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# taz.de -- Warum kämpfen Frauen?
> KAMPF-TANZ Die Choreografin ModjganHashemian hat für ihr Stück
> „XX-Riots“unter Kampfsportlerinnen in Iran, Bolivien und Berlin
> recherchiert. Im Ballhaus Naunynstraße
Im Februar 2012 berichtete der englische Telegraph über iranische
Ninja-Kämpferinnen. Ziel ihres Kampfsports sei es, im Ernstfall den
iranischen Staat zu verteidigen. Am Tag darauf berichtete der Guardian. Vom
Energiechanneling war die Rede, vom Kampf für Geschlechtergleichheit, von
Widerstand. Ja, was jetzt? Kein Wunder, dass die Choreografin Modjgan
Hashemian mit eigenen Augen sehen, mit eigenem Verstand begreifen will.
Seit Jahren arbeitet sie regelmäßig in Ländern wie Irak, Irakisch-Kurdistan
und ihrem Geburtsland Iran. Als sie im letzten Jahr in den Irak flog, hörte
sie, kurz vor Abflug in Berlin, in den Nachrichten, dass der Bagdader
Flughafen angegriffen worden sei. Außerdem war die Terrormiliz IS acht
Kilometer vor Bagdad. Sie flog trotzdem. Lebensmüde wirkt die Frau nicht.
Sie hat ein Kind, sie strahlt Sortiertheit und Verantwortungsgefühl aus.
„Ich will nicht sagen, dass all das,was in den Medien vorkommt, nicht
stimmt oder nicht so schlimm ist. Aber man lernt, die Informationen zu
gewichten. Ein Beispiel: Wenn in Berlin1. Mai ist, dann heißt dasnicht,
dass überall Kreuzberg ist.“
Für ihr neues Stück „XX-Riots“, das seit Dienstag im Ballhaus Naunynstra�…
läuft, hat Modjgan Hashemian in Bolivien, Iran und Deutschland
recherchiert. Durch eine Reportage war sie auf die bolivianischen
Cholita-Wrestlerinnen aufmerksam geworden. Zwei Fragen haben sie seitdem
bewegt: Warum kämpfen Frauen und welche Verbindungen gibt es zwischen
Kampfsport und Tanz?
Die bolivianischen „Cholitas“ – deren Auftritte mit traditioneller Tracht
wie mehrlagigen Volant-Röcken auch als Touristenattraktion gelten –
ausfindig zu machen, war nicht so leicht wie gedacht. Ein Taxifahrer half
weiter. Die Choreografin traf eine Gruppe, die nach der Trennung von ihrem
Manager eigene Wege gehen will. Das hat ihnen zunächst erhebliche
Popularitätsverluste eingebracht. Ursprünglich ist die Sportart eine nach
dem Vorbild des mexikanischen Lucha libre entstandene Männerdomäne.Anders
im Iran bei den Ninja-Kämpferinnen. Manche fangen schon im
Kindergartenalter an. In Südteheran gebe es sogar eine Gegend, die als
Ninja-Viertel gilt, sagt Hashemian. Auf die Frage nach der politischen
Verortung der Frauen differenziert sie: „Wenn sie Tschadors tragen, heißt
das zwar, dass sie religiös, aber nicht automatisch, dass sie auch
regimetreu sind.“ Eine der Frauen habe kürzlich Probleme mit der Behörde
bekommen, weil sie auf einem Plakat mit Hose ohne Manteau – jenem
Kleidungsstück, das zumindest den Po ganz bedecken sollte – abgebildet war.
Die Gründe zu kämpfen, scheinen in Bolivien, Iran oder Berlin, wo die
Choreografin die Boxgirls besuchte – und mit der Initiatorin, der
Genderwissenschaftlerin Heather Cameron, sprach – ähnlich: Fitness,
Leidenschaft und vor allem Empowerment. Sie bekomme eine „Ultrapower“, so
sagte es eine der Iranerinnen. Das ist gar nicht so weit entfernt von
Hashemians Schlüsselerlebnis der Begegnung mit dem Tanz, der es ihr als
Kind ermöglichte, sich aus den Restriktionen der
Postrevolutionsgesellschaft zu befreien. Und auch formal gibt es einen
interessanten Link: Gerade die Beschäftigung mit dem Kampfsport legt offen,
wie viele der Techniken des zeitgenössischen Tanzes aus den Martial Arts
stammen.
In „XX-Riots“ stehen keine Wrestlerinnen auf der Bühne. Der Cast besteht
aus fünf Tänzerinnen, die untersuchen, was die Aneignung bestimmter Bilder
und Techniken mit ihnen macht. Wie verhält sich das eigene Erstarken zum
Gegenüber? Wann folgt daraus ein Erniedrigen? Übernehmen sie
paternalistische Muster? Ein Drahtseilakt. Während eine der Tänzerinnen
versucht, ihn auszubalancieren, ziehen die anderen ihr das Seil unter den
Füßen weg. Astrid Kaminski
„XX-Riots“ läuft vom bis10.10. im Ballhaus Naunynstraße, jeweils um 20 Uhr
7 Oct 2015
## AUTOREN
Astrid Kaminski
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