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# taz.de -- „Ein Flehen der Menschheit an das Recht“
> Dokumentarfilm II Vom Ankläger in den Nürnberger Prozessen zum Vordenker
> des Internationalen Gerichtshofs: Der Film „A Man Can Make a Difference“
> porträtiert den engagierten Juristen Benjamin Ferencz
Bild: Benjamin Ferencz als Ankläger in Nürnberg: Bild aus „A Man Can Make a…
Unter dem Eindruck des Vietnamkriegs zog Telford Taylor, der amerikanische
Hauptankläger der Nürnberger Nachfolgeprozesse, eine bittere Bilanz
internationaler Rechtsprechung nach Nürnberg. Taylors Buch „Nuremberg and
Vietnam: An American Tragedy“ wurde zum Ausgangspunkt des bis heute
wichtigsten Films über die Nürnberger Prozesse: Marcel Ophüls’ „The Memo…
of Justice“, in dem dieser gegen alle Widerstände der Produzenten die
„Lehren von Nürnberg“ auf die Konflikte der folgenden Jahrzehnte anwendet.
Benjamin Ferencz war ein Mitarbeiter Taylors in Nürnberg und ein Kollege
Taylors nach der Rückkehr in die USA. Ullabritt Horns Dokumentarfilm „A Man
Can Make a Difference“ entwirft ein Porträt von Ferenczals engagiertem
Juristen, Vordenker des Internationalen Strafgerichtshofs und Advokat der
Ächtung von Angriffskriegen. Ferencz wuchs als Sohn ungarisch-jüdischer
Einwanderer in der New Yorker Bronx auf und konnte nur dank einer
engagierten Lehrerin aufs College gehen. Im Zweiten Weltkrieg gehörte er zu
den Ersten, die eine systematische Bearbeitung von Kriegsverbrechen
vorantrieben und durch die Sicherung von Beweismaterial noch während des
Kriegs eine spätere juristische Aufarbeitung ermöglichten.
Eher zufällig stieß ein Rechercheur in Diensten Ferencz’ bei der Suche nach
Beweismaterial für die Nürnberger Folgeprozesse auf drei harmlos wirkende
Leitz-Ordner mit der Aufschrift „Ereignisberichte aus der UdSSR“. Die
Ordner machten klar, dass die Erschießungen von Juden in den von Deutschen
besetzten Gebieten in Osteuropa nicht die Handlung einzelner fanatischer
Befehlshaber waren, sondern Teil einer systematischen Vernichtungspolitik.
Auf Betreiben von Benjamin Ferencz wurden diese drei Ordner zum
Ausgangspunkt des Einsatzgruppenprozesses. Ferencz wählte so viele
Angeklagte aus, wie die Anklägebänke in Nürnberg Sitze hatten. Nach der
Verurteilung war er sich vollkommen bewusst, dass das Urteil nur ein Symbol
dafür sein konnte, dass kollektiver Mord nicht ungesühnt bleibt.
Eines der größten Verdienste von „A Man Can Make a Difference“ besteht
darin, die Nürnberger Prozesse in den Kontext der sich
professionalisierenden juristischen Bearbeitung der deutschen Verbrechen
während des Zweiten Weltkriegs zu stellen. Der Film lebt von der
Lebendigkeit seines Protagonisten, der es sichtlich genießt, aus seinem
Leben zu erzählen.
Insgesamt drängt sich jedoch der Eindruck auf, dass der Film seine Mittel
nicht immer recht im Griff hat: So nimmt die Nervigkeit der Musik aus dem
Vorspann zwar ab, den ganzen Film hindurch atmet man aber auf, sobald der
letzte Ton der Musik verklingt und die Tonspur wieder Ferencz’ Erinnerungen
gehört. Der zweite Teil, der sich Ferencz’ Engagement für einen
Internationalen Strafgerichtshof widmet, wirkt leider arg in die Länge
gezogen und wenig originell aufbereitet.
Das ist bedauerlich: Die Konflikte auf dem Weg zu diesem Pionierprojekt
internationaler Rechtsprechung hätten mehr als genug Zeigenswertes geboten.
Ferencz geht von der These aus, dass die Strafbarkeit von Angriffskriegen
eine der zentralen Lehren aus Nürnberg ist. Sein Engagement für den
Internationalen Strafgerichtshof zielt darauf ab, ebendiese Lehre in die
Gegenwart hinüberzuretten.
Dank der lebendigen Präsenz von Benjamin Ferencz ist „A Man Can Make a
Difference“ allen Unzulänglichkeiten zum Trotz ein ausgesprochen
lohnenswerter Film. Von der Leinwand herab legt Ferencz Zeugnis ab über 70
Jahre unermüdlichen Engagements für internationale Rechtsprechung. In den
Emotionen, die die Erinnerungen in Benjamin Ferencz auslösen, wird die
vermeintlich klare Grenze zwischen Vergangenem und Gegenwärtigem immer
wieder infrage gestellt.
Fabian Tietke
„A Man Can Make a Difference“. Regie: Ullabritt Horn. Deutschland 2014, 90
Min.
17 Nov 2015
## AUTOREN
Fabian Tietke
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