# taz.de -- Wenn die Besucher wegbleiben | |
> Blockbuster-Schauen oder langfristige Pflege des Stammpublikums? Die | |
> Erfahrungen des Essener Folkwang-Museums sprechen dafür, mal ein paar | |
> Jahre lang den Eintritt freizugeben | |
Von Carmela Thiele | |
Vor zwei Jahren hat das Folkwang-Museum in Essen freien Eintritt eingeführt | |
– für den Zeitraum von fünf Jahren. In den ersten drei Monaten kamen | |
dreimal so viel Besucher wie zuvor, nach zwei Jahren sind es noch doppelt | |
so viel. Aber was sind die Hintergründe des rapiden Anstiegs? Diese Frage | |
stellte sich Tibor Kliment, Professor für empirisches Medien- und | |
Kulturmarketing in Köln und regte eine Besucheranalyse an. | |
Seine im Frühjahr 2017 durchgeführte Besucherbefragung, deren Ergebnisse | |
nun veröffentlicht wurden, ist aufschlussreich. Wenn die Bezahlschranken | |
wegfallen, erreicht man tatsächlich die Zielgruppen, die man an Kultur und | |
Kunst heranführen möchte. Die Studie ergab einen erheblichen Zuwachs bei | |
den 16- bis 34-Jährigen. 46 Prozent dieser Gruppe gab an, aufgrund des | |
freien Eintritts gekommen zu sein. 27 Prozent der 700 Befragten gingen zum | |
allerersten Mal ins Museum Folkwang, mehr als jeder zweite Befragte fühlte | |
sich durch freien Eintritt emotional stärker mit dem Museum verbunden. | |
Immerhin jeder fünfte Besucher kam aus Essen. Und das ist eine | |
Steigerungsrate von 30 Prozent. | |
Damit wäre ein Marketingziel der Aktion erreicht, nämlich das Stammpublikum | |
des Museums zu erweitern. Aber würden die neuen Besucher auch etwas zahlen, | |
wenn es wieder etwas kostet? Kliment fragte auch nach der „hypothetischen | |
Zahlungsbereitschaft“ der Besucher und konnte feststellen, dass auch | |
diejenigen, für die der freie Eintritt zunächst ausschlaggebend war, | |
tatsächlich wieder zahlen würden – „allerdings deutlich unterhalb des | |
Ticketpreises vor dem freien Eintritt“. | |
Und es gibt einen weiteren erwünschten Effekt für das Essener Museum mit | |
seiner bedeutenden Moderne-Sammlung: Der Museumsbesuch für junge Leute ist | |
selbstverständlicher geworden. Kliment: „Damit ist der freie Eintritt ein | |
Stück Zukunftssicherung des Museums.“ | |
Wie groß die Effekte sind, hängt aber auch vom Programm ab. Der scheidende | |
Folkwang-Direktor Tobia Bezzola rät, allgemein vom Blockbuster-Konzept | |
wieder wegzukommen und mehr mit der Sammlung zu arbeiten. Außerdem gab er | |
Räume für externe Kunstprojekte frei. | |
Das alles geht nicht ohne Geldgeber. Die Alfried Krupp von Bohlen und | |
Halbach-Stiftung kompensiert den Ausfall der Eintrittsgelder mit 1 Million | |
Euro. Die Stiftung hatte den 2010 fertiggestellten Museumsbau finanziert, | |
insofern war sie auch in der Pflicht, etwas zu tun, als die Besucher | |
wegblieben. Hochkultur für den Pott, das lief eine Weile ganz prima, weil | |
viele Besucher von außerhalb kamen, um gesponserte | |
Impressionismus-Blockbuster-Schauen zu sehen. Nachhaltiger ist offenbar | |
eine langfristig angelegte Publikumspflege. | |
2 Dec 2017 | |
## AUTOREN | |
Carmela Thiele | |
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