# taz.de -- Nach den Wahlen in der Türkei: Eine dicke Überraschung von rechts | |
> Die Rechtsextremen und Ultranationalisten haben bei den Parlamentswahlen | |
> in der Türkei erstaunliche Stimmenzuwächse bekommen. Warum? | |
Bild: Dass die MHP die Zehn-Prozent-Hürde geschafft hat, war für viele eine �… | |
Die Rechten kommen – das wäre einer der ersten Schlüsse aus den | |
Türkeiwahlen vom Sonntag. Mit 11,1 Prozent hat es auf der einen Seite die | |
traditionelle Partei der Rechtsextremen, die MHP („Partei der Nationalen | |
Bewegung“), ins Parlament geschafft. Dank der Allianz mit anderen | |
Oppositionsparteien schaffte es die erst im Oktober 2017 gegründete İyi | |
Parti („Gute Partei“) trotz Zehnprozenthürde mit 9,95 Prozent der Stimmen | |
ins Parlament. Die beiden nationalistischen Parteien kommen so zusammen auf | |
über 21 Prozent. | |
Warum haben so viele Menschen in der Türkei rechts und national gewählt? | |
Und das, obwohl im Vorfeld viele Meinungsforschungsinstitute der MHP | |
querbeet – trotz treuer Anhängerschaft – nur einen Stimmenanteil von etwa 8 | |
Prozent prognostiziert hatten? Der Rest dieser nationalistischen Stimmen, | |
da waren sich die Meinungsforscher sicher, würde an ihre abtrünnige | |
Schwester Iyi Parti mit der charismatischen Präsidentschaftskandidatin | |
Meral Akşener gehen. | |
Doch nachdem die größte Oppositionspartei, die kemalistische CHP, mit | |
Muharrem Ince einen eigenen Kandidaten aufstellte, und der sich zum großen | |
Widersacher von Staatspräsident Erdogan aufschwang, waren die Aussichten | |
der Hardlinerin auf den Präsidentschaftsposten nicht mehr so rosig. Akşener | |
war von 1996 bis 1997 Innenministerin und ist als Hardlinerin bekannt. | |
Wegen erheblicher Differenzen mit dem 70-jährigen Parteivorsitzenden Devlet | |
Bahçeli wandelte die einstige MHP-Politikerin sich zu einer der größten | |
Kritikerinnen der AKP. | |
Und war damit immer noch auf Parteilinie. Die MHP, die die Politik des | |
„Eine Nation, eine Sprache, ein Volk, eine Religion“ verfolgt, war ein | |
entschiedener Gegner der Friedensgespräche mit der PKK, die im Frühjahr | |
2013 begonnen hatten. Erst mit Abbruch der Gespräche im Sommer 2015 hat | |
sich die MHP zum „Ersatzrad“, wie sie die Oppositionellen in der Türkei | |
nannten, entwickelt. | |
## Keine Widerrede | |
Ihr Führer Bahçeli, der die Partei autoritär führt und keine Widerrede | |
duldet, war es auch, der die Neuwahlen noch in diesem Jahr ausrief, obwohl | |
sie erst für das kommende Jahr angesetzt waren. Seit November 2015, seitdem | |
die Ultranationalisten mit der AKP koalieren, sind die kritischen Stimmen | |
aus der MHP zur İyi Parti gewechselt. | |
Der Politikberater Kemal Özkiraz sah bereits im Vorfeld, dass die | |
Wählerschaft der MHP erhalten bleiben und die Partei nicht unter die | |
Zehnprozenthürde fallen würde. Özkiraz glaubt, dass die Wähler*innen | |
zwischen den klassischen AKP-Wählern und der MHP eine große Schnittmenge | |
bilden. „Das sind die National-Konservativen, mehrheitlich sunnitisch, die | |
ihren Unmut über die AKP mit einer noch nationalistischeren Lösung, der MHP | |
finden“, so Özkiraz. | |
Die İyi Parti hätte allerdings noch weitere Stimmen der CHP erhalten, wäre | |
der Kandidat der CHP indes am Ende nicht so erfolgreich gewesen. | |
In Iğdir, einer Stadt in Nordosten des Landes, haben sich die Stimmen für | |
die MHP so verdoppelt (2015: 12,5 Prozent – 2018: 23,9 Prozent). Im | |
Gegenzug verlor die AKP über 11 Prozent und erhielt bei den Wahlen vom | |
Sonntag dort nur noch 20 Prozent. Die İyi Parti hätte sich noch weitere | |
Stimmen der oppositionellen CHP erhalten, wäre der Kandidat der CHP auf den | |
letzten Metern nicht so erfolgreich gewesen. | |
25 Jun 2018 | |
## AUTOREN | |
Ebru Tasdemir | |
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