Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Hörspiel der großen Stimmen
> Opernpremiere Zubin Mehta dirigiert im Schillertheater „Die Frau ohne
> Schatten“ von Richard Strauss. Die Inszenierung kommt aus dem Ramsch der
> Mailänder Scala und sieht leider auch genauso aus
Bild: Szene aus „Die Frau ohne Schatten“ mit Sarah Grether (Weiße Gazelle)…
von Niklaus Hablützel
Die Zeit der Osterfeiern hat begonnen, die an der Berliner Staatsoper
„Festtage“ heißen. Es sind Festspiele für Maestro Daniel Barenboim, den
Pianisten und Dirigenten auf Lebenszeit der Staatskapelle. Anne-Sophie
Mutter kommt dieses Jahr, natürlich auch Martha Argerich. Die Wiener
Philharmoniker schauen mal wieder vorbei, und auf der Bühne gibt es Wagners
„Parsifal“, der vor zwei Jahren für eine Maßstäbe setzende Premiere sorg…
Denn eine große Opernpremiere muss schon sein in den Festtagen der
Staatsoper.
Letztes Jahr ließ sich Barenboim dafür von Jürgen Flimm zu einem für ihn
untypischen Griff in die Frühgeschichte der Klassik überreden,
wahrscheinlich, weil ihm Frank Gehry, der Architekt seines „Pierre
Boulez“-Saales, versprach, ein Bühnenbild für Glucks „Orpheus und Eurydik…
zu entwerfen. Das Wagnis ging überraschend gut aus, aber in diesem Jahr
verabschiedet sich Flimm eigentlich schon von seiner Intendanz, und die
beiden Altmeister waren vielleicht etwas ratlos, was sie denn nun zum
letzten Mal im Schillertheater neu produzieren sollten.
Zubin Mehta bot sich an, den Barenboim immer gern als Dirigenten für sein
Orchester holt, wenn er selbst Klavier spielen möchte. Mehta kann großartig
Strauss dirigieren – beide übrigens, Johann und Richard – und wenn schon
Strauss an Ostern, dann richtig: „Die Frau ohne Schatten“! Jahre dauerte
es, bis Hugo von Hofmannsthal und Richard Strauss ihr gemeinsames Projekt
einer Märchen- und Zauberoper im Geiste der „Zauberflöte“ des von ihnen
unendlich verehrten Mozart fertiggestellt hatten. Schaffenskrisen des
Dichters und der ganze Erste Weltkrieg kamen dazwischen, aber 1919 dann
waren die beiden endlich so weit, ihr schwer errungenes Werk in Wien der
Öffentlichkeit vorzustellen.
Es ist zweifellos ein Hauptwerk des Komponisten, souverän und selbstbewusst
zurückblickend auf die Romantik. Durchdacht und meisterhaft führen große
Melodien und fein gesponnene Orchesterfarben zu dramatischen Höhepunkten,
zwischen denen sehr vielschichtige Phasen psychologischer Reflexion der
Personen liegen. Zubin Mehta genießt die Klangkultur von Barenboims
Orchester in vollen Zügen und geht so sicher und tief in die Zauberwelt der
Instrumente hinein, dass es wirklich ein Festtag des Klangs wird.
Nur gehört dazu auch das Theaterstück, das Hugo von Hofmannsthal für seine
romantische Version der Psychoanalyse erfand. Zwei Welten sollen sich
mischen, eine unbewusste der Träume und erotischen Phantasien, und eine
reale des Alltags und seiner Zwänge. Zwei Frauen stehen für den Konflikt,
eine elegisch gespenstische, die keinen Schatten wirft, eine zänkisch
verbitterte, die ihrem braven Handwerksmann keine Kinder gebären will.
Zwischen ihnen steht eine dritte Frau, „Amme“ genannt, die im Stil von
Goethes Mephisto böse Intrigen und Zauberkünste aufführt, damit sich am
Ende alles zu Guten wende, was für Hofmannstahl – muss man leider sagen –
nur Mutterglück und Kindersegen sein darf.
Wer soll so was inszenieren? Das Gesellschaftsbild der beiden
Frauenversteher ist längst und unwiderruflich Geschichte. Claus Guth hat es
2012 in Mailand trotzdem versucht. An der Staatsoper hat er zwar nur
theatralische Totalschäden hinterlassen („AscheMOND“, frei nach Purcell,
„Juliette“ von Martinu), aber die Kontakte zur Scala sind immer noch eng,
und so hat Flimm den abgenudelten Guth aufwärmen lassen. Ein Sonderangebot
wahrscheinlich und genau so sieht die Bühne aus. Eine runde Riesentonne aus
Baumarkt-Fournier (Eichenimitat) mit einer pompösen Drehtür. Dazu
Krankenhausbetten, Milchglasfenster und Steiff-Tiere. Es lohnt sich nicht,
darüber zu reden. Das Stück braucht Räume und Farben, in denen sich Träume
und Gespenster ausbreiten können. Guth kesselt sie im Trüben ein, und wenn
am Ende die Kinderlein wie Osterhasen herumhoppeln, ist der Theaterschaden
schon wieder total.
Aber die Festtage der Staatsoper haben ihren eigenen Zauber, der dafür
sorgt, dass es nie gänzlich schiefgeht. In diesem Jahr ist es der Zauber
der Stimmen. Nichts fehlt auf dieser trostlos toten Bühne, wenn Camilla
Nylund und Michaela Schuster das Spiel beginnen. Nylunds sanfter,
geschmeidiger Sopran der Titelrolle klingt fragend und zweifelnd, Schusters
schärfere Stimme der Amme fängt sie auf, zusammen gehen sie hinüber in die
Welt der Iréne Theorin, der Frau des Färbers Barak. Wut und Verzweiflung
treiben sie in die extremsten Höhen hinauf, aus denen sie mühelos
zurückkehren kann zu der rauen Herzlichkeit ihrer tieferen Lagen. Dann
kommt Wolfgang Koch dazu, der Färber Barak, mit seinem warmen, verzeihenden
Bariton. Alles lebt, Hofmannsthals Tiefentheater heimlicher Wünsche ist
aufgelöst in den Ausdruck und die Färbungen großer Stimmen, eingewoben in
den Orchestersatz von Richard Strauss. Besser geht es wohl nicht, und für
die Festtage reicht es allemal, die nun mal eine Premiere brauchen.
Nächste Vorstellungen: 13. und 16. April 2017
11 Apr 2017
## AUTOREN
Niklaus Hablützel
## ARTIKEL ZUM THEMA
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.