# taz.de -- Das traurige Ende von Heidewood | |
> In Bendestorf in der Lüneburger Heide wurden einst über100 Spielfilme | |
> gedreht. Doch die goldenen Zeiten sind vorbei und jetzt bewahrt nur noch | |
> ein Filmmuseum neben den Trümmern der Produktionshalle das Erbe | |
Bild: Produzentenkino im Filmmuseum: Sogar die alte Holzvertäfelung aus den 50… | |
Von Wilfried Hippen | |
Elvis war in Bremerhaven, aber John Lennon war in Bendestorf. So bezeugt es | |
zumindest der Regieassistent des Films „How I Won The War“, den Richard | |
Lester mit dem Beatle 1967 zum Teil in Norddeutschland drehte – zwar nicht | |
in den Studios von Bendestorf, aber er soll dort geprobt haben. Vielleicht | |
ist es aber auch nur eine von den Legenden, die um diesen Ort gesponnen | |
werden, wie etwa jene, dass Marika Rökk im Dorfgasthaus auf dem Tisch | |
getanzt hat. Ein Ort muss eine Aura haben, damit solche Geschichten | |
glaubwürdig klingen, und die hatte Bendestorf. | |
Direkt nach dem 2. Weltkrieg, als die Alliierten die großen deutschen | |
Filmstudios in den Metropolen Berlin und München zerschlagen wollten, | |
nutzte Rolf Meyer, der für die Ufa und die Tobis Drehbücher geschrieben | |
hatte, die Gunst der Stunde. Er war als Flüchtling mit dem Fahrrad von | |
Berlin in das Heideörtchen gekommen und die englischen Besatzer ernannten | |
ihn prompt zum Bürgermeister. Unter der Zensur der Briten, als Teil von | |
deren Reeducation-Programm schrieb und drehte er dort mit „Zugvögel“ den | |
ersten westdeutschen Spielfilm, der nach 1945 in die Kinos kam. 1947 bekam | |
er eine Lizenz zur Produktion von Spielfilmen und diese waren dann so | |
erfolgreich, dass er auf dem Lande ein großes Filmstudio bauen konnte, das | |
1950 eingeweiht wurde und in dem dann bis 2012 über hundert Spielfilme | |
gedreht wurden. | |
## Das ganze Dorf macht mit | |
Die Blütezeit des Studios war zwischen 1947 und 1952. In diesen Jahren | |
produzierte Meyer 20 abendfüllende Spielfilme mit Titeln wie „Diese Nacht | |
vergess’ich nie“, „Das Fräulein und der Vagabund“ und „Melodie des | |
Schicksals“. Stars wie Zarah Leander, Johannes Heesters, Gustav Fröhlich, | |
Theo Lingen und eben Marika Rökk lebten jeweils für ein paar Wochen in | |
Bendestorf und alle Bewohner arbeiteten als Komparsen. | |
Der berühmteste Film aus dieser Ära war „Die Sünderin“ von Willi Forst, … | |
dem Hildegard Knef für Sekundenbruchteile nackt zu sehen ist (obwohl eine | |
Frau aus Bendestorf behauptet, das wäre ihre Schwester gewesen), und am | |
Schluss des Films Suizid begeht. Der Film sorgte für einen der größten | |
Skandale im Deutschland der 50er-Jahre, aber Meyer und mit ihm ganz | |
Bendestorf profitierte davon. | |
Danach ging es dann aber schnell bergab mit seiner Firma „Junge Film | |
Union“. Die Konkurrenz in Berlin und München wurde übermächtig und Meyer | |
war kein Kaufmann, sondern Künstler. Ein Autounfall, nach welchem er ins | |
Koma fiel, gab ihm den Rest und nachdem er Konkurs gemacht hatte, wurde ihm | |
der Prozess gemacht. Er wurde sogar zwangsweise in ein Krankenhaus | |
eingeliefert, damit dort sein Geisteszustand überprüft werden sollte. | |
Völlig verarmt kehrt er 1962 nach Bendestorf zurück, wo er von Freunden | |
aufgenommen wurde und ein Jahr später starb. Was für ein Filmstoff. | |
In Bendestorf wurden dann noch weiter Filme gemacht, so etwa Peter Lorres | |
einzige Regiearbeit „Der Verlorene“, aber es wurde immer schwieriger, das | |
Studio zu betreiben. Fernsehshows und -serien wurden dort gedreht und als | |
letzte Produktion 2012 Gordian Mauggs „Fritz Lang“ mit Heino Ferch. Danach | |
fand sich kein Investor mehr und es wurde geplant, die Gebäude auf dem | |
Gelände abzureißen. | |
Ein „Freundeskreis Filmmuseum Bendestorf“ mit dem Vorsitzenden Wallfried | |
Malleskat wollte das gesamte Gebäude-Ensemble retten und immerhin errangen | |
sie einen Teilerfolg, denn das frühere Wirtschaftsgebäude des Studios | |
konnte von ihnen gekauft werden, und so gibt es in Bendestorf seit dem | |
Frühjahr 2017 ein neues Filmmuseum. | |
## Ein wenig Glamour | |
Davor war es im engen und dunklen Dachgeschoss eines alten | |
Niedersachsenhauses eher lieblos untergebracht gewesen, aber in den neuen | |
Räumen ist mehr Platz. Vor allem aber spürt man, dass dies, wie man beim | |
Film sagt, der Originalschauplatz ist. Die wichtigste Reliquie des Museums | |
ist das Originaldrehbuch von „Die Sünderin“ und ebenfalls hinter Glas kann | |
man einen weinroten Bademantel mit einem Einschussloch bewundern, den | |
Anthony Perkins 1991 in dem Film „Der Mann nebenan“ trug. Dies war eine der | |
wenigen internationalen Produktionen, die auch in späteren Jahren noch ein | |
wenig Glamour nach Bendestorf brachte. Für Hildegard Knef gibt es im Museum | |
sogar eine Art von Schrein: Als Hologramm soll die Schauspielerin | |
dreidimensional in einem Guckkasten umherschreiten, aber leider | |
funktioniert die wundersame Mechanik noch nicht. | |
In einem Modell des gesamten Studiokomplexes sind mit kleinen Figuren die | |
Dreharbeiten der Nacktszene aus „Die Sünderin“ nachgebaut und an den Wänd… | |
hängen Skizzen des Filmarchitekten Erich Kettelhut, der schon an Langs | |
Metropolis mitgearbeitet hatte und in Bendestorf Szenenbilder für den | |
Revuefilm „Sensation in San Remo“ entworfen hatte. | |
Für alle, die sich für alte Filmtechnik begeistern können, ist das | |
Filmmuseum eine Fundgrube: Es gibt die alten Kameras, Schneidetische, | |
Projektoren und andere Geräte. Das Produzentenkino, also jener Ort, wo die | |
Regisseure und Schauspieler sich jeweils das am Tag gedrehte Filmmaterial | |
ansahen, hat noch die Holzvertäfelung aus den 50er-Jahren. Es gibt neben | |
dem 35-Millimeter-Projektor eine moderne Vorführanlage, es können also auch | |
neue Filme digital projiziert werden. Das Filmmuseum hat donnerstags und | |
sonntags nachmittags für zwei Stunden geöffnet. | |
Die große Studiohalle wurde im April dieses Jahres abgerissen. Man hatte es | |
plötzlich eilig damit, weil sonst Fledermäuse dort zu brüten angefangen | |
hätten, dann hätte es einen Baustopp gegeben. Geplant sind dort 30 | |
Luxuswohnungen, jetzt erinnert an die Traumfabrik nur noch ein riesiger | |
Trümmerhaufen. | |
12 Jul 2018 | |
## AUTOREN | |
Wilfried Hippen | |
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