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# taz.de -- Fein umrissen
> Skulptur Die Ausstellung „spuren“ im Haus am Kleistpark spielt mit der
> Vorstellungskraft des Betrachters. Hier sind Künstlerinnen einer Szene am
> Werk, die in Berlin viele Protagonisten hat, aber oft unter dem Radar
> läuft
Bild: „Kleiner Schrecken“ von Ka Bomhardt vorne, Raumzeichnung von Asako To…
von Katrin Bettina Müller
Geräusche. Und Stille zugleich. Wie das Auf- und Zuklappen von Türen und
Fenstern, die man sich in Gedanken zwar nur vorstellt, aber doch im Kopf
auch hört. So kann eine „Raumzeichnung“ klingen, zum Beispiel von Carola
Dinges, die aus Stahldraht einen „Ausblick“ geformt hat. Von der Wand im
Ausstellungsraum nehmen die schmalen Linien ein wenig Abstand, umrahmen
rechteckige Flächen, die zusammen ein Haus markieren könnten, aber in etwas
gestauchter Perspektive.
Laut wie eine Explosion, die Möbel durch die Luft schleudert und den Tee
aus der Kanne schwappen lässt, und leise zugleich, wie ein langsam sich zu
Boden senkendes Papier, so ist der innere Klang, den Kerstin Bomhardts
Installation „Kleiner Schrecken“ erzeugt. Wie ein Schatten aus schwarzem
Papier fliegt die Standuhr durch den Raum, die Häkeldecke ist wirklich
gehäkelt und hebt vom Tisch ab, die Stehlampe wiederum ist eine bloße
Umrisszeichnung. Dass alles an Nylonfäden hängt, das sieht man zwar, und
doch ist der Eindruck der Drift stark, eines sich ausdehnenden Universums
einer altertümlichen Dingwelt, in der noch das Standuhrpendel der Zeit
ihren Takt gibt. Was vergangen ist, schiebt sich hier wie ein Filter in die
Luft, die wir atmen.
Die Ausstellung „spuren“ im Haus am Kleistpark ist der dritte Teil einer
Serie von Ausstellungen, die sich mit Raumzeichen beschäftigt haben, mit
linearen, in den Raum drängenden Gebilden aus Draht, Gummi, Schläuchen,
Papier, Holz, Stahl und Stoff, gezogen und gebogen von Künstlerhänden, aber
auch von Wasser, Licht und Wind angetrieben. Olaf Bastigkeit jagt mit einem
Lüftungsmotor eine knatternde Linie in den Raum, Bignia Wehrli hat die
Sonne selbst zeichnen lassen auf Fotopapier, bewegt von einem Flusslauf.
Das bringt Weite in die Ausstellung. Das Spiel mit den Linien, die sich aus
Stahl zu Kringeln ringeln, wie unbeabsichtigt hingekritzelt (von Ursula
Sax), die über die Wand gezogenen Linien, die sich aus bestimmten
Perspektiven von Raum zu Raum verbinden (Asako Tokitsu), all das bringt die
Bewegung ins Weite, von Ausdehnung, vom Strecken über die Formatgrenzen
hinaus ins Spiel. Und doch bleibt dieses Raumgreifende immer leicht, es
besetzt den Ort nicht, es stopft ihn nicht voll mit Material. Vielmehr
erweist sich die Linie, diese reduzierte Form, als starkes Medium für die
Vorstellungskraft.
Organisiert und kuratiert wurde die Ausstellungsreihe „Raum zeichnen“, die
zuvor in der Galerie Parterre und im Kunstverein Tiergarten zu sehen war,
von zwei Künstlerinnen: Claudia Busching, die im Haus am Kleistpark zwei
Bambusstäbe mit Gummibändern in eine Balance bringt, dass man sich die
Artistin mit der Balancierstange gleich dazu denkt, und der Bildhauerin
Pomona Zipser, bekannt für ihre aus filigranen und störrischen Linien
gebauten Skulpturen. Beide Künstlerinnen sind sehr aktiv, was von Künstlern
selbst gestaltete Ausstellungsprojekte angeht, und stecken viel Zeit,
Arbeit und Sorgfalt hinein. Diese Kunstszene, die in Berlin noch immer
viele Protagonisten hat, läuft oft unter dem Radar des Kunstmarktes und
versucht auch nicht, im Diskurs gerade hoch gehandelte Begriffe zu
bedienen. Aber die Beteiligten halten an einer ästhetischen Qualität fest,
die auch gerade dort, wo es um minimalistische Formen geht, die Schaulust
ebenso anregt wie ein Weiterdenken der materiellen Spuren.
## Stachelige Körperwesen
Witz haben die Raumzeichnungen auch. Etwa bei Renate Hampke, die
Fahrradschläuche mit Kabelbindern verknotet, Zungen aus Seife herauslugen
lässt und das Ganze auf klassischen Sockeln präsentiert. Das sind
stachelige Körperwesen, angespannt und mit der eigenen Kompliziertheit
beschäftigt, die irgendwie eine Beziehung zu Muskeln, Sex und Haaren haben.
Das „irgendwie“ ist dabei nicht einfach vage, sondern mehr ein reiches
Umspielen jener sensitiven Zonen, die mit Worten nicht zu fassen sind.
Überhaupt ist der Körper präsent in dieser Ausstellung, sein Maßstab ist in
den Dingen gegenwärtig. Es geht in den Raumzeichnungen, die umrundet und
von hier und dort beschaut werden wollen, eben auch um die Anwesenheit und
Bewegung des Betrachters, nicht um digitale Vermittlung. Vielleicht macht
auch dieses Direkte den Weg zwischen den Werken so ansprechend.
Haus am Kleistpark, Di.–So. 11–18 Uhr, bis 13. August
5 Jul 2017
## AUTOREN
Katrin Bettina Müller
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