# taz.de -- Volle Raumdeckung | |
> Galerie, Wohnzimmer und Künstlerselbstverwaltung: „oqbo“auf der Weddinger | |
> Brunnenstraße feiert zehnjähriges Jubiläum | |
Bild: Farblich gesehen: Michael Bause, „o. T.“ (2018) | |
Von Lorina Speder | |
„Vor zehn Jahren, da lief hier nicht viel. Es gab eine Initiative, um | |
kreative Leute in die Gegend zu holen“, sagt der Maler Michael Bause und | |
meint damit die Bemühungen der Stadt, die Brunnenstraße auf Weddinger Seite | |
zu beleben. Anfang 2008 kam die Wohnungsbaugesellschaft Degewo auf Künstler | |
wie ihn zu und bot ihnen Ladenlokale für kreative Projekte an. Als Bause | |
daraufhin mit fünf befreundeten KünstlerInnen im Frühjahr jenes Jahres den | |
Raum für Bild, Wort und Ton namens „oqbo“ mit Ruprecht Dreher gründete, | |
musste er nicht einmal Miete zahlen. | |
In der Nähe des U-Bahnhofs Voltastraße herrscht heute ein Mix aus | |
Spielkasinos, Restaurants und Ladenlokalen. „Die Idee der Stadt, eine Art | |
Modestraße entstehen zu lassen, hat sich schnell zerschlagen“, fährt der | |
1954 geborene Künstler fort. Die Mode- und Kunstszene, die einige | |
U-Bahn-Stationen weiter Richtung Mitte aktiv ist, hält sich vom Wedding | |
fern. Trotzdem blieben Bause, Christian Bilger, Frank Eltner, Dirk Lebahn, | |
Seraphina Lenz und Julia Ziegler standhaft. In den Achtzigern kamen sie aus | |
Städten wie Münster und Heidelberg nach Berlin und arbeiteten auch schon | |
vor der Galerie oqbo zusammen. | |
Die Idee, einen gemeinsamen Raum zu eröffnen, erschien ihnen nach dem | |
Angebot deshalb ganz selbstverständlich. „Wir sahen das als Chance, mehrere | |
künstlerische Disziplinen zu verbinden“, erzählt Bause. „Oqbo sollte eine | |
Art Club werden, in dem man diskutieren und reden kann.“ | |
Das erste Ereignis in der Galerie vor 10 Jahren war deshalb auch eine | |
Lesung, durchgeführt mit dem Verlag Matthes & Seitz. Aus der losen | |
Zusammenarbeit entwickelte sich eine Freundschaft und fortlaufende | |
Kooperation – jede Ausstellung begleitet nun mindestens ein philosophischer | |
Abend mit Vorträgen und Gesprächen. Auch wenn nicht mehr Platz als in einem | |
herkömmlichen Wohnzimmer ist, finden die Veranstaltungen inmitten der | |
ausgestellten Gemälde und Installationen statt. Das hat etwas Gemütliches. | |
Bause ist außerdem wichtig, dass die jüngere Generation involviert ist. So | |
lässt Daniela Seel, Autorin und Gründerin des Independent-Verlags | |
kookbooks, an weiteren Abenden Lyriktalente zu Wort kommen. | |
Bei der ersten Ausstellung im April 2008 war lediglich ein Schrank, der in | |
dem leeren Galerieraum stand, zu sehen. In seinen Schubladen befanden sich | |
14 Mappen mit Zeichnungen und Papierarbeiten von Künstlern. Während des | |
Ausstellungszeitraums konnten Besucher diese mit weißen Handschuhen | |
erkunden und die Werke auch erwerben. | |
## Auswählen und Stöbern | |
„Wir haben Papierarbeiten auf eine andere Art gezeigt. Das Versammeln um | |
die Schränke, dabei Auswählen und Stöbern schafft einen besonderen Zugang | |
zu den Werken“, sagt Bause. Sonst hätte man selten die Möglichkeit zu | |
erfahren, was auf der Rückseite von Arbeiten steht oder wie schwer und dick | |
das Papier ist. Inzwischen ist auch dieses Format ein Merkmal von oqbo | |
geworden. Die „Paperfiles“-Reihe etablierte sich zu einem jährlichen Event | |
im Galerieraum und ging während der Positions Berlin Art Fair in die 13. | |
Runde. „Wir bekommen viele Bewerbungen und wählen die Mappen selbst aus“, | |
sagt Bause und beschreibt damit die kuratorische Arbeit, die er und seine | |
Kollegen jeden Monat neben der Ausstellungsvorbereitung und -planung | |
betreiben. Momentan vertritt oqbo 165 Mappen von Künstlern wie Katharina | |
Grosse, Renate Wolff oder John Bock. Wenn die Mappenschränke nicht der | |
Mittelpunkt einer Ausstellung sind, können deren Inhalte auch jederzeit im | |
Hinterraum der Galerie angeschaut werden. | |
In der Jubiläumsausstellung gibt es nun einen Rückblick auf alle bisherigen | |
Projekte, per Diaprojektor im Keller. Oben zeigen die Gründungsmitglieder | |
ihre eigenen Arbeiten. In jeweils zwei ausgestellten Werken sind | |
künstlerische Entwicklungen zu erkennen – eine Arbeit ist aktuell, die | |
andere aus dem Jahr der Galerieentstehung. Zwischen den Ziegelsteinen in | |
Julia Zieglers gemalter Mauer namens „True Grid“ aus diesem Jahr schimmert | |
in den Linien der Ziegel ein kosmischer Farbverlauf, der wie Polarlichter | |
und die Farbigkeit des Horizonts aussieht. Durch diesen Bezug meint man in | |
ihnen die „Wolken“ auf Papier von 2008 erkennen zu können. | |
Bauses zwei identisch große Gemälde sind eigenwillige Farbstudien. Auf | |
dunklem Grund erkennt man in seiner unbetitelten Arbeit von 2008 drei runde | |
Farbkleckse in Weiß, Lila und einem Schwarzton. Alle drei Formen weisen im | |
Pinselstrich unterschiedliche Strukturen auf. Die Intensität des Violett | |
begründet sich in Bauses Experimentieren mit der Überlagerung mehrerer | |
Lack- und Acrylschichten. In der Galerie erkennt man, dass der Maler über | |
die Jahre in seinen Farb- und Materialstudien immer ausgelassener wurde. | |
Während die Farbbezüge in der älteren Arbeit noch voneinander getrennt und | |
in sich abgeschlossen wirken, überrascht das neue Gemälde mit zwei großen, | |
kräftigen Farbzentren. Die wilden Schichtungen aus einer ganzen Farbpalette | |
darin kann nur der Rand begrenzen. | |
Michael Bauses Gemälde erinnern an seine eigenen Worte zu oqbo: „Es war ein | |
sachter Start.“ Danach ließ man alles auf sich zukommen. Nur so konnte sich | |
ein offener Raum entwickeln, der durch die Sorgfalt und Leidenschaft der | |
Gründungsmitglieder in mäßigem Tempo und ohne jede künstliche Aufregung zu | |
einer herausragenden Adresse für Kunst, Literatur und Musik wurde. Eine | |
solche Qualität ist anziehend – wer weiß, vielleicht folgt die Szene aus | |
Mitte letztendlich doch in naher Zukunft. | |
„Still in good shape, oqbo 2008 – 2018“, Brunnenstraße 63, Do.–Sa. 15�… | |
Uhr, bis 7. April | |
14 Mar 2018 | |
## AUTOREN | |
Lorina Speder | |
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