# taz.de -- Von Peter zu Peter | |
> FREE JAZZ Der Dokumentarfilmer Peter Sempel hat den Saxofonisten Peter | |
> Brötzmann von Wuppertal bis China begleitet und aus seinem Material einen | |
> „Rohschnitt Peter Brötzmann“ gemacht | |
„Peter, was machst du?“ Das sind die ersten Worte im Film, gesprochen vom | |
Musiker Peter Brötzmann zum Filmemacher Peter Sempel, der in dieser Szene | |
unsichtbar hinter der Kamera agiert – vielmehr mit ihr hantiert. Brötzmann | |
steht irgendwo auf einer Straße, wirkt leicht weggetreten. | |
„Peter, was machst du?“ – das scheint auch der skeptische Blick Brötzman… | |
zu sagen, wenn er auf eine der Fragen Sempels erst einmal mit einer leicht | |
genervten Rückfrage reagiert. | |
„Rohschnitt Peter Brötzmann“ ist eine Hommage des Hamburger | |
Dokumentarfilmers Peter Sempel an den einflussreichsten Free Jazzer aus | |
Deutschland. Die direkte Ansprache von Regisseur und Protagonist läuft | |
dabei schon mal in beide Richtungen, es ist ein Film von Peter zu Peter, | |
wenn man so möchte. Auch wenn man nur den titelgebenden Peter zu sehen | |
bekommt. | |
## Wuppertaler Hinterhof | |
Der Filmemacher zeigt Brötzmann in seinem Wuppertaler Haus mit seinem von | |
Bäumen und Topfpflanzen gesäumten Hinterhofgarten, in seiner vollgestellten | |
Künstlerwerkstatt mit eigenen Arbeiten an den Wänden – Brötzmann studierte | |
nach eigenen Worten „die Scheiß-Kunst“, bevor er hauptberuflich Musiker | |
wurde – oder wie er im Freien Wäsche von der Leine holt. Und immer wieder | |
auf der Bühne. | |
Zwischen den Konzerten sinniert der 74-jährige Brötzmann über seine Arbeit | |
und die Kunst im Allgemeinen. Seine Art zu sprechen hat etwas Zögerliches | |
und Telegrammstilartiges zugleich, jedes überflüssige Wort scheint ihm | |
zuwider. Beim Zusammenlegen der Wäsche etwa fällt ihm ein: „Das ist, wo die | |
Musik eigentlich herkommt. Die kommt aus dem gottverdammten alltäglichen | |
Leben.“ | |
Sempel folgt Brötzmann auf seinen Konzertreisen nach Hamburg, Berlin, | |
London, New York, San Francisco oder Chicago. Fast durchgehend mit einer | |
salopp verschlackerten Handkamera, die sich den gesprengten Formen des Free | |
Jazz und der schier unbändigen Spielenergie Brötzmanns mit Wackelbildern | |
annähert. Und einem Cut-up-artigen Verschnitt der Konzertaufnahmen mit den | |
stilleren Gesprächspassagen in Brötzmanns Haus oder in verschiedenen | |
Galerien, in denen seine Arbeiten ausgestellt sind. Oder mit | |
aufgeschnappten Bildern aus den Spielstätten und von der Straße, wo Sempel | |
mit seiner Kamera auch einfach mal scheue Kätzchen beobachtet, die auf dem | |
Bürgersteig vorbeihuschen. Bei Brötzmann im Haus gibt es ebenfalls ein | |
Exemplar. | |
## Schöne Einfälle | |
Mitunter können die Handkamera-Einstellungen mit ihren großzügigen | |
Schlenkern ein bisschen viel des Guten werden. Würde Sempel nicht immer | |
wieder schöne Einfälle dazwischenstreuen: Etwa wenn er im Warschauer Café | |
„Pardon, To Tu“ in einem besonders dichten Moment des Konzerts das Bild | |
leicht zeitversetzt verdoppelt, sodass man den Eindruck gewinnt, es stünden | |
plötzlich doppelt so viele Musiker auf der Bühne. | |
Oder in China, der letzten Reisestation, wo Brötzmanns Power-Trio Full | |
Blast durch ein riesenhaftes Aquarium hindurch zu sehen ist, so als würde | |
man einem Unterwasserkonzert beiwohnen. | |
Den entscheidenden Satz zur musikgeschichtlichen Bedeutung Brötzmanns | |
spricht übrigens der US-amerikanische Schlagzeuger Hamid Drake am Rande | |
eines Auftritts in Brooklyn: „Wenn es Peter Brötzmann nicht gäbe, wäre die | |
improvisierte Musik nicht das, was sie heute ist.“ Ein größeres Kompliment | |
kann man ihm eigentlich nicht machen. Und es ist nicht übertrieben. | |
Tim Caspar Boehme | |
„Rohschnitt Peter Brötzmann“. Regie: Peter Sempel. Deutschland 2015, 98 | |
Min., Brotfabrik, bis 8. Juli | |
1 Jul 2015 | |
## AUTOREN | |
Tim Caspar Boehme | |
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