# taz.de -- taz. thema : Der Staat zahlt länger | |
> FAMILIENRECHT Sechs Jahre zusätzlich: Kinder alleinerziehender Eltern | |
> können den Unterhaltsvorschuss ab 1. Juli dieses Jahres bis zum 18. | |
> Geburtstag erhalten | |
Bild: Es sind immer noch vorwiegend Väter, die den Unterhaltszahlungen nicht n… | |
Von Hannes Koch | |
Es war eines der großen Rätsel der hiesigen Sozialgesetze. Kinder, die bei | |
nur einem Elternteil aufwachsen, erhalten den sogenannten | |
Unterhaltsvorschuss bislang nur bis zum 12. Lebensjahr – obwohl die Kosten | |
für Wohnung, Kleidung, Essen und Ausbildung danach ja ebenfalls anfallen. | |
Nun hat die Regierungskoalition der Kritik der Alleinerziehenden und ihrer | |
Verbände nachgegeben. Ab 1. Juli wird der Zuschuss bis zum 18. Geburtstag | |
gezahlt. | |
Das haben Bundestag und Bundesrat Anfang Juni beschlossen. Der | |
Unterhaltsvorschuss hat diesen Sinn: Viele Kinder leben bei einem | |
Elternteil, meist der Mutter, weil der leibliche Vater eine andere | |
Partnerin hat. Zahlt dieser nicht den gesetzlich festgelegten Unterhalt an | |
sein Kind, springt das Jugendamt ein und übernimmt die Leistung. Der Staat | |
versucht sich das Geld später vom säumigen Elternteil zurückzuholen. | |
Gegenwärtig erhalten bundesweit rund 440.000 Eltern diese Zahlung. | |
Aktuell beträgt der Vorschuss laut Bundesfamilienministerium 150 Euro | |
monatlich, wenn das Kind bis zu 5 Jahre alt ist. Bis zum 12. Geburtstag | |
werden 201 Euro gezahlt. Bis zum vollendeten 17. Lebensjahr – das ist neu – | |
wird der Zuschuss künftig 268 Euro pro Monat ausmachen. „Im Gegensatz zu | |
heute kann man die Leistung dann auch länger als sechs Jahre in Anspruch | |
nehmen“, erklärt Sigrid Andersen vom Verband alleinerziehender Mütter und | |
Väter (VAMV). | |
Andere Sozialleistungen, wie etwa eine Halbwaisenrente, werden allerdings | |
mit dem Unterhaltsvorschuss verrechnet. Beträgt die Rente eines 14-jährigen | |
Kindes zum Beispiel 220 Euro, bleiben nur noch 48 Euro Unterhaltsvorschuss | |
übrig, die tatsächlich ausgezahlt werden. Auch eigene Einkünfte des Kindes | |
sind anzurechnen, etwa die Vergütung im Rahmen einer Berufsausbildung, sagt | |
Bettina Hassler, Anwältin für Familien- und Sozialrecht in Berlin. | |
Hartz-IV-Leistungen werden ebenfalls in voller Höhe auf den | |
Unterhaltsvorschuss angerechnet, so Hassler. Hat ein Elfjähriger | |
beispielsweise einen Anspruch nach Sozialgesetzbuch II auf den Regelsatz | |
von 291 Euro, erhält er als Unterhaltsvorschuss nur die Differenz zu 201 | |
Euro ausgezahlt – 90 Euro. Liegt der Hartz-IV-Anspruch unter der Höhe des | |
Vorschusses, fällt Ersterer komplett weg. | |
Erstaunlich an der Neuregelung erscheint nun, dass Kinder von 12 bis 18 | |
Jahren, die von Hartz IV abhängig sind, nicht in den Genuss des | |
verlängerten Vorschusses kommen sollen. Denn „Voraussetzung ist“, erklärt | |
das Bundesfamilienministerium, „dass sie nicht auf Leistungen nach dem | |
Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) angewiesen sind oder dass der | |
alleinerziehende Elternteil im SGB-II-Bezug mindestens 600 Euro verdient“. | |
Damit wolle man einen Anreiz geben, eigenes Einkommen zu erwirtschaften, | |
heißt es im Ministerium. Wenn die Kinder nahezu erwachsen seien und weniger | |
der Betreuung bedürften, sei das den Eltern auch zuzumuten. „Das kann man | |
als Ungerechtigkeit empfinden“, sagt Anwältin Hassler. „Diese Regelung | |
trifft besonders Mütter, die sehr wenig verdienen, und ihre minderjährigen | |
Kinder.“ Das Ministerium betont allerdings, dass es in diesen Fällen statt | |
des Unterhaltsvorschusses höhere Leistungen des Jobcenters gibt. | |
Zuständig für den Unterhaltsvorschuss sind die Kommunen. Anträge muss man | |
deshalb in der Regel beim Jugendamt der jeweiligen Gemeinde stellen. Von | |
Stadt zu Stadt kann es aber abweichende Regelungen geben. In Berlin sind | |
die Jugendämter der Bezirke die richtigen Ansprechpartner. Dort residieren | |
die Unterhaltsvorschusskassen. | |
Für die Reform hatte sich die ehemalige Familienministerien Manuela | |
Schwesig (SPD) eingesetzt. Die Umsetzung mit der Union in der Großen | |
Koalition war lange Zeit schwierig. Nun will der Bund seine Beteiligung an | |
den Gesamtkosten von derzeit rund einem Drittel auf 40 Prozent zu erhöhen. | |
Die jährlichen Mehrkosten werden insgesamt auf 350 Millionen Euro | |
geschätzt. | |
24 Jun 2017 | |
## AUTOREN | |
Hannes Koch | |
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