermieter haben eine soziale Verpflichtung und | |
müssen sich an Regeln halten. Wir müssen alle zur Verfügung stehenden | |
Mittel gegen Wohnungsnot und zunehmende Spekulation nutzen … | |
Nämlich? | |
Milieuschutz, Vorkaufsrecht, eine schlagkräftige Bauaufsicht durch | |
ausreichend Personal in den Bezirksämtern, Neubau – und im Zweifelsfall | |
eben auch die Enteignung. Aber, als rot-rot-grüne Landesregierung dürfen | |
wir nicht warten, bis ein Volksbegehren kommt. Wir können jetzt schon | |
handeln, schließlich wurden wir auch dafür gewählt, eine andere | |
Wohnungspolitik zu machen. | |
Nicht warten, sondern was tun? | |
Wer sich in der Regierung an die Spitze der Bewegung stellt, der muss auch | |
für die politische Umsetzung sorgen, also sagen, wie das Volksbegehren | |
rechtssicher umgesetzt werden kann. | |
Sie meinen die Linkspartei mit ihrem Parteitagsbeschluss? | |
Genau. Den Worten müssen auch Taten folgen. Senatorin Lompscher ist nun in | |
der Pflicht, schon mal eine entsprechende Gesetzesvorlage zu erarbeiten. | |
Eine Entschädigung für eine Enteignung würde viele Milliarden kosten – | |
Milliarden, die dann nicht für Neubau, Schulen, Bus und Bahn oder Polizei | |
zur Verfügung stünden, Dinge, für die auch die Grünen mehr Geld ausgeben | |
wollen. Wie passt das zusammen? | |
Ich sehe das Volksbegehren als Baustein und langfristige Maßnahme auf dem | |
Weg zu Rekommunalisierung. Unser Vorbild ist Wien, wo 60 Prozent aller | |
Wohnungen gemeinwohlorientiert ausgerichtet sind – in Berlin sind es nur 30 | |
Prozent. | |
Langfristig enteignen? Wie soll das gehen? | |
Rekommunalisierung ist keine Enteignung. Es wird doch nicht so laufen, dass | |
von heute auf morgen jede einzelne Wohnung der Deutsche Wohnen und anderer | |
Großvermieter an das Land Berlin übertragen wird oder – wie es der | |
Regierende Bürgermeister angekündigt hat – zurückgekauft wird. Wir fangen | |
ja gerade erst an, zu diskutieren, welche rechtlichen und finanziellen | |
Hürden es gibt und wie sich der Vorschlag der Initiative praktisch | |
umsetzen ließe. Mit dem Volksbegehren betreten wir ja juristisch wie | |
politisch Neuland. | |
Nun hat aber der Finanzsenator am Dienstag klargemacht, dass aus seiner | |
Sicht eine Enteignung oder ein massenhafter Rückkauf vom Land Berlin nicht | |
zu bezahlen ist. Wie soll das also zu finanzieren sein? | |
Das müssen wir in der Koalition jetzt diskutieren. Die Erhöhung des | |
öffentlichen Wohnungsbestands auf 400.000 Wohnungen steht immerhin im | |
Koalitionsvertrag. Der soziale Frieden in unserer Stadt sollte uns allen | |
viel wert sein. Außerdem muss ja nicht das Land Berlin alle privaten | |
Wohnungsbestände übernehmen – es gibt auch genug gemeinwohlorientierte | |
Bauträger, Stiftungen und Genossenschaften, die wir als Verbündete stärker | |
einbinden müssen. | |
17 Jan 2019 | |
## AUTOREN | |
Stefan Alberti | |
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