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# taz.de -- Anti-Stierkampf-Lobby im Parlament: Spanien wird stierlieber
> Das Mutterland des Stierkampfs kommt langsam zur Vernunft: Barcelona hat
> das brutale Spektakel verbannt, im Madrider Parlament ist eine Lobby
> dagegen entstanden.
Bild: Blutiger Zeikampf: Spanischer Stierkämpfer Juan Jose Padilla
Lucía Etxebarría erinnert sich noch genau an ihren ersten Besuch beim
Stierkampf. "Ich war 18 Jahre alt und studierte Journalismus", erzählt die
spanische Schriftstellerin. "Ein Kommilitone lud mich in die erste Reihe
ein. Das Blut des Stiers spritzte mir entgegen, ich begann zu weinen und
verließ die Arena."
Etxebarría wird nicht müde, diese Geschichte zum Besten zu geben, wenn sie
gegen das "blutige Spektakel" wettert. Die preisgekrönte Autorin ist eine
der Wortführerinnen der Bewegung gegen "La Fiesta Nacional", wie die
Spanier die alte Tradition des Kampfes Mensch gegen Tier nennen. Zuletzt
trat Etxebarría gar im spanischen Parlament auf, wo sie ein Manifest
verlas, in dem eine Gruppe von Abgeordneten gegen den Stierkampf ein
"landesweites Tierschutzgesetz" forderte, das auch die Kampfstiere mit
einbezieht.
"Wir werden nicht ruhen, bis alle Arenen in Spanien geschlossen sind",
erklärt der grüne Abgeordnete Francisco Garrido, der die
Anti-Stierkampf-Lobby aufgebaut hat. Gerade einmal 11 Abgeordnete gehören
dieser Gruppe an - es ist nicht leicht, in Spanien gegen die "Corrida" zu
mobilisieren. Viele Abgeordnete sind Anhänger des Stierkampfs. Und wer es
nicht ist, zieht es vor, sich aus dem Streit über die alte Tradition
herauszuhalten. Eine eindeutige Position könnte Wählerstimmen kosten. Auch
wenn sich laut neuester Umfrage nur 30 Prozent der Spanier für den
Stierkampf interessieren, kann sich kaum jemand ein Stadtfest ohne Stiere
vorstellen. Das nachmittägliche Schauspiel gehört genauso dazu wie die
Messe für die Gemeindepatronin.
Die Begeisterung für die Stiere ist vielerorts ungebrochen. Die Toreros
sind Stars. In insgesamt 5.000 Dörfern und Städten wurden vor zwei Jahren
17.000 Stierspektakel - von "Corridas" bis zum Stiertreiben durch die
Straßen - abgehalten. Mehr als die Hälfte dieser Veranstaltungen waren
klassische Arena-Stierkämpfe. Rund 45 Millionen Menschen kauften eine
Eintrittskarte, um zu sehen, wie einer der mehr als 15.000 Stiere getötet
wird. Die Schauplätze sind fast immer restlos ausverkauft - auf dem
Schwarzmarkt werden die Karten zu horrenden Preisen gehandelt.
"Der Stierkampf ist ein Spektakel, das auf der Misshandlung und dem Tod
eines Tieres basiert. Es gibt keine ethische Rechtfertigung für die Folter
eines höheren Säugetiers", beschwert sich der grüne Abgeordente Garrido,
der über eine offene Liste der in Spanien regierenden Sozialisten ins
Parlament einzog. Bei seiner Kritik erhält er die Unterstützung von mehren
Dutzend Intellektuellen. Darauf ist der Südspanier besonders stolz. Denn
die Welt der Kunst ist von jeher eng mit dem Stierkampf verbunden. Die
Literatur von Großen wie Federico García Lorca, die Malerei eines Pablo
Picasso oder die Musik vieler Flamencokünstler wurden stark von der
Begeisterung für das blutige Spiel mit dem Stier beeinflusst.
Einer derer, die sich noch heute vom Stierkampf inspirieren lassen, ist
Albert Boadella. Für den Theaterdirektor aus Barcelona ist das Schauspiel,
bei dem der Torero dem wilden Tier seinen Willen aufzwingt und es
schließlich tötet, Kunst. Deshalb tritt er für eine engere Zusammenarbeit
der Künstlervereinigungen mit den Toreros ein. "Die Stierkampfkunst hätte
schon längst zum nationalen Kulturerbe erklärt werden müssen", sagt er.
Obwohl jedes Jahr neben Schauspielern und bildenden Künstlern auch ein
Stierkämpfer mit dem staatlichen Orden für Schöne Künste ausgezeichnet
wird, untersteht das Reglement des Stierkampfs dem Innenministerium.
Boadella verlangt "einen eigenen Organismus, der angesichts der
künstlerischen Aspekte, die bei der Fiesta zusammenkommen, den Stierkampf
reguliert und fördert".
"Der Torero kreiert ein vergängliches Kunstwerk. Er ist der einzige
Künstler, der bei seinem Schaffen das Leben aufs Spiel setzt", erklärt auch
Luis Corrales. Der studierte Philosoph und Geschäftsmann ist der
Vorsitzende der "Plattform zur Verteidigung der Fiesta". 700.000
Unterschriften hat seine Pro-Stierkampf-Lobby in den letzten beiden Jahren
gesammelt, um die Corrida zu schützen. "Neben der Kunst ist der Stier auch
ein wichtiger ökonomischer und ökologischer Faktor", hält er den Kritikern
entgegen. Immerhin leben 200.000 Menschen von der Stierzucht und dem
Spektakel in der Arena. Und die hügeligen Weiden mit ihren Korkeichen, auf
denen die Tiere überall in Spanien fünf Jahre lang besser leben als jedes
Nutztier, umfassen 300.000 Hektar - ein Gebiet größer als das Saarland.
Dieselben Besucherzahlen, die Stierkampf-Gegner Garrido dazu dienen, das
"Ausmaß der Barbarei" zu beschreiben, sind für Corrales der Beweis "für die
Gesundheit des Spektakels". Die letzten Jahre waren nicht leicht für seine
Plattform. Am meisten gerät der Stierkampf im nordostspanischen Katalonien
unter Druck. Ausgerechnet Corrales Stadt Barcelona erklärte sich 2004 dank
einer nationalistischen Stadtverwaltung symbolisch zur stierkampffreien
Gemeinde. Die private Stierkampfarena "La Monumental" war sogar kurz davor,
zu schließen. Nicht aber "aufgrund der Politik", erklärt Corrales, "sondern
wegen Misswirtschaft. Denn jetzt, mit einem neuen Manager, füllen sich die
Ränge wieder." Vor allem das Comeback des derzeit besten Stierkämpfers,
José Tomás, füllte die Arena mehrmals bis auf den letzten Platz.
"Im restlichen Katalonien sieht es nicht so gut aus", weiß Corrales. Die
radikalen Nationalisten wollen mit ihrer Haltung gegen den Stierkampf
zeigen, dass die Region um Barcelona anders ist als das restliche Spanien.
In ganz Katalonien sind nur noch zwei weitere Plätze in Betrieb. Und dort
ziehen regelmäßig ein paar hundert Demonstranten auf, um die
Zuschauermassen zu beleidigen und zu bedrängen. Was die
Stierkampfbefürworter am meisten verwundert: Während die Nationalisten
gegen den Kampf in der Arena Stimmung machen, verteidigen sie die
Dorffeste, auf denen einem Stier Feuer an die Hörner gebunden wird, bevor
er völlig panisch auf dem Dorfplatz freigelassen wird. "Haben diese Stiere
keine Rechte?", fragt Corrales, der die Fiesta aus der politischen Debatte
heraushalten möchte. "Es kommen alle in die Arena, ob arm oder reich, links
oder rechts - und eben auch Nationalisten und Nichtnationalisten." Dass
Katalonien keine Stierkampftradition habe, ist für Corrales eine Mär.
Barcelona war jahrzehntelang die wichtigste Arena Spaniens, "noch vor
Madrid", berichtet er stolz. Ex-Toreros bestätigen dies und erzählen gerne
von ihren historischen Auftritten in der Mittelmeerstadt.
Während sich die spanische Regierung zum Thema bedeckt hält und
Umweltministerin Cristina Narbona gar für einen Skandal sorgte, als sie
forderte, den Stier künftig nicht mehr in der Arena zu töten, kommt aus dem
Nachbarland Frankreich unerwartete Unterstützung. Obwohl dort in der
wichtigsten Tierschutzvereinigung, der SPA, 63.000 Menschen organisiert
sind und sie dank namhafter Tierkampfgegner wie Brigitte Bardot viel Presse
erhalten, erlebt die Stierkampftradition einen Aufschwung. Junge
französische Toreros wie Sébastien Castella füllen die Arenen im Süden des
Landes. "Die Proteste sind weit davon entfernt, der Fiesta gefährlich zu
werden", weiß Corrales. Gut die Hälfte der Franzosen ist gegen ein Verbot
des Stierkampfs, zudem sind viele französische Politiker Anhänger des
Spektakels - allen voran Präsident Nicolas Sarkozy. Doch den größten Sieg
trugen die Wächter der Tradition in Brüssel davon. Bei einer Abstimmung im
Europaparlament im Oktober 2007, die auf Initiative der deutschen
Christdemokratin Elisabeth Jeggle zurückgeht, sprachen sich nur 178
Abgeordnete für ein Verbot des Stierkampfs aus, 412 stimmten dagegen. "Das
Fest ist lebendiger denn je", feiert Corrales das Ergebnis. In der zu Ende
gehenden Saison sei die Zuschauerzahl gar um 10 Prozent gestiegen, weiß er
zu berichten.
Die spanischen Gegner des Stierkampfs wollen dennoch nicht aufgeben. Lucía
Etxebarría hat bereits eine neue Idee: Sie will einen Steuerboykott
anregen. Ihren Angaben nach fließen jährlich aus den Gemeindekassen 564
Millionen Euro in die Stierspektakel bei den Dorf- und Stadtfesten. "Das
macht 47 Euro für jede spanische Familie", rechnet die Autorin in ihrem
Blog vor. "Von meiner nächsten Steuererklärung werde ich diese 47 Euro
abziehen." Mit dem eingesparten Geld will sie ihre "eigene Corrida" feiern.
"Ich denke an eine Flasche Champagner von der teuren Sorte. Ah, und
natürlich an einen befreundeten Stierkampfgegner."
15 Jan 2008
## AUTOREN
Reiner Wandler
Reiner Wandler
## TAGS
Stierkampf
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