# taz.de -- „Eine Feier für das Positive“ | |
> Aus dem kosmischen Horror Howard Philip Lovecrafts entwickelt Levin | |
> Handschuh im Schlachthof eine Performance-Party – mit DJ Lady Oelectric | |
> und der Hamburger Impro-Theatergruppe Das Elbe vom Ei | |
Bild: DJ Lady Oelectric verleiht den Akteur*innen von Das Elbe vom Ei den nöti… | |
Interview Benno Schirrmeister | |
taz: Herr Handschuh, warum ist es sinnvoll, Howard Philips Lovercaft zu | |
inszenieren? | |
Levin Handschuh: Ich bin durchaus ein Anhänger der Theorie aus „Battle Star | |
Galactica“: All this has happened before and will happen again … | |
Also nichts Neues unter der Sonne? | |
Oder so. Besonders bei einem Horror-Autoren finde ich deshalb spannend zu | |
schauen, aus welcher Zeit kommt der – gerade, wenn wie bei Lovecraft die | |
popkulturelle Vereinnahmung auf Hochtouren läuft und immer mehr zunimmt. | |
Die Tentakelmonster gibt es sogar schon als Kuscheltier. Damit wird er | |
nicht gerechnet haben? | |
Sicher nicht. Worauf ich hinaus wollte: H. P. Lovecraft lebte in der Zeit | |
der ersten Red Scare, deren Hundertjähriges ja jetzt auch ansteht: Die | |
Angst vor der Linken und dem Kommunismus geht einher mit einer riesigen | |
Angst vor Überfremdung. Das sind Reaktionen auf eine als überkomplex | |
empfundene Welt. Die Geschichten von Lovecraft scheinen genau das zu | |
verstehen und zu Angstvisionen zu verdichten. | |
Und die brauchen eine Bühne? | |
In Horror verkörpert sich für mich immer etwas, das wir nicht fassen | |
können. Dem geben wir entweder einen Namen, oder wir stellen es auf die | |
Bühne – oder beides. Wir brauchen das, um es zu begreifen. Jetzt haben wir | |
da jemanden, der hat Angst vor dem Fremden, aber eben auch davor, dass die | |
Heimat sich von mir entkoppelt, oder dass ich selber – er beschreibt sich | |
ja selbst als Außenseiter – fremd werde. Diese Entfremdung betrifft uns | |
schon und wird uns immer mehr betreffen. | |
Das heißt, der Rassismus von Lovecraft ist genau das, was ihn so reizvoll | |
macht? | |
Der Rassismus ist tatsächlich eine Äußerung von einer tieferen Angst. | |
Rassismus ist immer so eine einfache Geschichte: Der hat halt Angst vor | |
Schwarzen, na super. Damit ist alles erklärt. | |
Na, das ist bei ihm schon eine mit Arthur-de-Gobineau-Lektüren und anderen | |
Ideologen verfestigte, mit Vererbungslehrversatzstücken | |
parawissenschaftlich aufgepimpte Weltanschauung: Ist er nicht durch und | |
durch Rassist? | |
Doch, sicher, aber es wird interessant in dem Moment, wo ich darin eine | |
Angst vor dem Anderen schlechthin erkenne, die Angst vor dem Eindringen von | |
etwas anderem, das sich auf jeden projizieren lässt: Zu dem Zeitpunkt sind | |
es vielfach die Revolutionsflüchtlinge aus Russland und Südosteuropa, | |
gleichzeitig scheint die Einstein’sche Relativitätstheorie die gesamte | |
Raumvorstellung über den Haufen zu werfen. Dieses Zusammentreffen, das | |
Zusammenspiel von Heimlichem und Unheimlichem, ist für mich die Idee von | |
Cosmic Horror. Das betrifft uns gerade massiv, gerade wenn der | |
Neoliberalismus uns erzählt: Ihr seid alle Einzelkämpfer und sozial sein | |
ist sinnlose Förderung von Schmarotzertum. Das alles macht Lovecraft zu | |
einem Autoren, dessen Aktualität uns noch einholen wird. | |
Bloß wie lässt sich damit – und gerade mit der von Ihnen als Ausgangspunkt | |
gewählten Geschichte „Schatten über Innsmouth“ – arbeiten, ohne den Hor… | |
zu verlieren – und ohne dem Rassismus recht zu geben? | |
Das ist genau und exakt die Frage des Abends. Davor habe ich großen | |
Respekt. Die Innsmouth-Geschichte ist für mich die Tragödie von einem, der | |
ausgezogen ist mit dem im Grunde positiven Gedanken: Wir sind gegen die | |
Nazis. Dieses Innsmouth-Volk macht komische Sachen, die hassen Außenseiter | |
und Neuankömmlinge. Das sind böse Rassisten, die keinen reinlassen. Und | |
genau dieser Kontakt wird es am Ende sein, der den Ich-Erzähler empfänglich | |
macht für eine Form des Faschismus. Tatsächlich spielen wir dabei aber kein | |
Theaterstück … | |
Genau danach wollt’ ich schon fragen, denn dafür das Impro-Ensemble „Das | |
Elbe vom Ei“ zu verpflichten wäre schon eine ziemlich | |
Gegen-den-Strich-Besetzung gewesen. Welche Form wird der Abend „In the | |
Mouth of Fire“ haben? | |
Es wird eine Party. | |
Eine Party zum Thema Angstgesellschaft?! | |
Zu viel verraten möchte ich nicht, aber es hat sich tatsächlich als die | |
Form ergeben, die dafür am besten geeignet ist. Wir erzählen die Geschichte | |
von drei Leuten, die eine Feier für das Positive machen wollen, für | |
Inklusion – und gegen den Fremdenhass, der sich an Orten wie Innsmouth | |
ausgebreitet hat. Die Improgruppe soll das Publikum einladen und ein Stück | |
weit verführen, mit uns genau diese Feier zu begehen, um zu erleben, welche | |
Dynamik sich dabei entfaltet. Wie das Publikum darauf reagiert, ob es sich | |
dem verweigert oder mitmacht und wie weit es dabei geht – das macht die | |
Spannung aus. | |
Also gibt es keine Texte? | |
Doch, natürlich! Ursprünglich war ich von einer Lesung mit DJ ausgegangen … | |
Den Part übernimmt Lady Oelectric? | |
Ja, was gut ist, weil ich selbst von der Neuen Musik herkomme und mit | |
Techno oder Cosmic, wie es in dem Fall richtig heißen muss, gar nichts zu | |
tun habe. Und dabei habe ich gemerkt, wenn man das beides zusammenbringt, | |
Lesung und DJ, dann ergibt das als neue Form – eine Party. Bei der werden | |
Songs zu Texten von Alan Moore vorgetragen und stark bearbeitete, auf die | |
emotionale Essenz reduzierte Lovecraft-Auszüge, in denen Innsmouth nur noch | |
als das ekelhafte, widerwärtige Fischerdorf auftaucht, wo du nicht | |
hinwillst, und die auch dich nicht haben wollen. | |
Klingt eher offen? | |
Ja, es ist ein sehr experimenteller Abend: Das ist die Struktur, mit der | |
wir geprobt haben. Aber was sich daraus mit Publikum entwickelt, wissen wir | |
alle nicht. | |
„In the Mouth of Fire – eine theatrale Discotopie“, nur Sa, 30. 6., und S… | |
1. 7., 20 Uhr, Kulturzentrum Schlachthof, Kesselhalle | |
30 Jun 2018 | |
## AUTOREN | |
Benno Schirrmeister | |
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