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# taz.de -- Alles verschlüsselt
> Wenn Malerei in den Raum wächst: Thomas Scheibitz versucht sich als
> vierter Künstler am Kesselhaus der Kindl-Brauerei
Bild: Thomas Scheibitz „Plateau mit Halbfigur“, 2018, verschiedene Material…
Von Beate Scheder
Der Blick geht nach oben. Klar, wohin sonst bei einem Raum von 20 Meter
Höhe? Das Kesselhaus der Neuköllner Kindl-Brauerei ist ein irrer Spielplatz
für die Kunst, eine großartige Herausforderung und Zumutung zugleich. Der
Erste, der sich dieser 2014 stellte, war Roman Signer. Der Schweizer
Bildhauer hängte ein Flugzeug kopfunter von der Decke. Zwei Jahre später
füllte David Claerbout den Raum mit einer Leinwand für sein Mammutprojekt
Olympia; 2017 baute Haegue Yang eine hängende, transparente Konstruktion
aus Jalousien hinein. Allesamt waren es Arbeiten, die speziell für das
Kesselhaus entstanden, für einen Ort, wo früher Bier gebraut wurde und
heute – wenn man so will – Gedanken.
Dort luden die Werke jeweils lange genug ein, um von allen Seiten und bei
unterschiedlichen Witterungs- und Lichtverhältnissen betrachtet werden zu
können. So wie jetzt Scheibitz’ Beitrag noch bis Mitte Mai 2019. Thomas
Scheibitz ist der Vierte in der Reihe, kuratiert von Andreas Fiedler. Auch
ihm wurde weitgehend freie Hand gelassen. Einzige Vorgabe: Er sollte eine
Skulptur bauen, die auf dem Boden steht.
Da steht sie nun also, „Plateau mit Halbfigur“ betitelt. Es ist die größte
Arbeit, die Scheibitz je angefertigt hat. Er musste sich von Statikern
beraten lassen, damit jedes der Bauteile, die seine Halbfigur bilden, auch
tatsächlich da bleibt, wo es ist. Aber was soll das überhaupt sein, eine
Halbfigur? Eine nur halb fertige, fragmenthafte Figur, könnte man sagen.
Scheibitz’ Skulpturen verharren irgendwo im Dazwischen, sind nicht wirklich
zwei-, aber auch nicht dreidimensional, was vor allem an ihrer Nähe zu
seiner Malerei liegt. Beide speisen sich aus einem ganz ähnlichen Formen-
und Farbenrepertoire, nicht ganz abstrakt, nicht ganz gegenständlich,
leuchtend wie blass, aber immer mit strengen Konturen.
## Verbergen und sichtbar machen
Hier wie da, in Malerei wie Skulptur, liegt der Fokus auf dem Verbergen und
Sichtbarmachen. Malerisch schichtet Scheibitz Dinge vor- und übereinander,
skulptural macht er das ebenso, nur dass man sich die Chose dann von allen
Seiten, je nach Größe auch von oben und unten, ansehen kann. Im Kesselhaus
fällt das „von oben“ naturgemäß weg. Dafür kann man um das „Plateau�…
„Halbfigur“ herumgehen, um die Elemente wieder auszudifferieren, die
Scheibitz darin aus angestrichenem Holz und verharzter Pappe verbaut hat.
Sie stammen aus seinem bereits seit Jahren bekannten Vokabular an Formen,
nur eben in anderem Maßstab: Tropfen, Gesichter, Buchstaben, Häuser,
Brücken, Stiefel, die man mal mehr, mal weniger als solche erkennt.
Es seien „Dinge die sich am Rande einer Erfindung befinden“, sagt er,
Dinge, die man so noch nie gesehen habe, die einen eine Millisekunde später
aber doch an etwas Bekanntes erinnerten. Es gibt ein bekanntes, gern
wiederholtes Zitat des Künstlers, in dem er behauptet, ein Bild sei für ihn
verloren, sobald man es nacherzählen könne.
Darum geht es ihm offenbar in seiner Kunst: ums Verschlüsseln.
Freundlicherweise ist Scheibitz aber durchaus bereit, seinem Publikum beim
Entschlüsseln zu helfen. Erhellend, zumindest ein Stück weit, ist es, wenn
man den Katalog zur Ausstellung zur Hand nimmt. Momentan ist es nur ein
schmaler Band, ein zweiter soll folgen. Der schon vorliegende bringt einem
den Blick des Malers auf die Dinge näher, auf jene, die ihn zu seiner
Halbfigur inspirierten und ihn im Arbeitsprozess begleiteten. Als da wären
Fotografien von Plattenbauten, Kupferstichen, vom Farbmodell eines
griechischem Tempels, einem halb verfallenen Mauerstück aus der Mostarer
Partisanen-Nekropole und Abbildungen von seinen eigenen Studien, Modellen
und Stellproben auf dem Weg zur Ausstellung. Manches kann man der Arbeit
ansehen, manches nicht, umso besser.
„Things Doing Their Thing“, der Titel der gleichzeitig im Maschinenhaus M2
laufenden Einzelausstellung der Fotografin Kathrin Sonntag, bietet sich als
Kommentar auf Scheibitz’ Arbeit geradezu an. Über die erste institutionelle
Solopräsentation der Künstlerin in Berlin soll an dieser Stelle nicht viel
mehr geschrieben werden, als dass sie unbedingt sehenswert ist, schon gar
in Kombination mit Scheibitz’ Arbeit. Ähnlich und doch ganz anders schauen
die beiden auf die Dinge und ihre Formen und schaffen daraus etwas Neues.
Nachhängen kann man derlei Gedanken übrigens – und das ist trotz Sonntag,
trotz Scheibitz, doch die allerbeste Neuigkeit aus dem Kindl – im Café des
Kunsthauses. Denn dort hat die aus der Karl-Marx-Allee vertriebene Bar
Babette bis Ende des Jahres eine Bleibe gefunden.
Bis 12. Mai 2019: Kindl-Zentrum für zeitgenössische Kunst, Am Sudhaus 3,
Berlin-Neukölln, Mi.–So. 12–18 Uhr
18 Sep 2018
## AUTOREN
Beate Scheder
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