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# taz.de -- Schwimmen Die Ungarin Katinka Hosszu gilt schon vor dem Start als S…
Bild: Auch das Ausatmen wird zum Ereignis: Katinka Hosszu überlässt nichts de…
aus Budapest Andreas Morbach
Katinka Hosszu liebt die Öffentlichkeit; ein kleiner Rundgang durch
Budapest ist für die 28-jährige Vielschwimmerin deshalb gerade ein großer
Genuss. Die ungarische Hauptstadt ist in diesen Tagen gepflastert mit
Plakaten, auf denen die dreifache Olympiasiegerin von Rio als der
potenzielle Superstar der Schwimm-WM den Menschen zulächelt.
Am Sonntag beginnen die Beckenwettbewerbe, und Hosszu wird an den acht
Finaltagen wieder einmal besonders eifrig im Einsatz sein. Für sechs
Einzelrennen hat sie gemeldet – und ihre persönliche Headline vor dem
Heimspiel gleich mitgeliefert: „Ich habe kein Angst, zu versagen.“
Neun WM-, 20 EM- und vier olympische Medaillen in der heimischen Vitrine
haben dafür gesorgt, dass die Weltklasseathletin aus dem südungarischen
Pecs furchtlos antreten wird. Für ihre forsche Art ist Hosszu mittlerweile
ebenso bekannt wie für ihren Ehrgeiz; die Schwimmfunktionäre im eigenen
Land und im Weltverband Fina können davon ein Lied mit vielen Strophen
singen. Im Januar 2016 etwa trat Ungarns damaliger Cheftrainer Laszlo Kiss
überraschend zurück – nachdem sich Hosszu tags zuvor in Budapest kritisch
über die Zustände im Verband geäußert hatte. Vor laufenden Kameras zerriss
sie dabei einen Vertragsentwurf, in dem Fördermaßnahmen an bestimmte
Bedingungen geknüpft waren.
Katinka Hosszu will sich nichts vorschreiben lassen, in ihrer Branche gilt
sie als die personifizierte Professionalität. Vor allem dank der lukrativen
Weltcupserie schwang sie sich mit pausenlosem Bahnenziehen längst zur
mehrfachen Millionärin auf. Entsprechend bockig reagierte die Ungarin auf
die Entscheidung der Fina, nur noch vier Einzelstarts pro Wettkampfort
zuzulassen. „Interessant ist, dass sie nie die Schwimmer gefragt haben. Das
ist unfair und sollte so nicht weitergehen“, kommentierte Hosszu spitz –
und initiierte die Gründung der Profischwimmer-Vereinigung GAPS.
Die Athleten fordern ein Mitspracherecht im Weltverband, womit sie nicht
zuletzt der Biografie ihrer Antreiberin folgen. Nach einigen Enttäuschungen
– vor Rio blieb sie bei drei Olympischen Spielen ohne Medaille – nahm
Katinka Hosszu ihr sportliches Schicksal entschlossen in die Hand. Nach den
Spielen in London beendete sie die Zusammenarbeit mit ihrem amerikanischen
Coach Dave Salo, schwenkte bei der Arbeit am Pool um auf Shane Tusup, ihren
damaligen Freund und heutigen Ehemann.
Seitdem treten der muskelbepackte Trainer und die selbs ternannte „Iron
Lady“ in der Schwimmerszene als extrem ambitioniertes Paar auf. „Es ist
echt verrückt, was sie anstellt und wie viel sie trainiert“, staunt
Weltmeister Marco Koch über Hosszu. Der 27-jährige Darmstädter ist eines
von 30 Gründungsmitgliedern der GAPS. Manches im Leben der schwimmenden
Rebellin ist ihm allerdings dennoch nicht geheuer. „Anscheinend“, sinniert
Koch, „hat sie für sich einen Weg gefunden, der sehr gut funktioniert. Aber
ich könnte mir so ein Verhältnis mit meiner Partnerin am Beckenrand nicht
vorstellen.“
Abseits des Pools fiel die studierte Psychologin außer durch den Vertrieb
einer eigenen Bademodenkollektion im Herbst 2014 durch die Veröffentlichung
ihres Motivationsbuchs „Ungarns Eiserne Lady“ auf.
Nicht aber durch den Konsum verbotener pharmazeutischer Mittel. Gerade
wegen der enorm vielen Starts, die sie seit Jahren in einer Sportart mit
langer Dopingvergangenheit scheinbar problemlos herunterspult, erwecken
Hosszus Leistungen Misstrauen. Doch einen positiven Test von ihr gab es
bislang nicht. Deshalb erinnert sich Henning Lambertz auch lieber an ein
sehr spezielles Erlebnis im letzten Jahr.
Bei den Spielen in Rio hatte Hosszu neben drei Goldmedaillen einen
Fabelweltrekord über 400 Meter Lagen in den Pool gezaubert. Die
Schwimmevents waren gerade abgeschlossen, als Lambertz im Olympischen Dorf
auf dem Weg zur Mensa an einem Kraftraum vorbeischlenderte. „Fakt ist, dass
Katinka Hosszu mit ihrem Trainer einen Tag nach Beendigung der olympischen
Schwimmwettkämpfe in diesem Kraftraum sehr, sehr hart gearbeitet hat. Für
die beiden waren die Spiele abgehakt. Jetzt kam wieder das Nächste, der
Weltcup – wie mir Shane verraten hat“, erzählt der Chefbundestrainer mit
offener Bewunderung. „Sie haben nicht gesagt: Wir machen jetzt erst mal
drei Wochen Pause und genießen das Leben. Nein – das ist unser Leben. Wir
arbeiten in diesem Schwimmen professioneller als alle anderen. Das ist
perfekt, besser kann man es nicht machen.“
22 Jul 2017
## AUTOREN
Andreas Morbach
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