| # taz.de -- „Der Staat muss sich ein Rassismusverständnis erarbeiten“ | |
| > Gesellschaft In Deutschland wird institutioneller Rassismus immer noch | |
| > nicht anerkannt, sagt der Aktivist Tahir Della | |
| taz: Herr Della, Sie haben an dem Treffen einer UN-Delegation zur Situation | |
| schwarzer Menschen in Deutschland teilgenommen. Worum ging es? | |
| Tahir Della: Der Besuch war Teil der UN-Dekade für Menschen afrikanischer | |
| Abstammung. Dabei geht es um Strategien gegen die Diskriminierung schwarzer | |
| Menschen. In verschiedenen Städten haben sich die UN-Experten mit ihnen | |
| getroffen und darüber gesprochen, welche Formen von Rassismus für sie im | |
| Alltag eine Rolle spielen. | |
| Und welche sind das? | |
| Das ist natürlich unterschiedlich. Aber durch alle Beiträge, die auf dieser | |
| Versammlung gehalten wurden, zog sich eine Gemeinsamkeit: die Beobachtung, | |
| dass institutioneller Rassismus nicht anerkannt wird. Die Gesellschaft | |
| weigert sich, dies zu tun. Dabei erleben wir das täglich: auf dem | |
| Wohnungsmarkt, dem Arbeitsmarkt, im Bildungswesen und natürlich auch bei | |
| Polizei und Justiz. | |
| Rassismus wird heute stärker thematisiert als früher. Warum, glauben Sie, | |
| ist die Lage noch immer so, wie Sie sie beschrieben haben? | |
| Das zugrunde liegende Problem ist ein zu enges Rassismusverständnis. | |
| Vereinfacht gesagt ist die Haltung vieler Menschen heute so: Weil man sich | |
| bemüht, nicht rassistisch zu sein, sei man es auch nicht. Nicht | |
| intentionaler Rassismus wird ignoriert. Es wird so getan, als fände | |
| Rassismus einfach nicht mehr statt, nur weil der böse Wille zur | |
| Diskriminierung fehlt. Das hat man zum Beispiel auch an der Diskussion nach | |
| den Ereignissen in der Silvesternacht in Köln gesehen. | |
| Inwiefern? | |
| Die Diskussion ging in die Richtung, dass schwarze Menschen es hinzunehmen | |
| hätten, dass sie rassistisch behandelt werden, wenn es eine solche | |
| Gefahrensituation wie am Hauptbahnhof entsteht. Oder dass es weiter | |
| Blackfacing … | |
| … das herabsetzende Verkleiden als Schwarzer … | |
| … im öffentlichen Raum gibt, etwa jetzt in der Karnevalszeit. Oder der | |
| Sprachgebrauch vieler Medien, der Menschen nach bestimmten Kategorien | |
| einteilt. Da werden ganz schnell Bilder abgerufen die rassistisch sind – | |
| trotz der Tatsache, dass heute durchaus viel mehr Menschen über Rassismus | |
| reden. | |
| Das sind Dinge, die vor allem auf der Diskursebene liegen. Ist die das | |
| Hauptproblem? | |
| Der Diskurs oder individuelle Verhaltensmuster stehen bei uns nicht im | |
| Vordergrund. In erster Linie ist der Staat in der Verantwortung, Rassismus | |
| in jeder Form zu bekämpfen. Die Voraussetzung dafür ist, dass er sich ein | |
| Rassismusverständnis erarbeitet, das über das bisherige hinausgeht. Nur so | |
| können die Institutionen verändert werden – und nur so kann man auf das | |
| Individuum einwirken und ihm klar machen, dass Rassismus keinen Platz in | |
| der Gesellschaft haben darf. Wenn die gesellschaftlichen Institutionen das | |
| nicht vorgeben, dann kann ich auch nicht erwarten, dass die Menschen sich | |
| ändern. Es muss klar werden: Rassismus schränkt das Leben schwarzer | |
| Menschen ganz massiv ein und führt im schlimmsten Fall zum Tod. | |
| Entsprechend muss er bekämpft werden. | |
| InterviewChristian Jakob | |
| 28 Feb 2017 | |
| ## AUTOREN | |
| Christian Jakob | |
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