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# taz.de -- Internationale Behörden machen Jagd auf die Mafia
> 4.000 Kilo Kokain, rund 90 Festnahmen, Hunderte Beamte sind im Einsatz:
> Am Mittwoch liefen Razzien in Europa und in Südamerika gegen die
> organisierte Kriminalität
Von Tanja Tricarico
„Pollino“ schlägt um vier Uhr morgens zu. Die Ermittler der Aktion mit dem
Codewort, das an den Namen des größten italienischen Nationalparks
erinnert, gingen am Mittwoch in Deutschland, Italien, den Niederlanden und
Belgien gegen die Mafia-Organisation ’Ndrangheta vor. Rund 90 Personen
wurden insgesamt in den Ländern festgenommen, allein 14 Tatverdächtige in
Deutschland. Sechs davon wurden per Haftbefehl in Italien, Belgien und den
Niederlande gesucht. Bei den Razzien waren mehrere hundert Beamte im
Einsatz.
Die Aktion gilt als eine der größten der vergangenen Jahre. Seit 2015
ermittelten die italienischen Behörden, um nun zuschlagen zu können.
Unterstützt wurden sie laut der europäischen Justizbehörde Eurojust in Den
Haag seit 2016 von Polizei und Staatsanwaltschaften aus verschiedenen
EU-Staaten, darunter auch Deutschland.
Nach Angaben des niederländischen Staatsanwalts Fred Westerbeke begannen
die Ermittlungen, nachdem bei zwei italienischen Restaurants im Süden der
Niederlande der Verdacht von Geldwäsche aufgekommen war. Dabei seien
kriminelle Verbindungen nach Deutschland und Kalabrien entdeckt worden.
Dank der weit verzweigten Verbindungen der ’Ndrangheta seien Drogen in die
Häfen von Rotterdam in den Niederlanden und Antwerpen in Belgien
geschmuggelt und von dort in ganz Europa weiterverkauft worden. Westerbeke
sagte, es habe auch Razzien in Surinam gegeben, einer früheren
niederländischen Kolonie in Südamerika.
Schwerpunkt der Durchsuchungen in Deutschland waren das Rheinland, das
Ruhrgebiet sowie Bayern. Hier wurden zahlreiche Wohnungen und Gaststätten
von der Bundespolizei und den Landespolizeibehörden durchsucht. Auch die
Anti-Terroreinheit GSG 9 war im Einsatz. An den Operationen seien rund 440
Beamte beteiligt gewesen, sagte Christian Hoppe, Leitender Kriminaldirektor
des Bundeskriminalamts (BKA). Die Ermittlungen gehen derzeit weiter.
Die Behörden wollen mit ihrer Aktion vor allem ein internationales
Drogennetzwerk auffliegen lassen. Bekannt ist seit Langem, dass die
’Ndrangheta in Deutschland mafiöse Strukturen aufgebaut hat und den
Kokainhandel aus Lateinamerika koordiniert. Rund 4.000 Kilo Kokain sowie
eine erhebliche Menge an Ecstasy wurden beschlagnahmt. Das
Bundeskriminalamt geht davon aus, dass die durch den Drogenhandel illegal
erworbenen Gelder dazu verwendet werden, in Deutschland Immobilien zu
kaufen, darunter Restaurants, die zu Geldwäschezwecken erworben und wieder
abgestoßen werden. Zudem geht es um rund 5 Millionen Euro, die ebenfalls
sichergestellt werden konnten. Die Ermittler wurden zudem bei Luxuswaren
und Autos fündig, die vermutlich als Kurierfahrzeuge eingesetzt werden.
Laut dem Mafia-Experten Sandro Mattioli ist nur wenig bekannt über die
Finanzierungsströme der ’Ndrangheta. Keine Unternehmensbranche könne
ausgeschlossen werden, sagt er. Klar sei aber, dass mit dem
Gastarbeiteranwerbevertrag in den 1950er Jahren die ersten Mafiosi nach
Deutschland kamen und die Bundesrepublik seitdem als äußerst lukratives
Geschäftsfeld gilt. Die Machenschaften der Mafia hätten heute zudem nur
wenig mit dem Eintreiben von Schutzgeld zu tun, sondern vielmehr mit dem
globalen Geschäft. Die Organisation agiert im Verborgenen, taucht in der
Öffentlichkeit nicht auf. Nach Zahlen des Bundeskriminalamts von April
dieses Jahres gehörten von insgesamt 585 bekannten Mafiamitgliedern in
Deutschland 344 der kalabrischen Organisation an.
Die ’Ndrangheta hat ihren Ursprung im süditalienischen Kalabrien, doch die
Organisation hat ihre kriminellen Machenschaften längst auf ganz Italien
und ins Ausland ausgeweitet. In Italien hat sie gar den Mafiaorganisationen
Cosa Nostra aus Sizilien und Camorra aus Neapel den Rang abgelaufen. Nach
Angaben der italienischen Behörden ist die ’Ndrangheta die einzige
Mafiaorganisation, die auf allen Kontinenten präsent ist. Der italienischen
Polizei war erst am Dienstag ein Schlag gegen die sizilianische
Mafiaorganisation Cosa Nostra gelungen: Sie nahm deren neuen Chef Settimino
Mineo sowie mindestens 45 weitere Verdächtige fest.
Deutsche Behördenvertreter nutzten den Schlag gegen die organisierte
Kriminalität, um ihre Forderung nach der Vorratsdatenspeicherung oder
Maßnahmen zur akustischen Raumüberwachung zu erneuern. Da solche
Überwachungsmöglichkeiten fehlten, sei eine Verfolgung der Tatverdächtigen
schwierig. (mit dpa, ap)
meinung + diskussion
6 Dec 2018
## AUTOREN
Tanja Tricarico
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